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Jung sein in der Pandemie: "Unsere Altersgruppe musste am meisten einstecken"

Noreen Thiel
Noreen Thiel ist eine von vielen jungen Erwachsenen, deren Lebensplanung durch Corona durcheinandergeworfen wurde.Bild: Johannes James Zabel
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"Am meisten stört mich, dass nichts so richtig planbar ist": Sechs junge Menschen erzählen bei watson von ihrem Leben während Corona

17.01.2022, 13:29
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Mit der Omikron-Welle kommen auch auf Deutschland immer mehr Einschränkungen zu. Dabei hat jede Altersgruppe mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen, doch besonders junge Menschen sind frustriert und in ihren Möglichkeiten stark eingeschränkt. Neue Leute kennenlernen, auf Partys gehen, spontan in den Urlaub fahren, Auslandssemester machen, im Hörsaal sitzen oder auch nur den Abiball feiern: Viele Erfahrungen können junge Menschen während der Pandemie nicht machen, oder nur mit sehr viel Planung und Vorsicht.

Watson hat mit sechs jungen Menschen gesprochen, die erzählen, wie es ihnen gerade geht, welche Wünsche und Sorgen sie haben. Wir haben gefragt: Wie sieht dein Leben mit Corona aus?

Noreen, 18: "Ich bin eh der Typ Stubenhocker"

Noreen hat Sorgen, dass aus ihrem Auslandspraktikum nichts wird.
Noreen hat Sorgen, dass aus ihrem Auslandspraktikum nichts wird.bild: johannes james zabel

Noreen ist 18 Jahre alt und wohnt in Berlin. Letztes Jahr stand sie als Direktkandidatin der FDP im Berliner Bezirk Lichtenberg zur Wahl. Sie studiert Marketing und Kommunikation und arbeitet als Social-Media-Managerin für die FDP.

"Am meisten an der Pandemie stört mich, dass nichts so richtig planbar ist. Im Herbst habe ich die sogenannte Mobilitätsphase in meinem Studium, das heißt ich kann das Semester für Praktika nutzen, oder um für ein Semester an eine andere Uni zu gehen. Mein Plan war es eigentlich, ein Praktikum im Ausland zu machen, am liebsten in New York. Aber man hat eben keine Garantie oder Sicherheit, dass es dann auch so stattfinden wird. Wenn es Covid-bedingt ausfallen würde, wird es auch nicht nachgeholt. Das ist ziemlich frustrierend.

Mit der Situation an der Uni bin ich ansonsten sehr zufrieden. Wir haben Mitspracherecht und dürfen selbst entscheiden, ob wir Präsenz- oder Online-Unterricht wollen. Von Oktober bis Januar hatten wir Präsenzlehre, aber meine Kommilitonen und ich haben beschlossen, den Rest des Semesters online zu absolvieren. Darüber freue ich mich. Ich habe in den vergangenen drei Monaten gelernt, wie sozial auslaugend und kräftezehrend Uni sein kann.

"Ich bin eh gerne zu Hause"

Am Anfang der Pandemie hat es mich mental mehr mitgenommen, doch mit der Zeit habe ich gemerkt, dass ich eh der Typ Stubenhocker bin, der gerne Zeit zu Hause verbringt und eher introvertiert ist. Ich war noch nie im Leben feiern, und da bin ich auch nicht der Typ für. Ich war aber unglaublich froh, als letzten Sommer die Kinos wieder aufgemacht haben, das hat mir zuvor sehr gefehlt.

Seitens der Regierung wünsche ich mir in Zukunft schnellere Reaktionen auf sich ständig ändernde Lagen. Jeder verdient Weihnachtsferien, aber im Angesicht der nahenden Omikron-Welle war es weird, vier Wochen fast nichts zu machen.

Mein politisches Engagement kann ich im Moment ganz gut umsetzen. Ich habe ja kein gewähltes Amt inne und meine politischen Aufgaben konnte ich auch schon vor der Pandemie gut online umsetzen. Photoshop habe ich auch zu Hause."

Sieba, 21: "Corona war die Hölle"

Sieba hat durch die Pandemie ihren Studienwechsel aufgeschoben.
Sieba hat durch die Pandemie ihren Studienwechsel aufgeschoben.bild: privat

Sieba ist 21 und lebt in Berlin. Sie studiert im ersten Semester Journalismus und Unternehmenskommunikation und arbeitet als Werkstudentin bei watson.

