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EM: LSVD kritisiert UEFA für Verbot der Regenbogen-Arena in München

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Bereits im März leuchtete die Münchner Arena in den Regenbogenfarben. Jetzt ist die Frage, ob sie beim EM-Spiel der Deutschen gegen Ungarn wieder so erstrahlt. Bild: augenklick/Martin Hangen / Frank Hoerman
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Lesben- und Schwulenverband kritisiert UEFA für "inhaltsleere Phrasen" nach Verbot, Münchner EM-Arena in Regenbogenfarben leuchten zu lassen

21.06.2021, 17:3213.09.2021, 15:34
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Eigentlich ist es nur ein kleines Stück Stoff am linken Arm von Nationalmannschaftstorhüter Manuel Neuer. Doch die Regenbogen-Kapitänsbinde, die der 35-Jährige in den ersten beiden Spielen der DFB-Elf gegen Frankreich und Portugal trug und auch am Mittwoch gegen Ungarn tragen wird, löste eine heftige Debatte aus. Wie politisch darf der Fußball sein?

Geht es nach dem Regelwerk der UEFA, dann eigentlich gar nicht. Sie leitete nach der Partie am Samstagabend eine Untersuchung gegen den DFB ein. Diese wurde dann am Sonntagabend wieder eingestellt, weil es laut UEFA eine "gute Sache" ist, gibt es eine Sondererlaubnis. Die gibt es nun allerdings nicht für den Plan, das Stadion in Regenbogenfarben leuchten zu lassen.

Fußball: EM, Portugal - Deutschland, Vorrunde, Gruppe F, 2. Spieltag in der EM-Arena München. Deutschlands Torhüter Manuel Neuer ärgert sich nach dem Gegentor.
Manuel Neuer trägt die Regenbogenfarben als Kapitänsbinde.Bild: dpa / Christian Charisius

Mit dem Engagement des DFB-Teams, bezeugt durch die Kapitänsbinde, ist der Lesben- und Schwulenverand Deutschlands (LSVD) zufrieden: "Wir finden das ein starkes Zeichen, dass sich der DFB und die Nationalmannschaft der Männer im Pridemonth und auch während der EM deutlich für Respekt und Vielfalt positioniert", sagte Sprecher Markus Ulrich gegenüber watson.

Auch LGBTIQ*-Aktivist Fabian Grischkat lobt den DFB-Kapitän. "Manuel Neuer setzt ein klares, mutiges und mutmachendes Statement", sagt der 20-Jährige gegenüber watson.

Doch es blieb nicht bei der Kapitänsbinde. Viel mehr sollte darüber hinaus die Münchner EM-Arena bei der Partie gegen Ungarn am Mittwochabend in den Regenbogenfarben aufleuchten. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter hatte sich persönlich dafür eingesetzt, dass die Arena in rot, orange, gelb, grün, blau, lila strahlen würde. Es sollte ein Protest gegen die homo-und transfeindliche Regierung Ungarns unter Führung von Ministerpräsident Viktor Orban sein.

LGBTQI*-Aktivist Fabian Grischkat
LGBTQI*-Aktivist Fabian Grischkatbild: oguz yilmaz

Und es ist nicht nur Orban, sondern auch die ungarischen Fans, die nach den ersten beiden Gruppenspielen in Budapest enorm in der Kritik stehen. Denn in den Partien gegen Portugal und Frankreich machten sie mit homophoben und rassistischen Beschimpfungen gegenüber Cristiano Ronaldo (Portugal) und Kylian Mbappe (Frankreich) auf sich aufmerksam.

"Es ist wichtig, Lesben, Schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen in Ungarn nicht allein zu lassen, sondern Solidarität zu zeigen. Das sorgt auch dafür, dass ihre dramatische Entrechtung auf der politischen Agenda bleibt und Konsequenzen für Orbans Regierung hat", sagt LSVD-Sprecher Ulrich hierzu.

