"Der Vertrag wird aufgelöst, da gibt es kein Zurück mehr", hatte Hertha-Geschäftsführer Fredi Bobic bei Dazn bereits kurz nach der Suspendierung von Hertha-Torwart Rune Jarstein angekündigt. Damals stellte der Hertha-Boss noch eine einvernehmliche Vertragsauflösung in Aussicht: "Wir unterhalten uns wie vernünftige Menschen und wollen versuchen, dass es am Ende des Tages sauber auseinandergeht."
Das hat offensichtlich nicht geklappt, stattdessen trennten sich beide Parteien nun auf die "dreckige" Art. Heißt: Bobic hat seinem Angestellten einfach zu Ende November den Vertrag gekündigt. Jarstein klagt dagegen nun vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg.
"Wir haben uns arbeitsrechtlich unter Einhaltung einer sozialen Ausfallfrist getrennt", bestätigte Bobic gegenüber "Bild" die Kündigung. Laut einem Gerichtssprecher, sei ein sogenannter Gütetermin für den 1. November angesetzt worden. Hierbei handele es sich um einen letzten Versuch, eine Einigung zu erzielen, bevor der Fall im Gerichtssaal landet.
Wie jeder Arbeitgeber, der seinem Angestellten vor Vertragsfrist einseitig kündigen möchte, wird Bobic gute Gründe für die Entlassung vorbringen müssen. Jarsteins ursprüngliche Suspendierung erfolgte nach einem Wortgefecht mit Torwarttrainer Andreas Menger. Der genaue Wortlaut ist nicht bekannt, laut "Sport Bild" soll jedoch das Wort "Arschloch" gefallen sein.
Die Beleidigung eines Vorgesetzten kann durchaus ein Kündigungsgrund sein, das hängt allerdings oft von den konkreten Umständen ab. 2010 hat beispielsweise das Landgericht Schleswig-Holstein die fristlose Kündigung eines Lkw-Fahrers für unwirksam erklärt, nachdem er den Verwalter eines Parkdecks als "Arschloch" bezeichnet hatte. Demnach hätte der Angestellte zunächst abgemahnt werden müssen.
Ob Bobic also einen triftigen Kündigungsgrund hat, wird von verschiedenen Umständen abhängen, sowie davon, wieviel er Jarstein nachweisen kann.
Die Partei Jarstein kann derweil vor Gericht eine Reihe vermeintlicher Gründe gegen die Rechtmäßigkeit der Kündigung vortragen. Unter anderem könnte der Norweger darauf verweisen, dass Bobic ihn Medienberichten zufolge schon im Sommer loswerden wollte, aber keinen Abnehmer fand. Dies könnte darauf hindeuten, dass es sich beim vermeintlichen Kündigungsgrund nur um einen Vorwand handelt.
Auch der Umstand, dass Jarstein sich im Zuge seiner Suspendierung öffentlich ruhig verhielt, könnte für ihn sprechen. Während Bobic bei DAZN und "Sport Bild" über seinen (noch) Angestellten herzog.
Der Ausgang des Rechtsstreits ist also noch völlig unklar. Doch unabhängig davon, ob Hertha diesen Prozess gewinnt oder verliert, droht sich Bobic damit selbst (oder zumindest allen Bundesligisten) ins Knie zu schießen.
Sollte Hertha verlieren und die Kündigung für unwirksam erklärt werden, stünde Bobic da wie ein Bully, der einfach mit vertragswidrigen Dingen droht, um seinen Willen durchzuboxen. Es wäre nämlich nicht das erste Mal, dass er das geltende Vertragsrecht zu seinen eigenen Gunsten neu interpretiert.
Schon im Sommer hatte er versucht, dem BVB beim Transfer von Marcel Lotka nachträglich Geld abzuschwatzken, nachdem er Monate vorher den ablösefreien Wechsel selbst verkündet hatte. BVB-Boss Hans-Joachim Watzke ließ sich jedoch nicht übers Ohr hauen und Bobic stattdessen einfach abblitzen.
Vermeintlich schlimmer für Bobic und die Bundesliga könnte sich jedoch ein Sieg vor Gericht auswirken: Dann wäre Hertha den ungewollten Arbeitnehmer zwar endlich los. Doch gleichzeitig hätte man erstmals ein Gerichtsurteil erzwungen, welches die vermeintliche "Unkündbarkeit" von Spieler-Verträgen in der Bundesliga aufweicht – noch dazu zu Lasten der Profis.
In einer Zeit, in der Profis regelmäßig gezwungen sind, ihre Verträge trotz Wechselwunsch zu erfüllen, könnten Spielerberater solch ein Urteil als Anlass nehmen, ihrerseits auf Vertragskündigung zu klagen. Die Tatsache, dass Fußballspieler ihre Verträge nicht einseitig kündigen können, macht sie nämlich zu einer Ausnahme unter deutschen Arbeitnehmern. Ein Sonderstatus der rechtlich durchaus umstritten ist.
Sollte dieser Sonderstatus vor Gericht fallen, wäre das Modell Spielerverträge so wie wir es in der Bundesliga kennen über den Haufen geworfen. Spieler könnten dann nach Belieben ihre Verträge hierzulande kündigen, um beispielsweise höher dotierte Verträge in England zu unterzeichnen. Und das alles nur, weil Fredi Bobic sich nicht mit seinem Angestellten auf eine einvernehmliche Vertragsauflösung einigen konnte und auf einem einseitigen Kündigungsrecht bestand.
(kpk)