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Tipico, bwin, betway: Warum Sportwettenanbieter keine Zukunft im Fußball haben

Leon Goretzka Deutschland, Victor Palsson ISL Deutschland - Island Duisburg, 25.03.2021, Fussball, Saison 2020/21 Foto: Moritz M
Der Sportwettenanbieter "bwin" ist auch Sponsor der deutschen Nationalmannschaft um Leon Goretzka (schwarzes Trikot). Bild: www.imago-images.de / Moritz Mueller
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"Diese Entwicklung wird vergleichbar sein mit der Tabakindustrie": Experte erklärt, warum Sportwettenanbieter als Sponsoren im Fußball so gefragt sind – es aber wohl nicht bleiben

23.11.2021, 17:4723.11.2021, 20:29
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Erst Icke Häßler, dann Lothar Matthäus und schließlich laufen noch Leon Goretzka, Serge Gnabry und Joshua Kimmich mit ernstem Blick und der Meisterschale in den Händen in Richtung Kamera: Was sich anhört wie ein Werbespot zum Jubiläum der Bundesliga, sehen Kunden des Pay-TV Senders Sky an jedem Bundesliga-Samstag mehrmals.

Doch die ehemaligen und aktuellen Weltklasse-Fußballer bejubeln nicht die Bundesliga, sondern machen Werbung – für "SkyBet", "Interwetten" und "Tipico". Und das sind nur die Sportwettenanbieter, die ihre Werbungen während er Bundesliga-Konferenz am Samstag beim Pay-TV-Sender geschaltet haben.

Hinzu kommt, dass natürlich noch jeder der 18 Bundesligisten einen eigenen Sportwettenanbieter als Sponsor hat. Dazu stechen Werbeverträge wie von Zweitligist Fortuna Düsseldorf heraus, die in der Merkur Spiel-Arena antreten.

"Das Geld ist auch geflossen, als die Stadien leer waren. Die Hauptsache ist, dass der Spielbetrieb läuft – ganz unabhängig von den Zuschauern."
Wirtschaftswissenschaftler Henning Zülch von der HHL Leipzig Graduate School of Management

Online-Wettanbieter gehören mittlerweile zum Spiel wie die Bratwurst und das Bier. Zur geplanten Nachhaltigkeitsstrategie der Deutschen Fußball-Liga passt dieses Sponsoringkonzept aber kaum. Daher ist es mehr als fraglich, ob es auch in den kommenden Jahren noch eine so hohe Zahl an Anbietern geben wird, die die Vereine sponsern.

Umsätze auf dem Sportwettenmarkt steigen seit 2014 kontinuierlich

Doch aktuell boomt die Wettbranche wie nie zuvor. Laut dem Statistikportal "statista" stiegen die Umsätze auf dem Sportwettenmarkt in Deutschland seit 2014 kontunierlich. 2019 gab es einen Rekordumsatz in Höhe von 9,28 Milliarden Euro. 2020 sank der Umsatz aufgrund der Corona-Pandemie und der zeitweise ausfallenden Sportwettbewerbe zwar auf 7,79 Milliarden Euro, liegt aber damit immer noch höher als in den Jahren 2014 bis 2018.

Laut einer Studie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie aus dem Dezember 2014 fielen bereits zu diesem Zeitpunkt mit 55 Prozent mehr als die Hälfte aller Sportwetten auf den Fußball ab. Endergebnis, Torschützen, Anzahl der Tore, Gelbe und Rote Karten – Wetten können auf jedes erdenkliche Ereignis eines Spiels platziert werden.

So ist es auch möglich, dass der Wettanbieter Tipico seit 2015 ein sogenannter "Platin-Partner" des FC Bayern München ist und dem Klub dafür pro Saison angeblich bis zu 5,5 Millionen Euro zahlt. Tipico, dessen langjähriges Werbegesicht Oliver Kahn war, der heutige Vorstandsboss des FC Bayern, verlängerte seinen Vertrag mit den Münchnern erst im März bis 2025.

