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Coronavirus Berlin: Was 2G für Hotels, Gastronomie und die Kulturbranche bedeutet

LEIPZIG, GERMANY - NOVEMBER 08: A sign showing entry only for "2G", the term in German for people who are either vaccinated against (geimpft) or recovered from (genesen) the coronavirus, han ...
Eintritt in Restaurants, Clubs oder Museen bekommen immer öfter nur Geimpfte oder Genesene.Bild: Getty Images Europe / Jens Schlueter
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Immer mehr Bundesländer führen die 2G Regel ein – was bedeutet das für Hotels, Gastronomie und die Kulturbranche

09.11.2021, 15:5012.11.2021, 15:14
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Die neue Woche startet mit der höchsten Inzidenz seit Pandemiebeginn – und gefühlt ändert sich im Alltag erst mal nicht viel. Wir fahren mit überfüllten Öffis in die Arbeit, gehen weiterhin zum Essen ins Restaurant und ins Kino. Weil aber die Inzidenzwerte jeden Tag steigen und Gesundheitsminister Jens Spahn Ende August versprochen hat, dass es keine weitere Lockdowns geben werde, dreht die Politik nun an einer anderen Schraube, um die Neuinfektionen einzudämmen: der 2G-Regel. Damit dürften nur noch Geimpfte und Genesene viele gesellschaftliche Einrichtungen besuchen. In Sachsen gilt sie bereits seit heute, in Berlin ist sie für Ende der Woche in Planung und auch Brandenburg will am Donnerstag formell darüber entscheiden, ob 2G dann nicht mehr nur für Clubs und Festivals gilt, sowie es in Berlin schon länger gilt, sondern auch in für Hotels und Gastronomie übernommen wird.

Doch was bedeutet es für Gastronomen und Hotelbesitzer, Kinos, Theater- und Opernhäuser konkret, wenn künftig nur noch Geimpfte oder Genesene Zutritt haben? watson hat nachgefragt.

Das sagen Gastronomie und Hotelbetreiber

Jörn Peter Brinkmann, Geschäftsführer des Polit-Kultlokals Ständige Vertretung in Berlin-Mitte, sagt gegenüber watson zur geplanten Einführung einer verpflichtenden 2G-Regelung für die Gäste in Berliner Gaststätten: "Durch die steigenden Infektionszahlen und dem politischen Druck bleibt uns als Berliner Gastronomen nichts weiter übrig als die Entscheidungen zu akzeptieren. Ich persönlich wäre für eine Rückkehr zu den kostenlosen Schnelltests um für mehr Sicherheit in der Bevölkerung zu sorgen."

Das Lokal Ständige Vertretung liegt direkt an der Spree.
Das Lokal Ständige Vertretung liegt direkt an der Spree.Bild: www.imago-images.de / Karl-Heinz Spremberg

Trotzdem sieht er keine Probleme, seinen Betrieb auch mit 2G-Regeln weiterzuführen: "Aufgrund der Herausforderungen bei der 3G-Regel, der Abstände und damit einhergehend wenigen Gäste, die man dann bewirten darf, haben wir schon seit letzter Woche die 2G-Regel implementiert, was reibungslos läuft. Tatsächlich sind gefühlt 99 Prozent unserer Gäste geimpft", so Brinkmann zu watson. So begrüßt er, dass mit 2G eher einige Auflagen wie Maskenpflicht und Abstandsregel wegfallen würden. Die Registrierungspflicht bleibe aber trotzdem bestehen. Denn am Ende mache man alles in der "großen Hoffnung, dass es keinen weiteren Lockdown geben wird".

"Von den Gästen muss die Akzeptanz für die Regelung kommen, die Gastronomen müssen die Regeln umsetzen und die Behörden müssen dafür sorgen, dass die Regeln eingehalten und kontrolliert werden."
Thomas Lengfelder, Geschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbandes Berlin e.V.

Thomas Lengfelder, Geschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbandes Berlin e.V. (Dehoga Berlin): "Wir fanden die bisherige Regelung, also das Wahlrecht der Gastronomen und Hoteliers bezüglich der Anwendung der 2G- oder 3G-Regel positiv – auch für die Gäste. Grundsätzlich müssen bei beiden Regelungen einfach alle mitspielen, das ist ein Dreiklang aus Behörden, Gästen und Gastronomen. Von den Gästen muss die Akzeptanz für die Regelung kommen, die Gastronomen müssen die Regeln umsetzen und die Behörden müssen dafür sorgen, dass die Regeln eingehalten und kontrolliert werden. Ob nun 2G oder 3G gilt, ändert für die Gastronomie und Hotels nicht viel, denn das checken von Impfzertifikaten und das Führen von Kontaktlisten gibt es ja bereits. Das Abfragen von Testergebnissen entfällt dann."

