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Selfie mit Merkel machte ihn berühmt: So geht es ihm heute

Anas Modamani hat seine Einbürgerung geschafft.
Anas Modamani hat seine Einbürgerung geschafft.Bild: Anna von Stefenelli
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Selfie mit Merkel machte ihn berühmt: So ist es Anas Modamani nach seiner Flucht ergangen

26.07.2022, 13:5828.07.2022, 22:12
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Mittwochabend in einem italienischen Restaurant in Berlin. Anas Modamani ist stolz auf sich. Nach sieben Jahren in Deutschland hat der aus Syrien geflüchtete 25-Jährige offiziell seine Einbürgerung geschafft. Der Weg dorthin war steinig und geprägt von permanenter Angst, vorzeitig abgeschoben zu werden. Doch der Zufall half dem Mann auf die Sprünge. Schließlich ist er kein Unbekannter.

Er wurde mit einem Selfie mit Angela Merkel deutschlandweit bekannt

Interviews sind für Anas Modamani nichts Neues mehr, trotzdem freut er sich jedes Mal darüber. Er fragt, ob er ein Foto machen darf, lächelt dabei freundlich. "Ich mache gerne Bilder und dokumentiere so mein Leben. Wer weiß, vielleicht ist das der Anfang von etwas Größerem", sagt er grinsend.

Damit spielt er auf ein Foto an, das sein Leben vor sieben Jahren in eine andere Richtung lenken sollte. Damals, im Jahr 2015, knipste er ein Selfie mit der ehemaligen Kanzlerin Angela Merkel. Zu diesem Zeitpunkt wusste er nicht, dass es sich bei der "wichtigen Person" um die Regierungschefin handelte. Wegen der zahlreichen Sicherheitsleute vor dem Flüchtlingsheim, in dem er wohnte, und weil so viele Reporter Fotos von ihr knipsen wollten, schloss er sich der Menge an. Er blieb hartnäckig – und hatte Glück.

Dieses Bild von Anas Modamani und Angela Merkel ging um die Welt.
Dieses Bild von Anas Modamani und Angela Merkel ging um die Welt.Bild: Getty images/ Sean Gallup / Staff

Merkel wurde auf Anas aufmerksam und bedeutete den Sicherheitsleuten, ihn zu ihr kommen zu lassen. Ein Journalist hielt diesen Moment fest, ließ sich Anas' vollen Namen auf einen Zettel schreiben. Noch am selben Abend ging das Foto um die Welt.

Anas wurde zum Gesicht für hunderttausende Flüchtende

Anas verlieh dem Strom der anonymen Menge Geflüchteter ein Gesicht, wurde damit interessant für die Medienwelt.

Das Selfie öffnete ihm später Türen, die vielen anderen ehemals Geflüchteten wohl verwehrt blieben: Zahlreiche Journalisten wollten Interviews mit ihm. Er traf sich etwa mit Mitarbeitern des ZDF, des RBB oder der Deutschen Welle. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde ihm klar, dass er selbst Journalist werden wollte.

Nachdem das Selfie von Anas Modamani und Angela Merkel um die Welt gegangen war, rissen sich Journalisten um die Geschichte des jungen Syrers.
Nachdem das Selfie von Anas Modamani und Angela Merkel um die Welt gegangen war, rissen sich Journalisten um die Geschichte des jungen Syrers.Bild: Getty images / Thomas Lohnes / Freier Fotograf

Doch das Foto brachte später auch negative Folgen mit sich. Es wurde vonseiten rechter Extremisten für Diffamierung verwendet, Anas als Terrorist bezeichnet. Eine schwierige Zeit für den Mann. Damals erreichte ihn eine Welle des Hasses. Wegen der Fake News verklagte er Facebook, um diese löschen zu lassen. Er unterlag.

Doch er ließ sich nicht unterkriegen.

Auf dem Weg zum Journalismus: Anas Modamani gab alles

So hartnäckig er damals beim Selfie mit der "wichtigen Person" Merkel war, so hartnäckig ist er auch heute. Um in Deutschland Fuß zu fassen, begann er schnell damit, Deutsch zu lernen. Mittlerweile beherrscht er die Sprache gut. "Ich will aber weiter üben und mich verbessern", zeigt sich der 25-Jährige motiviert.

Um voranzukommen, jobbte er zunächst bei Mc Donalds und Edeka, wollte in der Pandemie seinen Beitrag leisten. "Ich war und bin so dankbar, dass man mich hier aufgenommen hat", erzählt er. Deshalb möchte er etwas zurückgeben, engagiert sich ehrenamtlich beim Roten Kreuz.

Heute engagiert sich Anas ehrenamtlich, möchte Deutschland etwas für seine Aufnahme zurückgeben.
Heute engagiert sich Anas ehrenamtlich, möchte Deutschland etwas für seine Aufnahme zurückgeben.Bild: Anna von Stefenelli

2019 begann er Wirtschaftskommunikation an der HTW Berlin zu studieren. Währenddessen ergatterte er nach unzähligen Bewerbungen Praktika beim RBB, bei ZDF Story House Productions und nun bei der Deutschen Welle. Die besten Voraussetzungen, um in der Branche später Fuß zu fassen. "Ich glaube schon, dass die Interviews, die ich dort hatte, dabei geholfen haben", resümiert Anas.