"Ich arbeite zurzeit fast ausschließlich im Home Office, freue mich allerdings auf der anderen Seite darüber, dass es in der Uni noch Präsenzlehre gibt. Die soziale Interaktion dort mit den Kommilitonen ist mir wichtig.

"Vor der Pandemie habe ich es gar nicht wahrgenommen, wie anstrengend es ist, mit Leuten zu reden"

Doch eine Sache ist mir aufgefallen: Vor der Pandemie habe ich es gar nicht wahrgenommen, wie anstrengend es ist, mit Leuten zu reden.

Ich habe dieses Jahr endlich die Entscheidung getroffen, mein Studium zu wechseln. Fünf Semester lang habe ich Kultur- und Geschichtswissenschaft studiert und wusste eigentlich schon länger, dass es nicht wirklich meins ist. Aber durch Corona habe ich die Entscheidung immer weiter aufgeschoben und habe auf den Moment gewartet, in dem mich das Studium doch noch catcht. Doch der kam nicht.

Jetzt studiere ich seit einem Semester Journalismus und Unternehmenskommunikation und ich gehe richtig darin auf. Nun habe ich zwar gefühlt Zeit verschwendet, aber dafür genieße ich mein Studium gerade umso mehr.

"Ich habe Angst, dass uns unsere besten Jahre genommen werden"

Privat habe ich zur Corona-Pandemie sehr gemischte Gefühle, aber ich glaube, das ist auch normal. Manchmal bin ich panisch, frustriert, ungeduldig. Ich will keinen weiteren harten Lockdown. Gleichzeitig bin ich auch wütend, aber auf wen? Die Politik, das Virus selbst? Ich habe Angst, dass uns unsere besten Jahre genommen werden.

Ich habe auch Angst, wenn ich an die Zukunft denke. Was, wenn ich ein Auslandssemester machen möchte? Mit Corona fällt es schwer, die Zukunft zu planen, in jeder Hinsicht. Doch was mir in dieser Zeit Kraft gibt, sind meine Freunde. Ich habe das Gefühl, dass wir während der Pandemie noch stärker zusammengewachsen sind.

Letzten Winter hatten viele von uns Corona, auch ich. Das war die Hölle. Ich wohne bei meiner Familie und wir waren alle gleichzeitig erkrankt. Ich glaube, wir haben uns noch nie so schlecht verstanden wie während dieser Zeit."

Mara, 21: "Ich habe eine emotionale Schranke, die mich schützt"

Mara wollte nach dem Abitur eigentlich ins Ausland – doch dann kam alles anders.
Mara wollte nach dem Abitur eigentlich ins Ausland – doch dann kam alles anders.bild: privat

Mara ist 21 Jahre alt und lebt in Potsdam. Zurzeit absolviert sie ihren Bundesfreiwilligendienst in einem Krankenhaus auf der Corona-Intensivstation.

"Um sechs Uhr morgens geht die Schicht im Krankenhaus los. Dann geht es daran, die Patienten zu waschen, zu drehen und zu betten.

In unserem Krankenhaus gibt es mittlerweile zwei Covid-Intensivstationen, eine für die instabilen Patienten und eine für die stabileren, bei denen es zumindest langsam wieder bergauf geht.

Der Bundesfreiwilligendienst im Krankenhaus war aber eigentlich gar nicht mein ursprünglicher Plan. Eigentlich wollte ich nach dem Abitur ein Auslands-FSJ in einem Waisenhaus in Benin machen. Doch als das Auswärtige Amt die Reisewarnung für Westafrika herausgab, durften wir nicht mehr fahren, obwohl wir wollten – gerade wegen Corona. Im Waisenhaus kommen nun 25 Kinder auf zwei Betreuer. Und hier in Deutschland geht es den meisten von uns doch eigentlich so gut.

"Die Stimmung ist gekippt. Ich wollte nicht mehr ins Ausland, sondern hier vor Ort helfen"

Nach über drei Monaten Hin und Her voller Vorfreude, Ärger, Hoffnung und Enttäuschung ist bei mir dann jedoch die Stimmung gekippt und ich wollte nicht mehr weg. Stattdessen wollte ich hier vor Ort helfen und habe ein Praktikum in einem Krankenhaus gemacht. Nach dem Bundesfreiwilligendienst will ich Medizin studieren.

