Bayerns Debakel zeigt ein großes Problem des deutschen Frauenfußballs auf
Am Dienstagabend dürfte es bei der einen oder anderen Flashbacks gegeben haben. Im Estadi Johan Cruyff standen sich zwei nominell hervorragend besetzte Mannschaften gegenüber, es folgte jedoch kein Topspiel auf Augenhöhe. Vielmehr schraubten die Frauen des FC Barcelona den FC Bayern fachgerecht auseinander. In alle Einzelteile zerlegt und mit einem 7:1 im Gepäck schickten die Katalaninnen den deutschen Primus nach Hause.
Es weckte Erinnerungen an das WM-Halbfinale zwischen Deutschland und Brasilien im Jahr 2014, als die DFB-Elf die einst so gefürchtete Seleção, noch immer Rekordweltmeister, in eine bis heute anhaltende Ära der Enttäuschungen stieß. Ganz so weit ist es bei den Bayern noch nicht, diese Klatsche hat aber dennoch Bedeutung weit über den Dienstagabend hinaus.
Eigentlich sieht sich der FC Bayern in der internationalen Spitze
"Wir haben verdient verloren, auch wenn die Niederlage für unsere Ansprüche zu hoch ausgefallen ist", sagte Klara Bühl nach dem 1:7. Sie schob einen Satz nach, der Bände spricht: "Jeder hat sein Bestes gegeben, aber wir müssen das reflektieren und die richtigen Lehren daraus ziehen."
Die Bayern, in den vergangenen drei Spielzeiten stets deutscher Meister und zuletzt auch noch DFB-Pokal- sowie Supercup-Sieger, hatten also nicht einmal einen schlechten Tag. Sie haben ihr Bestes gegeben und waren dem FC Barcelona dennoch in allen Belangen mindestens eine Klasse unterlegen.
Der Auftakt in die Champions League hätte für die Münchnerinnen damit kaum schlechter laufen können. Denn anders als von Uli Hoeneß behauptet, sieht sich der Klub keineswegs als Hoffenheim der Champions League. "Der nächste Schritt muss sein, in Europa ganz vorne reinzukommen", benannte Präsident Herbert Hainer im April das Ziel für die Frauen. "Der Weg, wie wir ihn vorgeschrieben haben, jedes Jahr ein Stückchen besser, um dann in die europäische Spitze zu kommen, ist genau richtig."
Tatsächlich ist die Spitze weit entfernt. Und das nicht erst seit dem 1:7 in Barcelona. In der Vorsaison kassierten die Bayern über Hin- und Rückspiel ein 1:6 gegen Lyon, in der Spielzeit davor scheiterte der FCB gar in der Gruppenphase. Der Sprung ins Halbfinale gelang letztmals im Jahr 2021.
Bayerns Scheitern ist ein Debakel für den deutschen Frauenfußball
Es ist eine ernüchternde Bilanz für die Bayern. Es ist aber auch eine ernüchternde Bilanz für den deutschen Frauenfußball. Dass die Mannschaft, die national alles dominiert, in dieser Bundesliga-Saison gar noch ohne Gegentor ist, international nicht in die oberste Riege vorstoßen kann, lässt vor allem einen Rückschluss zu: Der deutsche Frauenfußball hängt in der internationalen Spitze momentan klar hinterher.
Das belegen auch die Auftritte vom VfL Wolfsburg. Obwohl die Wölfinnen als nationale Nummer eins abgelöst wurden, schweben sie in der Bundesliga deutlich über dem Rest. International aber kann der VfL in den Topspielen ebenfalls nicht mehr mithalten: Gegen Barça setzte es im Viertelfinale der Vorsaison nach Hin- und Rückspiel ein 2:10, im Jahr zuvor scheiterte der Bundesligist bereits in der Quali-Runde.
Andere Ligen haben in ihrer Gesamtheit längst aufgeholt, die Spitzenteams aus Spanien, England oder Frankreich sind dank kräftiger Investitionen und der daraus resultierenden Professionalisierung sogar klar vorbeigezogen. Und das zeigt sich auch an der generellen Entwicklung in jenen Nationen.
Auch die DFB-Frauen sind nicht mehr absolute Spitze
Bei der EM 2025 stießen die DFB-Frauen zwar bis ins Halbfinale vor, bekamen im Laufe des Turniers aber mehrfach deutlich die Grenzen aufgezeigt. Schweden, Frankreich und Spanien waren jeweils klar überlegen, dem deutschen Team fehlte es oft an offensiven Lösungen. Die grundsätzlichen Probleme haben sich auch schon bei den jüngsten beiden, enttäuschend verlaufenen WM-Teilnahmen gezeigt.
"Wir müssen uns in der Breite verbessern, brauchen mehr Talente. Die Vereine müssen die richtigen Schlüsse daraus ziehen", sagte Bundestrainer Christian Wück im Juli nach dem EM-Aus. Tatsächlich ist auch der DFB gefragt, es geht nur gemeinsam.
Die Bedingungen müssen verbessert, an der Basis verbreitert und in der Bundesliga weiter professionalisiert werden. Mehr Mädchen brauchen die Chance, rein weiblichen Teams beitreten zu können und auf einen Traum hinzuarbeiten, bei dem sie nicht nebenbei noch in einem anderen Job arbeiten müssen. Damit der deutsche Frauenfußball nicht auf Jahre den Anschluss zur Elite verliert. Damit das 1:7 vom Dienstagabend nicht ein Jahrzehnt der Enttäuschungen nach sich zieht.