Der Dehoga Berlin lehnt eines aber strikt ab, die Einführung eines 2G-plus-Modells wie vom amtierenden Bürgermeister Berlins, Michael Müller (SPD) und von Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) gefordert. Bei der sogenannten 2G-plus-Regel wird für Geimpfte und Genesene zusätzlich eine Testpflicht eingeführt. Man bräuchte dann zwei Nachweise: Einen über die vollständige Impfung oder Genesung plus einen über den negativen Corona-Test. Dazu Thomas Lengfelder gegenüber watson: "2G-plus wäre wie ein Lockdown. Denn welcher Gast wird denn neben seinem Impfzertifikat noch extra einen Corona-Test machen? Keiner!" Sollten die Tests zudem, wie es aktuell noch geregelt ist, kostenpflichtig sein, ist es tatsächlich fraglich, ob der Bürger zusätzlich zu seiner Restaurantrechnung noch den erforderlichen Test bezahlen wird – oder dann doch lieber Zuhause bleibt.

Einen weiteren Kritikpunkt äußert Lengfelder bei der Impfpflicht für Mitarbeiter in Gastronomie und Hotellerie: "2G für Mitarbeiter muss arbeitsrechtlich geklärt und abgesichert werden. Denn aktuell haben Arbeitgeber keine rechtliche Grundlage zur Abfrage des Impfstatus ihrer Mitarbeiter. Da muss der Berliner Bürgermeister sich schon im Vorfeld politisch kümmern, das kann er nicht auf den Bund abschieben!"

Das sagen die Vertreter der Kultur-Branche

Die Deutsche Oper in Berlin steht einer strengeren Corona-Regelung mittels 2G relativ gelassen gegenüber:

"Da unser Publikum zum sehr überwiegenden Teil ohnehin 2G ist, wird die Einführung dieses Modells keine gravierenden Veränderungen bedeuten. Wie in den meisten Kulturbetrieben liegt die Quote der Ungeimpften/Ungenesenen unter den Besuchern unter 5 Prozent, von denen einige vermutlich ohnehin dem Ausnahmereglement unterworfen sind, so dass sich die Veränderungen noch einmal minimieren."
Kirsten Hehmeyer, Sprecherin der Deutschen Oper, gegenüber watson

Auch das Berliner Ensemble sieht die 2G Regel eher positiv.

"Der größte Teil unseres Publikums ist bereits geimpft oder genesen, bis zu 98 Prozent unserer tatsächlichen Zuschauer:innen erfüllen aktuell bereits die 2G-Regelung. Eine Umstellung hätte für uns also voraussichtlich zunächst keine großen Auswirkungen auf das Publikumsinteresse. Auch organisatorisch ändert sich für unser Einlassmanagement nichts, da bisher auch die Nachweise kontrolliert wurden."
Hannah Linnenberger, Sprecherin des Berliner Ensembles, gegenüber watson
Das Berliner Ensemble wurde berühmt durch Aufführungen der Werke seines Gründers Bertolt Brecht.
Das Berliner Ensemble wurde berühmt durch Aufführungen der Werke seines Gründers Bertolt Brecht.Bild: Getty Images Europe / Maja Hitij

Eine 2G-Regelung konnte in Berlin bereits seit dem 5. Oktober optional angewendet werden. Das Berliner Ensemble habe sich bewusst entschieden, weiterhin die 3G-Regelung anzuwenden, um niemanden von einem Theaterbesuch auszuschließen. "Sollte die Politik sich aber nun für diesen Weg aussprechen, um die Pandemie weiter einzudämmen und Impfanreize zu schaffen, unterstützen wir diese Entscheidung", so Linnenberger zu watson.

"Die größere Gefahr ist für uns, dass es einen neuen Lockdown gibt oder andere Einschränkungen wie Abstandsregelungen oder Aufnahmekapazitäten."

Gerhard Groß, der Betreiber des Hackesche Höfe Kino in Berlin, begrüßt die Einführung einer 2G-Regel ebenfalls. Zwar würde die 2G-Regel einmalig eine halbe Stunde bis Stunde organisatorischen Mehraufwand bedeuten, doch im täglichen Ablauf würde sich nicht viel ändern.