"Demnach dürften Kinder und Jugendliche in Ungarn das Spiel gar nicht sehen, wenn die Arena in Regenbogenfarben leuchtet, Regenbogenfahnen im Stadion zu sehen sind oder sich für Solidarität und Akzeptanz ausgesprochen wird"
Markus Ulrich, Sprecher Lesben- und Schwulenverbands (LSVD) zum neuen LSBTI-feindlichen Gesetz in Ungarn

Für Influencer Grischkat sind Rassismus, Sexismus und Queerfeindlichkeit strukturelle Probleme, die vor allem im Fußball fest verankert sind und sich nicht durch eine Münchner EM-Arena in regenbogenfarben lösen lassen würden. "Doch es zeigt, dass wir zumindest im Ansatz an einem Wandel interessiert sind. Das ist besonders in diesen Zeiten ein wichtiges Zeichen für Europa."

Leon Goretzka (Deutschland) beim Interviw, GER, Fussball Nationalmannschaft Trainingslager Herzogenaurach, 21.06.2021, Spielzeit 2020/2021 DFB REGULATIONS PROHIBIT ANY USE OF PHOTOGRAPHS AS IMAGE SEQU ...
Nationalspieler Leon Goretzka machte deutlich, dass das DFB-Team weiter für eine vielfältige Gesellschaft einstehen will.Bild: Eibner Pressefoto/Michael Memmle / Eibner Pressefoto/Michael Memmle
"Es wäre völlig absurd, wenn wir uns dafür entschuldigen müssten, weil es klar ist, wofür es steht."
Nationalspieler Leon Goretzka zur Regenbogen-Kapitänsbinde

Unter anderem hat Orban mit seiner Fidesz-Partei ein Gesetz gegen "Werbung" für Homosexualität erlassen. "Demnach dürften Kinder und Jugendliche in Ungarn das Spiel gar nicht sehen, wenn die Arena in Regenbogenfarben leuchtet, Regenbogenfahnen im Stadion zu sehen sind oder sich für Solidarität und Akzeptanz ausgesprochen wird", erklärt Sprecher Ulrichs. Und sendete eine Forderung an die UEFA: "Wir fordern, dass es die UEFA der Stadt München erlaubt, die Arena in Regenbogenfarben leuchten zu lassen."

Der ARD-Journalist Georg Restle sah das ähnlich, fordert aber auch die Sichtbarkeit der Regenbogenfahne im Stadion: "Also dann DFB und DFB-Team: Regenbogenflaggen rein ins Stadion am Mittwoch gegen Ungarn. Ist ja nun UEFA-offiziell eine "gute Sache", schrieb er.

Doch die UEFA lehnte einen entsprechenden Antrag der Stadt München am Dienstagmorgen ab. "Die Uefa ist gemäß ihrer Satzung eine politisch und religiös neutrale Organisation. Angesichts des politischen Kontextes dieses speziellen Antrags – eine Botschaft, die auf eine Entscheidung des ungarischen nationalen Parlaments abzielt – muss die Uefa diesen Antrag ablehnen", hieß es vom Verband. Noch vor zwei Jahren twitterte der Verband noch: "Stolz, dass die EURO 2020 ein Turnier für jeden sein wird" und setzte dahinter einen Regenbogen-Emoji und den Hashtag "#equalgame".

Der LSVD kritisierte die Entscheidung am Dienstag scharf: "Ihre Beteuerungen, für Respekt, Vielfalt und Antidiskriminierung einzutreten, zeigen sich als inhaltsleere Phrasen. Wenn es drauf ankommt, stellt sie sich lieber auf die Seite von antidemokratischen und autoritären Politikern wie Orban", sagte der Verband gegenüber watson.

Das sieht auch Fabian Grischkat ähnlich: "Die UEFA und ihre #EqualGame Kampagne haben mit equality und Diversität so viel zu tun wie ein Fisch mit einem Fahrrad. Das Ablehnen der Allianz Arena Beleuchtung in Regenbogenfarben zeigt deutlich, welche Interessen bei der UEFA wirklich im Vordergrund stehen. Das ist ein Schlag ins Gesicht für die queere Community", sagte er gegenüber watson.

