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WM 2022: Wie watson über das Turnier in Katar berichtet – und warum

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Das Al-Bayt-Stadion ist der Austragungsort des Eröffnungsspiels der umstrittenen WM 2022 in Katar.Bild: imago / mis
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WM 2022: Wie watson über das Turnier in Katar berichtet – und warum

Hier könnte ein Artikel über die WM-Eröffnungsfeier stehen. Worauf wir bewusst verzichten. Zum Turnierauftakt erklärt unser Chefredakteur die Entscheidung und erläutert, wie wir in den kommenden Wochen berichten werden.
20.11.2022, 15:4620.11.2022, 15:47
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In Zeiten einer Fußball-WM herrscht in Nachrichtenredaktionen Ausnahmezustand. Vier Wochen lang dominiert dann der Sport. Das ist in einem Newsroom nicht anders als in den Wohnzimmern von Millionen Menschen. Dass man einen Monat lang deutlich mehr über Fußball berichtet als im Rest des Jahres, ist dann selbstverständlich. Genauer: War es bis 2022. Denn in diesem Jahr ist alles anders.

Machen wir es kurz: Dass die WM in Katar ausgetragen wird, ist ein Skandal. Nie im Leben hätten die Delegierten des Weltfußballverbands Fifa das Turnier an das Land vergeben dürfen, in dem schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung stehen.

Was auf diese Entscheidung an Heuchelei folgte, ist nur schwer zu überbieten. Vor allem die Landesverbände und ihre Funktionäre haben das Thema jahrelang totgeschwiegen, sich weggeduckt oder vor öffentlicher Kritik gedrückt. Weil sie nicht den Mut hatten, Haltung zu zeigen. Oder weil ihnen die Menschenrechte nicht wichtig genug waren. Sucht euch aus, was schlimmer ist.

Manchen Verantwortlichen war es bis zuletzt nicht peinlich, zu behaupten, die WM in Katar sei ein Segen für das Land, weil sich durch das Turnier viele Dinge zum Positiven entwickeln würden. Entschuldigt den Sarkasmus, aber: Erinnert ihr euch an den Gastgeber der WM 2018? Hat dort der Fußball irgendetwas verbessert? Richtig: Vor vier Jahren wurde in Russland gespielt.

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In sehr vielen deutschen Stadien, hier auf Schalke, forderten die Fanszenen dazu auf, die WM in Katar zu boykottieren.Bild: imago / rhr-foto

Nun steht jeder Fan vor der ganz privaten Entscheidung, ob man den Fernseher dennoch einschaltet oder das Turnier boykottiert. Fakt ist, das haben mehrere Umfragen belegt, dass die Vorfreude auf eine WM noch nie so klein war wie in diesem Jahr. Wie sich das auf die Einschaltquote, und das ist eine der entscheidenden Währungen für Verantwortliche und Sponsoren, auswirken wird, wird sich ab dem heutigen Sonntag zeigen.

"Wir sind der festen Überzeugung, dass gerade in solch einem Fall kritische Berichterstattung wichtig ist"

Auch wir bei watson haben uns die Frage gestellt, ob wir aus moralischen Gründen einen WM-Boykott beschließen wollen oder gar müssen. Doch wir haben uns gegen diesen Schritt entschieden.

Wir sind der festen Überzeugung, dass gerade in solch einem Fall kritische Berichterstattung wichtig ist. Würden wir (und andere Medien) die WM einfach ignorieren, würden wir das Feld nur den Kommunikations- und Werbeprofis überlassen, die das Turnier zu ihren Gunsten nutzen wollen. Das Ergebnis wäre ein völlig unreflektiertes Bild eines Turniers, das so eigentlich nicht stattfinden sollte. So richtig und logisch es ist, dass viele Fans diese WM boykottieren werden, so kontraproduktiv könnte dieser Schritt für Journalist:innen sein.

Natürlich birgt diese Entscheidung auch Angriffspunkte. Wer uns für diese Entscheidung kritisieren möchte, wird argumentieren, dass wir mit der Berichterstattung der Fifa und Katar in die Karten spielen; und feststellen, dass wir hoffen, mit unseren Texten möglichst viele Menschen zu erreichen, weil wir ein paywallfreies, werbefinanziertes Nachrichtenportal für junge Menschen sind. Und am Ende bezahlt Werbung unsere Gehälter.

AUCKLAND, NEW ZEALAND - OCTOBER 22: FIFA President, Gianni Infantino speaks to the media during the FIFA Council press conference at the Park Hyatt on October 22, 2022 in Auckland, New Zealand. (Photo ...
Gianni Infantino verteidigt die WM 2022 in Katar. Was nicht wirklich überrascht, schließlich ist er Präsident der Fifa.Bild: Getty Images / Robert Cianflone

Wir sind uns dessen bewusst. Und glauben dennoch, dass wir eine Berichterstattung auf die Beine stellen werden, die der Situation gerecht wird. Wir werden unser Bestes tun, um alle Facetten dieses Turniers abzudecken.

Konkret heißt das: Wir werden, rein sportlich, über die Spiele berichten. Wir werden auch bunte Meldungen rund um die Partien im Angebot haben. Wir werden aber ebenso über die Missstände in Katar schreiben. Wir werden ganz genau auf die Rechte von und den Umgang mit Frauen sowie Menschen aus der LGBTQ+-Community schauen. Wir werden bei handelnden Akteur:innen und Expert:innen nachhaken, wie sie das Turnier bewerten. Wir werden uns fragen, wie schädlich das Turnier fürs Klima ist. Wir werden Menschen aus Katar eine Stimme geben.

Und wir werden versuchen, Dinge transparent und einer breiteren Masse zugänglich zu machen, die man zum Beispiel online auf Twitter findet, aber die ihr als Zuschauer:innen nicht sehen könnt – weil das TV-Signal bei solch einem Turnier global einheitlich im Auftrag der Fifa produziert wird. Was konkret bedeutet: Sollten beispielsweise bei einem Spiel Menschen ein Banner mit einer Botschaft gegen die Fifa oder den Gastgeber Katar ausrollen, wird das mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht im TV gezeigt werden.

"Heute ist einer der traurigsten Tage in der langen Geschichte des Fußballs"

Gleichzeitig haben wir uns entschieden, gewisse Dinge nicht zu tun. Wir werden Aussagen bestimmter Verantwortlicher, beispielsweise der Fifa, nicht unreflektiert und ohne Einordnung wiedergeben. Weil wir nicht der Meinung sind, dass das "die beste WM aller Zeiten wird", wie es Fifa-Präsident Gianni Infantino gerne behauptet. Wir werden nicht von schönen Stadien schreiben, ohne zu erwähnen, wie sie gebaut wurden und wie viele Menschen für sie sterben mussten.

Und wir werden heute nicht über das Eröffnungsspiel und die im Vorfeld stattfindende Zeremonie berichten, weil Eröffnungsfeiern einer WM immer vor allem dazu da sind, die Fifa und die Gastgeber zu feiern.

Und zu feiern gibt es heute nichts. Heute ist einer der traurigsten Tage in der langen Geschichte des Fußballs.

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