Laut
Zahlen der International Society of Aesthetic Plastic Surgery (ISAPS) haben
sich in 2016 rund 138.000 Frauen weltweit einer Labioplastik unterzogen. 6877
Eingriffe fanden davon in Deutschland statt. Die Society spricht von einem
zunehmenden Trend: Insbesondere jungen Frauen sollen in Praxen und Kliniken
kommen mit dem Wunsch nach perfekten Vulvalippen.
Dan mon O'Dey ist Chefarzt der Klinik für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie in Aachen und unter anderem spezialisiert auf diese Vulvarekonstruktionen.
Auf diesem Gebiet
berät und operiert er außerdem Frauen, an denen rituelle Beschneidungen
durchgeführt wurden. Mit watson sprach er über den neuen Trend.
Sehen Sie dieses Phänomen
auch in Ihrer Klinik?
Dan mon O'Dey: Ich
sehe in meiner Arbeit als Plastischer und Ästhetischer Chirurg schon, dass
zunehmend Frauen den Wunsch haben, labioplastische Eingriffe an sich
durchführen zu lassen. Ich würde es aber nicht als Phänomen beschreiben, das
gerade Aufwind erlebt und bald wieder abklingt. Ich glaube eher, dass ein
Sinneswandel bei Frauen stattfindet und viele die Möglichkeit zur
Selbstbestimmung wahrnehmen.
Was
glauben Sie, wodurch das ausgelöst wird?
Ich
glaube, die Gründe, sich für einen solchen Eingriff zu entscheiden, sind
vielfältig. Ganz allgemein können wir sagen, dass das Thema weniger tabuisiert
ist als früher. Ich denke, Frauen sprechen heute offener über intime Probleme
und tauschen sich untereinander und mit Ärzten darüber aus. Dadurch werden sie
auch offener für solche Eingriffe oder erfahren davon.
Laut Kritikern bekommen Frauen medial ein Bild von der perfekten
Scheide vermittelt, dem sie dann nacheifern – eine glatte Linie,
nichts hängt raus. Deshalb wachse der Wunsch Wunsch nach
labioplastischen Eingriffen...
Natürlich
gibt es Frauen, die sich den Eingriff aus rein ästhetischen Gründen wünschen.
Aber das ist nur eine Seite – und sie rückt reale Beschwerden, die viele Frauen
haben, in den Hintergrund.
Haben Sie Beispiele?
Sind die inneren Labien stark vergrößert,
können sie an der Kleidung reiben, werden womöglich wund und können sich
entzünden. Auch beim Geschlechtsverkehr kann es zu Problemen kommen: Etwa wenn
der Penis die inneren Labien beim Eindringen mitzieht, besteht das Risiko für
Verletzungen. Dass eine Frau die Möglichkeit ergreift, etwas dagegen zu
unternehmen, muss verständlich sein.
Wie ist
die Verteilung in Ihrer Klinik? Kommen mehr Frauen mit dem Wunsch nach einer
perfekten Vulva oder mehr mit Beschwerden?
Bei
mir stellen sich fast ausschließlich Frauen vor, die in irgendeiner Form
Beschwerden haben und sich deshalb die Schamlippen operieren lassen möchten.
Den Wunsch nach einer Art "Einheitsorgan" sehe ich nicht. Dennoch besteht
selbstverständlich eine individuelle Erwartung oder Vorstellung von einer
ansprechend natürlichen Form.
Sind
es vor allem junge Frauen, die sich eine Labioplastik wünschen?
Überhaupt
nicht. Alle Altersklassen sind vertreten, selbst noch jenseits der 50.
Wenn
nun eine Frau zu ihnen kommt, die sich die inneren Vulvalippen verkleinern
lassen möchte – wie läuft das ab?
Zuerst
spreche ich mit der Patientin über die Gründe: Warum will sie sich diesem
Eingriff unterziehen? Ich erkläre ihr mögliche Nebenwirkungen und kläre sie
über Risiken auf.
Dann
zeige ich ihr am Organ, wie das Endergebnis aussehen würde, sodass sie eine
möglichst konkrete Vorstellung davon bekommt. Zudem fertige ich in der Regel eine Handzeichnung an, die den
vorliegenden Befund, die operativen Ziele und technische Details
wiederspiegelt.
Wie sehen denn diese Details aus? Das Ziel ist immer, dass das Endergebnis natürlich ist. Wenn eine Patientin eine Operation will, obwohl bei ihr alles ganz normal beschaffen ist – solche Fälle kommen aber eher selten in meine Praxis – lehne ich ab. Wenn eine Patientin mit grotesken Vorstellungen kommt, erkläre ich ihr die normale Anatomie und den Rahmen der konstruktiv sinnvollen Möglichkeiten. Ich achte auch darauf, den Patientinnen die angewandten Techniken zu erklären, die den anatomisch natürlichsten Zustand wahren. Diese sind mitunter zeitaufwendig, aber sehr komplikationsarm.
Klingt
so als gäbe es gute und schlechte Techniken.
Welche
Methode man nutzt, liegt letztendlich im Ermessen des Operateurs. Ich arbeite
mit mikrochirurgischen Methoden, das heißt, ich benutze sowohl sehr feine Instrumente als auch Nahtmaterial und operiere mit Lupenbrille. Mit
gefäßverengenden Mitteln, die lokal angewendet werden, ist es zudem möglich,
sehr blutungsarm zu operieren.
Viele Lasern auch...
Meine Verfahren sind aus meiner Sicht präziser
und gewebeschonender als die Verwendung von Lasern und von Hochfrequenzgeräten.
Zudem wird durch die Schonung von Nerven und Gefäßen gewährleistet,
dass die Labien gefühlssensibel bleiben und keine Wundheilungsstörungen durch
etwaige Hitzeschäden auftreten.
Gibt
es auch gute und schlechte Kliniken für die Eingriffe?
Ich
glaube, Negativbeispiele gibt es überall. Ein Alarmzeichen ist jedenfalls, wenn
eine Praxis oder eine Klinik propagiert, den Eingriff beispielsweise im
Vorbeilaufen durchzuführen. Eine labioplastische Operation ist kein Gang in den
Supermarkt, das geht nicht mal eben schnell. Ein vernünftig, anatomisch gerecht
durchgeführter Eingriff dauert je nach Befundausmaß eineinhalb bis zweieinhalb
Stunden.