Geht es in Videospielen um Nazis, so sind sie oft der entpersonifizierte Feind: gesichtslos und ultimativ böse. Wie zum Beispiel in der "Wolfenstein"-Reihe, dort soll der Spieler sie ohne schlechtes Gewissen wegballern. Auch das Indie-Spiel "Through the Darkest of Times" behandelt nun zwar die Jahre 1933 bis 1945 - doch das Studio Paintbucket Games aus Berlin geht dabei einen anderen Weg.
Zunächst fällt da der visuelle Stil auf. Obwohl das Spiel eines der ersten in Deutschland ist, in denen bislang verbannte Symbole verfassungswidriger Organisationen wie Hakenkreuze und der Hitlergruß gezeigt werden, vermeiden die Entwickler die Nazi-Ästhetik.
"Wir wollten kein Leni-Riefenstahl-Spiel sein", sagt Entwickler Sebastian Schulz. Deswegen habe man sich als Inspiration die expressionistische Kunst der Weimarer Republik genommen: Otto Dix, Käthe Kollwitz oder George Grosz. "Ein Art-Stil, den die Nazis verboten hätten", sagt Entwickler Jörg Friedrich.
Spielerinnen und Spieler steuern in "Through The Darkest of Times" eine Widerstandsgruppe in Berlin von 1933 bis 1945 - also von der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Statt Egoshooter-Powerfantasie ist hier gute Strategie gefragt.
Nach einer Charakter-Erstellung beginnt das Spiel mit einer kleinen Gruppe, die in Berlin Missionen erfüllt – vom Flugblätter-Verteilen über das Schmuggeln verbotener Bücher bis hin zum Einsatz von Gewalt. Jede Mission birgt Risiken. Wird die Gruppe entdeckt, kann das übel ausgehen.
Zum Erfolg helfen die Eigenschaften der Charaktere sowie Gegenstände wie ein Fluchtfahrrad. Erfolgreiche Aktionen vergrößern den Kreis der Unterstützer und steigern die Gruppenmoral. Das Ziel der Gruppe: bis zum Ende des Krieges überleben.
Noch wichtiger sind allerdings die Elemente des Spiels, die an ein Text-Adventure erinnern. Hier werden Geschichten aus dem Berlin der Nazizeit erzählt, die auf den Recherchen der Entwickler basieren.
Oft müssen Spielerinnen und Spieler schwerwiegende Entscheidungen treffen: Gehen sie aggressiv dazwischen, wenn ein alter Mann mit Kippa von SA-Soldaten verprügelt wird? Lenken sie geschickt ab und ermöglichen ihm so die Flucht? Oder ignorieren sie die Szene und radeln einfach nach Hause? Manche dieser Szenen hinterlassen mehr als nur einen Kloß im Hals.
"Wir erzählen diese Geschichte aus der Perspektive einer Gruppe, die es zu der Zeit oft gab", sagt Schulz. "Die ganz unterschiedliche politische Meinungen hatten, die aber eins geeint hat: Sie wollen etwas gegen Hitler und gegen den Faschismus tun." Entsprechend kann eine Gruppe beispielsweise aus Sozialdemokrat, Monarchin, Anarchist und Kommunistin bestehen. Das führt auch in der Gruppe zu Konflikten.
In den Spielmechaniken bringt das Spiel jedoch einige Schwächen mit. Beispielsweise ist es in vier Kapitel unterteilt, in denen je 20 Runden gespielt werden können. Zwischen den Kapiteln verlieren die Spieler alles, was sie zuvor gesammelt haben. Was durch den Zeitsprung gerechtfertigt sein mag, ist im Spiel frustrierend.
Dies führt auch dazu, dass sich Spieler fühlen, als hätten sie vielleicht keinen großen Einfluss darauf, was in der Welt passiert. Das Überleben der Gruppe wird spätestens im letzten Kapitel zum einzigen Ziel - was von den Entwicklern genau so gewollt sein könnte.
"Through the Darkest of Times" bezieht Stellung, bringt die Schrecken und Menschenfeindlichkeit der Nationalsozialisten auf eine völlig neue Weise in die Köpfe und hilft so gegen das Vergessen – ein Spiel, das in Schulen gespielt werden sollte.
Das Spiel "Through the Darkest of Times" ist ab 12 Jahre freigegeben, via Steam für PC erhältlich und kostet rund 15 Euro. Weitere Plattformen sollen folgen.
(dpa)