Dortmund, Signal Iduna, 30.10.21: Mats Hummels (BVB) am Ball im Spiel der 1.Bundesliga 1.FC Köln vs. Borussia Dortmund. Foto: pressefoto Mika Volkmann
Beim Spiel von Borussia Dortmund ist der Sportwettenanbieter "bwin" auf einer Werbebande zu sehen. Bild: Mika / Mika Volkmann

Oder bwin, die Borussia Dortmud wohl jährlich drei Millionen Euro überweisen und auch Teams wie Dynamo Dresden oder den 1. FC Union Berlin sponsern und dafür angeblich jährlich bis zu einer Million Euro zahlen.

"Das Geld ist auch geflossen, als die Stadien leer waren. Die Hauptsache ist, dass der Spielbetrieb läuft – ganz unabhängig von den Zuschauern. Das ist eine laufende Einnahme, die man nicht unterschätzen darf", sagt Prof. Dr. Henning Zülch, Inhaber des Lehrstuhls für Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung an der HHL Leipzig Graduate School of Management, gegenüber watson.

"Die Vereine brauche den gesicherten Umsatzstrom. Besonders in Krisenzeiten existiert eine finanzielle Sicherheit und das ist auch legitim", bewertet Zülch das Sponsoring aus unternehmerischer Sicht eines Klubs. "Die Reputation ist hingegen schadhaft. Das passt nicht wirklich zur aktuellen Diskussion einer nachhaltigen Aufstellung der Vereine im ganzheitlichen Sinne", fügt der 48-Jährige hinzu. Doch die Anbieter hätten es dank glaubwürdiger Werbepersonen geschafft, das schlechte Image zu kaschieren.

Tipico Renntag Galopp Weidenpesch Koeln Deutschland Datum: 06.09.2019 Oliver Kahn Tipico Race Day Gallop Weidenpesch Cologne Germany Date 06 09 2019 Oliver Kahn GPS: N 48 48.94 E 11 46.97 351 m 1151 f ...
Bayern Münchens Vorstandsboss Oliver Kahn (r.) war jahrelang eines der Werbegesichter des Anbieters Tipico.Bild: www.imago-images.de / Bopp Eduard

"Taskforce Zukunft Profifußball" fordert nachhaltige Zukunftsstrategie

Denn zur angestrebten Nachhaltigkeitsstrategie der Liga passt das nicht. Schließlich lassen sich nicht nur die 18 Bundesliga-Klubs von diversen mehr oder weniger seriösen Wettanbietern sponsern, sondern auch "Tipico" ist offizieller Partner der Bundesliga und 2. Bundesliga. Der DFB hat hingegen "bwin" als Sponsor.

Der "Taskforce Zukunft Profifußball" ist das Bekenntnis zu den Themen Nachhaltigkeit und Verantwortung aber so wichtig, dass es die ersten beiden Punkte ihrer Handlungsempfehlungen an Vereine umfasst.

"Im Mittelpunkt der Diskussion stehen immerzu Umweltbelange, aber das ist nicht alles", macht Zülch klar und fügt hinzu: "Nachhaltigkeit ist allumfassend, ganzheitlich zu sehen. Dazu gehören auch die Unternehmungsverfassung und die Unternehmungsführung, Kontrollstrukturen, der Umgang mit bzw. die Vermeidung von Korruption sowie die Mitarbeiterpflege."

Das ist die "Taskforce Zukunft Profifußball"
37 Personen aus Fußball, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Fanszene sind an der Taskforce beteiligt. Sie erarbeiten Handlungsempfehlungen für die 36 Profi-Klubs der 1. und 2. Bundesliga, um die Bundesliga besser für die Zukunft aufzustellen.