Mich belastet die Corona-Situation extrem. Nicht einmal so sehr auf der Arbeit, das kann ich gut trennen. Ich habe so etwas wie eine emotionale Schranke, die mich schützt, sodass die Fälle nicht so an mich herankommen. Doch es trifft mich, dass so viele Menschen so hart arbeiten, um die Pandemie zu beenden und es immer noch Menschen gibt, die leugnen, dass es Corona überhaupt gibt und sich nicht an die Maßnahmen halten."

Christian, 22: "Auf dem Land ist man nicht in einer kleinen Wohnung eingesperrt"

Christian ist normalerweise in vielen Vereinen aktiv.
Christian ist normalerweise in vielen Vereinen aktiv. bild: privat

Christian ist 22 Jahre alt und wohnt in der Nähe von Freising bei München. Nach einer Schreinerlehre arbeitet er nun bei der Trinkwasserversorgung.

"Ich arbeite in der Trinkwasserversorgung des Landkreises Freising als Wasserwart. Wir sind 365 Tage im Jahr im Einsatz, von daher fallen auch immer wieder Wochenend- und Bereitschaftsdienste an. Wir tragen den gesamten Arbeitstag eine Maske, was ich manchmal schon ekelhaft finde. Home Office gibt es in dem Job auch nicht.

Zuvor habe ich eine Schreinerlehre absolviert, aber der Betrieb, in dem ich gelernt habe, hatte nicht wirklich eine Zukunft. Also bin ich bei der Wasserversorgung nun quasi quer eingestiegen. Durch Corona sind leider schon einige Lehrgänge ausgefallen, die ich dann später vermutlich hinten dranhängen muss.

"Normalerweise bin ich im Schützenverein, im Burschenverein, der Freiwilligen Feuerwehr und beim Rettungdienst"

Beruflich geht es mir also eigentlich ganz gut, doch mein Privatleben ist viel eingeschränkter. Immerhin habe ich einen Mitbewohner und lebe auf dem Land, da ist man nicht wie in der Stadt in einer kleinen Wohnung eingesperrt. Normalerweise bin ich auch sehr engagiert: Ich bin im Schützenverein und im Vorstand des Burschenvereins. Dort haben wir früher viele Ausflüge und Dorffeste organisiert, aber das geht ja im Moment nicht. Außerdem bin ich noch bei der Freiwilligen Feuerwehr und arbeite ehrenamtlich beim Rettungsdienst.

Wenn die Pandemie eines Tages vorbei sein sollte, freue ich mich am meisten darauf, wieder mit einer größeren Gruppe zu verreisen und auf Konzerte und Festivals zu gehen."

Laura, 21: "Unsere Altersgruppe musste am meisten einstecken"

Laura brach während der Corona-Pandemie ihr Lehramtsstudium in Deutsch und Philosophie ab.
Laura brach während der Corona-Pandemie ihr Lehramtsstudium in Deutsch und Philosophie ab. bild: privat

Laura ist gerade 21 geworden, wohnt in Kiel und befindet sich in der Ausbildung zur Ergotherapeutin.

"Ich habe im Herbst mit meiner Ausbildung zur Ergotherapeutin angefangen. Bis vor einer Woche fand auch noch Präsenzunterricht statt, nun befinden wir uns in einer Art Hybridmodell. Manchmal haben wir zwei, manchmal drei Tage pro Woche Anwesenheit. Wir arbeiten auch viel mit Materialien wie Holz, Papier und Pappe, das geht weniger gut von zu Hause aus.

Nach meinem Abitur 2019 war ich mit einer Freundin in Südafrika und wir haben an einem Freiwilligenprojekt mitgewirkt. Danach hätten wir noch den ganzen Sommer gehabt, um weitere Reisen zu unternehmen, doch dann kam Corona. Wir haben zum Beispiel ein paar Australier kennengelernt, die wir besuchen wollten. Doch Kontakte bleiben nur bestehen, wenn man sie pflegt und mittlerweile sind wir auseinandergedriftet.