Die UEFA muss nun auch reichlich Kritik und Häme für einen Tweet vom 3. August 2019 einstecken. Dort schrieb sie unter anderem: "Es gibt immer noch viele Menschen in der LGBTQ-Community, die sich nicht mit eingebunden und willkommen im Fußball fühlen. Wir glauben, dass es wichtig ist, daran zu erinnern, dass es sie es absolut sind. Das ist ein Spiel für alle Menschen."

Söder bedauert Beschluss der UEFA

CSU-Vorsitzender Markus Söder äußert sich auf Instagram ebenfalls zum Beschluss der UEFA. Er finde es "schade", dass die Arena nicht in Regenbogenfarben leuchten darf. "Das wäre ein sehr gutes Zeichen für Toleranz und Freiheit gewesen. Wir müssen uns stark machen gegen Ausgrenzung und Diskriminierung."

UEFA schlägt Ausweichtermin vor – nach der EM

Die UEFA habe der Stadt München vorgeschlagen, die Arena am Christopher Street Liberation Day am 28. Juni oder zwischen dem 3. und 9. Juli während der Christopher-Street-Day-Woche in München in Regenfarben zu beleuchten. Das letzte EM-Spiel in München findet am 2. Juli statt.

DFB-Pressesprecher Jens Grittner (51) erklärte bereits am Montagabend gegenüber der "Bild"-Zeitung: "Die Uefa gibt ein einheitliches Stadiondesign vor. Und es gibt gute Gründe, dieses einheitliche Stadiondesign auch zu leben. Vielleicht muss man die Beleuchtung nicht unbedingt am Spieltag Mittwoch festmachen."

Die UEFA nahm somit auch einen Shitstorm in den sozialen Medien in Kauf, um das Verhältnis zu Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban nicht zu belasten. Aufgrund der Delta-Variante des Coronavirus und der strengen Einreisebestimmungen nach Großbritannien laufen aktuell die Verhandlungen, das EM-Finale von London nach Budapest zu verschieben, um das Spiel dort vor 60 000 Fans auszutragen.

LSVB sieht Politik in der Pflicht, zu handeln

Das EM-Finale in der ungarischen Hauptstadt auszutragen, würde die Diskussion um den umstrittenen Machthaber nur noch weiter befeuern und zeigen, dass der Sport schon lange nicht mehr unpolitisch ist.

LSVD-Pressesprecher Markus Ulrich
LSVD-Sprecher Markus Ulrich

Der LSVD sieht jedoch nicht nur den Sport und den DFB in der Verantwortung, das verabschiedete Gesetz und die "Entrechtung der LSBTI" in Ungarn zu kritisieren, sondern fordert nun die deutsche und europäische Politik zum Handeln auf.

"Die Möglichkeiten des Dialogs mit der Regierung Orbans sind ausgeschöpft, nun müssen finanzielle Sanktionen ernsthaft geprüft und dann umgesetzt werden", sagt Sprecher Ulrich.

Etwas anders sieht das hingegen Aktivist Grischkat. "Selbstverständlich ist der DFB nicht verpflichtet, solche Botschaften zu unterstützen, doch würde ihm ein bisschen Farbe und Mut sicherlich guttun."

DFB-Team will sich weiter für vielfältige Gesellschaft einsetzen

DFB-Nationalspieler Leon Goretzka machte auf einer Pressekonferenz am Montag klar, dass es zwar wichtig sein, dass es Regeln gäbe, doch für die Vielfalt der Gesellschaft werde die Mannschaft weiter einstehen. "Ich glaube, insgesamt als Fußball-Welt kann man aktuell sehr gut erkennen, dass wir Rassismus und Homophobie mit Vielfalt entgegentreten wollen", sagte der Bayern-Star. "Es ist ein schönes Zeichen, dass da mit vielfältigen Ideen aufmerksam gemacht wird", fügte der 26-Jährige hinzu.

Und da ist es egal, ob per Binde am Arm von Manuel Neuer oder in Form einer bunt leuchtenden Münchner Arena. "Es wäre es völlig absurd, wenn wir uns dafür entschuldigen müssten, weil es klar ist, wofür es steht. Wir werden genauso weiterhandeln."

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