Doch gerade Wetten und Wettanbieter haben in der Gesellschaft nicht den besten Ruf und sind von Skandalen geplagt. "Wenn ein Verein ein großes DAX-Unternehmen als Sponsor gewinnen will, spielt die Nachhaltigkeitsstrategie desselben eine entscheidende Rolle. Ist eine Strategie nicht erkennbar oder existieren Sponsoren aus Branchen, die in der gesellschaftlichen Kritik stehen, so wird es höchstwahrscheinlich nicht zu einem Sponsoring kommen", sagt der Wirtschaftsexperte.

Die DFL hingegen hält Werbung von Sportwetten für ein zentrales Instrument, um "Spieltrieb in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken. Diese Kanalisierung hat eine Schlüsselfunktion für die funktionierende Regulierung von Sportwetten, weil sie dem Entstehen von Grau- und Schwarzmärkten entgegenwirkt", heißt es auf der Webseite der DFL.

Die DFL verweist zusätzlich auf Präventionsmaßnahmen, zu denen alle Mitglieder der Lizenzspielermannschaften der 36 Teams der 1. und 2. Bundesliga verpflichtet sind. Zudem wurde bereits 2012 das Projekt "Gemeinsam gegen Spielmanipulation – Spiel kein falsches Spiel" ins Leben gerufen, um auf die Gefahren von Spielmanipulation und Spielsucht aufmerksam zu machen.

In England droht der Verbot von
Wett-Sponsoring

Doch das Phänomen von Wettanbietern als Sponsor eines Klubs ist kein allein deutsches Phänomen. Eine Auswertung der Europäischen Fußball-Union UEFA zeigt, dass zur Saison 2019/20 13 Prozent der Vereine einer europäischen Top-Liga einen Haupt-Trikotsponsor aus der Wett- und Glücksspielbranche hatte. Nur der Einzelhandel (17 Prozent) macht einen höheren Anteil aus.

November 7, 2021, London, United Kingdom: London, England, 7th November 2021. Kurt Zouma of West Ham United celebrates scoring their third goal with Aaron Cresswell of West Ham United during the Premi ...
West Ham United, aktuell auf Platz 4 in der Premier League, hat den Sportwettenanbieter "betway" als Trikotsponsor. Bild: newscom / Paul Terry

Im englischen Fußball wollen sie dem Boom der Wettanbieter mit harten Regeln entgegenwirken. Wie die britische Boulevardzeitung "Daily Mail" Ende September berichtete, möchte die britische Regierung das Sponsoring im Fußball stärker regulieren. Betroffen davon wären vor allem die neun Vereine, die mit einem Wettanbieter auf der Brust werben.

Von dieser Maßnahme wären vor allem Klubs aus dem oberen und unteren Mittelfeld der Tabelle betroffen. Denn diese Vereine sind nicht in der Lage, ähnlich zahlungskräftige Sponsoren wie die Top-Sechs-Klubs der Liga für sich zu gewinnen. Die Kluft zwischen diesen Spitzenteams und dem Rest der Liga würde dadurch noch größer werden.

Zudem soll die Werbung der Unternehmen aus dem Fernsehen verschwinden. Ein Grundsatzpapier dazu soll im Winter veröffentlicht werden.

Neuer Glücksspielstaatsvertrag
soll Spieler schützen

Dass die Wettanbieter aktuell in Deutschland omnipräsent sind, hat vor allem mit dem Anfang Juli in Kraft getretenen neuen Glücksspielstaatsvertrag zu tun. Gab es vorher nur Konzessionen für bestimmte Anbieter, wurde diese nun enorm ausgeweitet und immer mehr Glücksspiel- und Sportwettenanbieter strömen auf den deutschen Markt.

Doch durch den neuen Glücksspielstaatsvertrag soll auch für einen angemessenen Spielerschutz gesorgt werden. So dürfe zwischen 6 und 21 Uhr keine Werbung im Radio oder Internet für virtuelle Automatenspiele, Online-Poker und Online-Casino erfolgen. Aktiven Sportler und Funktionären ist zudem verboten, Werbung für die jeweiligen Plattformen zu machen.