"Es blieben nur 1000 Nummern auf Whatsapp und einsames Lernen im kalten, dunklen Zimmer im Wintersemester"

Im Herbst 2020 habe ich dann angefangen, Deutsch und Philosophie auf Lehramt zu studieren. Innerhalb der drei oder vier Monate meines Studiums habe ich keinen meiner Kommilitonen kennengelernt. Es blieben nur 1000 Nummern auf Whatsapp und einsames Lernen im kalten, dunklen Zimmer während des Wintersemesters. Wer weiß, wenn Corona nicht gewesen wäre, hätte ich vielleicht weiterstudiert. Doch nach dem einem Semester war bei mir Schluss.

Nach diesem Studiumstief habe ich etwas Neues gesucht und dann intensiv zum Beruf als Ergotherapeutin recherchiert und bin bisher auch sehr glücklich damit.

Allgemein fühle ich mich in meinem Leben momentan jedoch sehr eingeschränkt. Ich wollte meinen 21. Geburtstag groß feiern und natürlich kann ich ihn eines Tages, vielleicht im Sommer nachfeiern. Aber der Moment wurde mir genommen. Ich tanze leidenschaftlich gerne, Hip Hop und Latein. Damit musste ich schlagartig aufhören und es fehlt mir extrem.

"Das Gefühl, jetzt etwas zu verpassen, geht nie ganz weg"

Ich finde, dass unser Alter am meisten einstecken musste. Ich möchte es auch keiner anderen Altersgruppe absprechen, unter Corona zu leiden, doch ich persönlich habe ständig das Gefühl, etwas zu verpassen. Man hat gelernt, damit zu leben und es zu ignorieren, doch es geht nie ganz weg. Plötzlich ist man 25 und dann 30 und ich habe das Gefühl, dass mir diese Jahre dann fehlen werden."

Philip, 19: "Meine OP wird seit Monaten verschoben"

Philip bekam erst nach vier Monaten einen OP-Termin.
Philip bekam erst nach vier Monaten einen OP-Termin.bild: privat

Philip ist 19 Jahre alt und wohnt in der Nähe von Freising bei München. Im letzten Jahr hat er seine Lehre als KFZ-Mechatroniker abgeschlossen.

"Ich bin aufgrund von Corona bereits seit vier Monaten krankgeschrieben. Im Oktober habe ich mir einen Leistenbruch zugezogen und kann deshalb nicht arbeiten. Diese Woche soll die Operation nun endlich stattfinden. Ich hatte schon vor einem Monat einen Termin, doch der wurde einen Tag vorher abgesagt, weil die Betten benötigt wurden. Ich habe mich dann auf die Warteliste setzen lassen und nun hat es geklappt. Vielleicht habe ich Glück mit dem Termin, denn ich habe schon gelesen, dass bei den steigenden Fallzahlen momentan bald wieder Operationen verschoben werden.

Ich arbeite als KFZ-Mechatroniker. Erst letzten Sommer habe ich meinen Gesellenbrief geschrieben und wurde dann auch von meinem Arbeitgeber übernommen. Seit Oktober bin ich dann leider wieder raus.

"Meine Freunde und ich testen uns mehrmals die Woche. Beim Treffen fühlen wir uns sicher"

Die ungewollte Auszeit habe ich dazu genutzt, meine neue Wohnung ein wenig einzurichten, da ich im September umgezogen bin. Privat hatte ich durch Corona bis jetzt nicht allzu große Einschränkungen: Abends kann ich mich immer noch mit Freunden auf ein Bier treffen. Wir sind fast alle geboostert und viele machen bei der Arbeit dreimal die Woche einen Test. Von daher fühlen wir uns relativ sicher.

Letzten Sommer konnten wir sogar mit einer großen Gruppe in den Urlaub nach Kroatien fahren. Schade ist jedoch, dass ich während der Pandemie 18 geworden bin und das nicht groß feiern konnte. Seitdem war ich auch erst zweimal in einem Club. Früher war es schwierig, reinzukommen oder man konnte nur bis 12 bleiben. Nun geht es endlich und dann kommt Corona und macht mir einen Strich durch die Rechnung."

Supermarkt: Cava-Hersteller Freixenet mit drastischer Maßnahme wegen Klimawandel

Der Klimawandel stellt die europäische Landwirtschaft und damit auch die Lebensmittelindustrie vor Herausforderungen. Grund dafür sind schlechte Ernten in den letzten Jahren, die durch Extremwetter – etwa Dürren – zustande kamen. Das hat nicht nur Einfluss auf die Auswahl und Preise von frischem Obst und Gemüse, sondern sogar auf die Herstellung alkoholischer Getränke.

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