"Wir kontrollieren ohnehin: Ein Impfnachweis ist außerdem leichter zu kontrollieren als der Testnachweis, da dieser oft handschriftlich ausgefüllt sind. Die 2G-Regel ist hier sozusagen eher eine Erleichterung und dient ja auch dem Zweck, dass unsere Häuser offenbleiben."

Größere Einschränkungen sieht er eher bei anderen Anti-Corona-Maßnahmen: "Die größere Gefahr ist für uns, dass es einen neuen Lockdown gibt oder andere Einschränkungen wie Abstandsregelungen oder Aufnahmekapazitäten", so Geschäftsführer Groß.

Dass durch den Ausschluss von Ungeimpften weniger Besucher kommen könnten, befürchtet er nicht: "Einen Besucherrückgang werden wir vermutlich wahrscheinlich gar nicht spüren. Vor zwei Wochen hatte ich mein Personal gebeten, eine Strichliste zu führen. Nur zwischen ein und zwei Prozent unserer Besucher sind getestet" und damit vermutlich nicht geimpft. Die Einführung der 2G-Regel "wird uns nicht so sehr treffen", prognostiziert der Geschäftsführer des Hackeschen Höfe Kinos.

In den Hackeschen Höfen in Berlin-Mitte befindet sich das Hackesche Höfe Kino.
In den Hackeschen Höfen in Berlin-Mitte befindet sich das Hackesche Höfe Kino.

Dieselbe Rückmeldung zur Besucherdemographie bekam er auch von Kollegen im Filmbereich aus ganz Deutschland. Er betont aber, dass diese aus der Arthouse-Szene kommen. "Wie es da in großen Kinos mit Umsatzeinbußen aussieht, weiß ich nicht", sagt Groß.

Das sagen Vertreter der Hotelbranche

Für die Hotelbranche ist bisher laut der neuen Verordnung der Berliner Politik noch keine 2G-Regel vorgesehen. Stattdessen müssen sich die Gäste am Anreisetag negativ auf das Coronavirus testen lassen und dann an jedem dritten Tag ihres Aufenthaltes ein negatives Testergebnis vorweisen.

Die Hotellerie sieht eine verpflichtende Einführung des 2G-Modells zwiegespalten. Die Sprecherin des 25 Hours Hotels in Berlin, Francesca Schiano, sagt zur Entscheidung der Berliner Politik gegenüber watson: "Wir stellen es nicht in Frage, zum Schutz unserer Gäste und Mitarbeiter." Es werde sich nicht viel für ihren Betrieb ändern, außer der Kontrollen der Impfnachweise: "Alle Gäste werden kontrolliert und eine Nachverfolgung kann zu jederzeit stattfinden. Wir nutzen dafür die Checkin-App 'GastIdent'."

"Sollte 2G der künftige Maßstab sein, wird das Umsatzeinbußen nach sich ziehen."

Die Hotel- und Hostelkette A&O steht einem flächendeckenden 2G-Konzept dagegen kritisch gegenüber. Zwar zeige A&O, laut dem Pressesprecher Phillip Winter, dafür Verständnis, "dass angesichts deutlich steigender Infektionszahlen die Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen weiterhin zentral sind, um das öffentliche Leben aufrecht zu halten".

Doch er gibt gegenüber watson zu bedenken, dass eine 2G-Regelung eine "erneute Reisebeschränkung und Unsicherheit" bedeuten würde. Mit 3G sei A&O bisher "sehr gut zurecht gekommen", betonte Winter. "Nachdem sich die Branche wieder etwas berappelt hat – jetzt die Auflagen erneut zu verschärfen, wäre ein wirklich schwieriges Signal." Sein Fazit: "Sollte 2G der künftige Maßstab sein, wird das Umsatzeinbußen nach sich ziehen." Vor allem für junge Menschen sieht der Sprecher der Hostelkette Nachteile bei der neuen Regelung.

"Wir sehen 2G als generelle Vorgabe allerdings kritisch – ein Großteil unserer Gäste sind Schulklassen – viele junge Menschen sind noch nicht geimpft. Unser Testcenter auch hier in Berlin ist gerade für Schulklassen zum festen Tagesordnungspunkt und zur verlässlichen Planungsbasis geworden, die sehr gut funktioniert. 2G würde in vielen Fällen das erneute Aus für Klassenfahrten bedeuten – und das wäre sowohl für Schulen als auch für uns ein klarer Rückschritt und erneuter Einbruch."
Phillip Winter, Sprecher A&O Hotels
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