Seit gut fünf Jahren gibt es in der Bundesliga den Videobeweis. Nachdem Fans und Funktionäre die neue Technik jahrelang (wenn nicht sogar jahrzehntelang) gefordert hatten, um ihren Sport fairer zu machen, gaben die Verbände 2017 endlich nach und beschlossen die Regeländerung.
Inzwischen hat der Video Assistant Referee (VAR) die anfänglichen Sympathien der Zuschauer jedoch verspielt. An so gut wie jedem Spieltag liest man in den Fan-Kurven Banner mit der Forderung: "Videobeweis abschaffen".
Dabei genießt dieselbe Technik in anderen Sportarten hohe Anerkennung, im American Football zum Beispiel ist der Videobeweis nicht mehr wegzudenken. Auch im Fußball reduziert er die Fehlentscheidungen um rund 50 Prozent, behauptet zumindest VAR-Boss Jochen Drees.
Auch Schiedsrichter-Legende Markus Merk befürwortet den Videobeweis. "Der Videoassistent kann nahezu lebensrettend sein", argumentiert er im Fußballpodcast "Immer die 3" aus Sicht eines Unparteiischen.
"Wenn du [als Schiedsrichter] die falsche Entscheidung triffst, was du dir da alles anhören musst – wie du auch persönlich attackiert wirst – das ist ja nicht menschengerecht", erläutert der dreimalige Weltschiedsrichter, wohl auch aus eigener Erfahrung.
Für die Fans fühlt sich der Videobeweis trotzdem wie eine zusätzliche Ungerechntigkeit an. Denn: Der VAR – ein unabhängiger Schiedsrichter im Kölner Keller – darf nur dann eingreifen, wenn eine Fehlentscheidung "eindeutig" ist. Wobei die Eindeutigkeit einer Fehlentscheidung im Regelwerk nicht festgelegt ist und selbst der Duden zum Thema "eindeutig" gleich drei Definitionen parat hat. Dadurch wirkt die VAR-Entscheidung, hier einzugreifen und da nicht, komplett willkürlich.
Auch Markus Merk sieht beim Videobeweis noch "massiv Verbesserungspotential". "Dass Schiedsrichter mit anderen Schiedsrichtern diskutieren, um irgendwo aus Schiedsrichter-Sicht eine Entscheidung zu finden", ist ihm nicht genug. "Es muss auch eine Stimme geben für die, die betroffen sind", macht er sich für die Rechte der beteiligten Teams stark.
Dieses "Veto-Recht" – wie Merk es nennt – entspräche den Challenges in der NFL. Dort haben die Trainer die Möglichkeit, eine rote Flagge zu werfen und damit den Videobeweis anzufordern. Liegen die Coaches falsch und die ursprüngliche Entscheidung wird durch den Videobeweis bestätigt, verliert das Team zur Strafe ein Time-Out.
Dazu, wie das im Fußball umgesetzt werden könnte, hat Merk wohl auch schon Ideen. Die Umsetzung überlässt er jedoch den aktuellen Funktionären.
Doch auch Jochen Drees, der das VAR-Projekt in der Bundesliga leitet, hat die Einführung von Challenges unlängst als "durchaus denkbar" eingeschätzt. "Das hieße aber, wenn die Mannschaft keine Challenge mehr hat, dass eventuell eine klare Fehlentscheidung nicht mehr korrigiert werden würde", begründet er gegenüber dem "Kicker" sein Zögern.
Im selben Atemzug schiebt Drees die Verantwortung für eine solche Regeländerung von sich: Da müsse man zunächst "die Verantwortlichen der FIFA mit ins Boot holen", die der Idee von Challenges angeblich mit "klarer Ablehnung" begegnen. "Da können wir als Deutsche nicht sagen, wir machen das jetzt einfach mal."