"Diese Entwicklung wird vergleichbar sein mit der Tabakindustrie. So war es vor 20 Jahren undenkbar, dass Zigarettenwerbung komplett aus dem Sport und den übrigen Medien verbannt wird."
Wirtschaftswissenschaftler Henning Zülch von der HHL Leipzig Graduate School of Management

Zudem heißt es unter Paragraf 5: "Unmittelbar vor oder während der Live-Übertragung von Sportereignissen ist auf dem übertragenden Kanal Werbung für Sportwetten auf dieses Sportereignis nicht zulässig". Doch nur einen Absatz später wird sogenannte "Dachmarkenwerbung" auf "Trikots und Banden sowie ähnlichen Werbemitteln erlaubt." Das bedeutet, dass sie darauf hinweisen müssen, dass es sich ausschließlich um die erlaubten Sportwettenangebote handelt.

Zudem gibt es ein Einzahlungslimit von 1000 Euro pro Spieler und pro Monat und die Anbieter müssen sich an die zentrale deutsche Sperrdatei "OASIS" anschließen. So soll der Sucht präventiv vorgebeugt werden. Aktuell soll es in Deutschland knapp eine halbe Million Menschen geben, die als problematische oder abhängige Spieler gelten – eine genaue Zahl gibt es nicht.

Doch noch befindet sich die deutsche Glücksspielbehörde, die die Anbieter kontrollieren soll, im Aufbau und sucht Personal. Erst ab dem 1. Januar 2023 wird sie ihren Hauptsitz in Halle (Saale) beziehen und voll funktionstüchtig sein. Aktuell wird der Spielerschutz noch aus dem Regierungspräsidium in Darmstadt gesteuert.

Alarmierend sind hingegen Recherchen der ARD, die zeigen, dass selbst spielsüchtige Personen, die sich in Therapie befinden, weitaus mehr als 1000 Euro einzahlen können und sogar mit Gratiswetten per Mail-Werbung zum Spielen animiert werden.

Auch für Alkohol und Zigaretten wird nicht mehr offensichtlich geworben

Wirtschaftswissenschaftler Zülch ist sich sicher, dass die Wettanbieter auch in Deutschland nicht mehr allzu lange eine so große Rolle im Sponsoring und der Werbung spielen werden.

Wirtschaftswissenschaftler Henning Zülch
Wirtschaftswissenschaftler Henning ZülchBild: HHL Leipzig Graduate School of Management / Michael Bader

"Langfristig wird diese Branche nicht hoffähig sein und daher nicht mehr diesen Stellenwert im Sport einnehmen. Diese Entwicklung wird vergleichbar sein mit der Tabakindustrie. So war es vor 20 Jahren undenkbar, dass Zigarettenwerbung komplett aus dem Sport und den übrigen Medien verbannt wird", führt Zülch ein Beispiel aus der Vergangenheit an.

Viel mehr sind die Profiklubs darauf angewiesen, sich von der kurzfristigen finanziellen Stabilität, die ein Wettsponsoring bringt, unabhängig zu machen. "Wir befinden uns gegenwärtig in einer Glaubwürdigkeitskrise des deutschen Profifußballs. Nur durch mehr Glaubwürdigkeit sind die Vereine gesellschaftlich akzeptiert. Dazu zählt die bewusste Auswahl der Sponsoren und Investoren. Nur auf diese Weise kehren Fans und Unternehmen der Branche nicht den Rücken."

Aktuell heißt es in den DFL-Statuten: "Die Werbung darf nicht gegen die allgemein im Sport gültigen Grundsätze von Ethik und Moral, die gesetzlichen Bestimmungen oder die guten Sitten verstoßen. Die Werbung für starke Alkoholika (Alkoholgehalt über 15%) oder für Tabakwaren und ihre Hersteller ist unzulässig. Werbung mit politischem, religiösem oder rassistischem Inhalt oder zugunsten von Sekten ist ebenfalls untersagt."

Und es könnte gut sein, dass die Statuten in den kommenden Jahren überarbeitet werden und sich auch die Glücksspielbranche dort wiederfindet.

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