Anas will Journalist werden, am liebsten selbst vor die Kamera treten. "Ich möchte immer unterschiedliche Menschen kennenlernen, immer gut informiert sein", sagt er. Sein Lebensziel verfolgt er mit Zielstrebigkeit: Er träumt davon, in einigen Jahren vielleicht sogar eine eigene Sendung zu haben. "Ein eigenes Format, vielleicht mit dem Namen 'Anas' Talk'", erzählt er.

Nach sieben Jahren ist Anas Modamani nun deutscher Staatsbürger

Die schwierigste Etappe auf seinem Weg dorthin hat er nun geschafft. Anas Modamani ist jetzt offiziell deutscher Staatsbürger. "Es waren so viele Unterlagen, die ich dort abgeben musste. Berlin ist, was das angeht, furchtbar", erzählt er rückblickend und deutet mit seinen Händen einen dicken Papier-Stapel an.

Die dafür benötigte Sprachprüfung und der Einbürgerungstest waren für ihn noch die einfacheren Hürden auf dem Weg zum deutschen Staatsbürger.

Nach sieben Jahren in Deutschland hat Anas Modamani seine Einbürgerung geschafft.
Nach sieben Jahren in Deutschland hat Anas Modamani seine Einbürgerung geschafft. Bild: Privat

Seit September 2021 versuchte er, einen Termin bei der Einbürgerungsbehörde zu bekommen. Als es nicht voranging, nahm er sich auf Anraten von Bekannten einen Anwalt. "Später hat mir die Frau im Einbürgerungsamt bestätigt, dass die Anträge mithilfe eines Anwalts immer vorher bearbeitet werden", erzählt Anas. Trotz der rechtlichen Unterstützung wartete er lange, erhielt den Termin erst knapp ein Jahr später, im Juli 2022. Für den Anwalt muss er noch heute zahlen.

Auch die langen Wartezeiten sind ein Problem. Denn ohne die deutsche Staatsbürgerschaft schwebt über geflüchteten Menschen die Abschiebung wie ein Damoklesschwert. Zumindest, wenn sich in der Zwischenzeit die Umstände im Herkunftsland ändern. "Jetzt habe ich eine große Sorge weniger", freut sich der 25-Jährige. Endlich könne er sicher planen, sich eine Zukunft ohne Angst aufbauen und vielleicht irgendwann sogar seine Familie in Syrien besuchen.

Eigentlich wollte Anas so schnell wie möglich wieder zurück zu seiner Familie

Damals, im Jahr 2015, flüchtete er – ohne zu wissen, dass er jahrelang nicht mehr zurückkehren würde. Als es für Anas als fast Volljähriger in Daryya bei Damaskus bald nur noch die Möglichkeit geben sollte, entweder im Krieg zu kämpfen oder sich zu verstecken und die Situation immer schlimmer wurde, schickte ihn seine Familie fort.

"Ich dachte, der Krieg würde innerhalb weniger Monate enden."

Zunächst ging es in den Libanon, dann in die Türkei. Der Plan: Dass Anas bald zurückkehrt. "Ich dachte, der Krieg würde innerhalb weniger Monate enden", erzählt der Syrer über seine damalige Hoffnung. Doch das Leben spielte leider anders.

Heute ist Anas froh, wie alles verlaufen ist. Etwa, dass er die drei Versuche, von der Türkei aus mit Schleppern auf Booten übers Meer nach Griechenland zu kommen, überlebt hat. Denn die Strategie der Schlepper damals war gefährlich: "Damit die Leute nicht zurückgeschickt werden, wurden die Boote in der Nähe Griechenlands absichtlich angestochen und zum Sinken gebracht", erinnert sich Anas schmerzlich. Auch deshalb gab es so viele Tote, zumal die meisten Menschen aus Syrien nicht schwimmen konnten.

Weg aus einem Land, das nicht mehr existiert

Anas ist einer der Menschen, die es geschafft haben. Und noch mehr. Er ist das perfekte Beispiel für gelungene Integration. Obwohl es alles andere als einfach für ihn war, Anschluss zu finden.

Auf die Frage, was für ihn am herausforderndsten in all dieser Zeit in Deutschland war, findet er eine klare Antwort: "Freunde zu finden". Zwar ist er sozial schon gut integriert, aber immer noch auf der Suche nach guten Freundschaften.

Anna und Anas: Das Paar verbindet ein Schicksal.
Anna und Anas: Das Paar verbindet ein Schicksal.Bild: Privat

Seit über zwei Jahren hat er eine feste Freundin, auf die er sehr stolz ist: Anna. Die Ukrainerin lernte er auf einer Studentenparty kennen. Sie verliebten sich. Mittlerweile wohnen die beiden gemeinsam in einer kleinen Wohnung im Osten Berlins.

Anna selbst ist nicht vor dem Krieg in ihrem Heimatland geflohen, denn die Studentin lebt bereits seit über zwei Jahren in Berlin. Doch der Weg zurück ist erstmal verbaut. Beide wollen sich nun eine Zukunft in Deutschland aufbauen, endlich richtig ankommen. Ihnen bleibt nichts anderes übrig, als die Situation anzunehmen. Gemeinsam unterstützen sie sich auf ihrem Weg. Denn die beiden eint das gleiche Schicksal: Aus einem Land zu kommen, das so, wie sie es kannten, nicht mehr existiert.

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