Weltweit suchen Forscher unter Hochdruck ein Mittel, um die Lungenkrankheit Covid-19 zu bekämpfen. Regelmäßig tauchen Meldungen über neue Hoffnungsträger auf. Besonders prominent: das Malariamittel Chloroquin. Bislang gibt es jedoch nur Laborversuche, die zeigen, dass das Medikament gegen den Erreger Sars-CoV-2 hilft.
Neben Medikamenten könnte es noch einen weiteren Weg geben, um Corona-Patienten zu behandeln. Den Schlüssel dazu tragen die weltweit bisher rund 291.000 Kurierten in sich. In ihrem Blut, um genau zu sein. Was zunächst etwas befremdlich klingt, führt auf eine Therapieform zurück, die sich bereits im Kampf gegen mehrere Epidemien, etwa die spanische Grippe, bewährt hat: die Antikörpertherapie.
Bei Antikörpern handelt es sich um Bestandteile des Immunsystems. Sie dienen dazu, Krankheitserreger wie Viren abzuwehren. Da sich diese allerdings unterscheiden, muss unser Immunsystem neue Viren zunächst kennenlernen, bevor es die passenden Antikörper bilden kann.
Im Normalfall muss man dafür eine Infektion durchlaufen. Für Risikopatienten ist das allerdings keine erstrebenswerte Option, um Antikörper zu bilden und so Immunität zu erlangen.
Die gute Nachricht: Wenn sich Menschen mit einem Virus infiziert haben, tragen sie die Antikörper meist noch eine Weile nach ihrer vollen Genesung in ihrem Blutplasma. Mittels einer Spende könnten die bereits Genesenen diese Antikörper also weitergeben, um andere vor einer Erkrankung zu schützen. Man nennt das passive Immunisierung.
Die Methode funktioniert allerdings nicht bei jedem Erreger.
Schwer zu sagen. Viele Studien gibt es bisher nicht. In der chinesischen Stadt Shenzhen wandten Ärzte das Verfahren bei fünf Patienten an. Die Empfänger waren zwischen 36 und 65 Jahren alt und schwer an Covid-19 erkrankt. So schwer, dass sie beatmet werden mussten.
Nachdem sie das Blutplasma von Genesenen bekommen haben, verbesserte sich ihr Zustand. Bei einem Patienten konnten bereits nach einem Tag keine Coronaviren mehr nachgewiesen werden. Die anderen waren spätestens nach zwölf Tagen virenfrei. Die Ergebnisse dazu veröffentlichte die Forschungsgruppe im Fachblatt "Jama".
Ein gutes Zeichen: Die Antikörperkonzentration im Blut der Probanden nahm so weit zu, dass es ausreichte, um die Viren zu neutralisieren.
Da die Versuchsgruppe jedoch sehr klein war, kann noch nicht von einem Durchbruch gesprochen werden. Ebenso fehlt eine Vergleichsgruppe. Es könnte also sein, dass sich die Patienten auch ohne Therapie erholt hätten.
Trotzdem sprachen US-Experten bei der Studie von einem Erfolg. Wissenschaftler in den USA waren scheinbar so überzeugt, dass dort einzelne Patienten bereits mittels Blutplasma behandelt werden. Für Spender gibt es allerdings Auflagen. Die amerikanische Arzneimittelbehörde fordert von ihnen einen Nachweis, dass sie mit Corona infiziert waren, aber seit mindestens 14 Tagen symptomfrei sind.
Hierzulande sind zunächst Testreihen unter anderem an der Universität Erlangen und dem Frankfurter Institut für Transfusionsmedizin geplant.
Dafür sind ebenfalls Spenden notwendig. Und auch da müssen die Spender seit einigen Wochen symptomfrei sein. Wenn Viren und erste Antikörper gleichzeitig bestehen, könnte es zum "Enhancer-Phänomen" kommen, wie der Transfusionsmediziner Rainer Blasczyk im ZDF erklärt. Dabei können Antikörper eine Infektion unter Umständen verstärken, weil sie es den Viren in diesem Stadium erleichtern, in die Zellen einzudringen.
Außerdem kommen für die Behandlung aktuell nur Patienten mit milden Symptomen infrage. Im frühen Stadium der Krankheit könnten Antikörper die Viren stoppen, bevor sie sich in der Lunge ausbreiten und gerade dort kommt es meist zu schweren Symptomen.
Bisher kann man festhalten, dass die Antikörpertherapie vielversprechend scheint. Funktionieren muss sie aber nicht.
Ein Beispiel einer vergangenen Epidemie: In einer Hongkonger Klinik wurden 2004 80 Sars-Patienten mit der Antikörpertherapie behandelt. Von diesen überlebten lediglich 33. Auch die spanische Grippe heilte sie nicht immer. Sie reduzierte jedoch die Sterblichkeit um ein Fünftel.
Positiv hingegen: Bei der Schweinegrippe wurde die Sterblichkeit in einer Studie um 80 Prozent gesenkt.
Mediziner wissen bisher noch nicht, wie viel Blutplasma genau nötig ist, um einen Behandlungserfolg bei Covid-19 zu erzielen. Wie gesagt, die Studienlage ist noch sehr dünn.
Für Studien wollen Forscher leicht Erkrankten 250 Milliliter Blutplasma verabreichen. Pro Spende können, je nach Körpergewicht, etwa bis zu 850 Milliliter gewonnen werden. Da allerdings nur das Plasma Genesener bei der Covid-19-Behandlung hilft, schränkt das die Zahl möglicher Spender zwar ein, reicht aber nach aktuellem Stand noch aus, zumal Blutplasma häufiger als Blut gespendet werden kann.
Das hängt damit zusammen, dass bei einer Blutplasmaspende Blut entnommen, das Plasma herausgefiltert und das restliche Blut daraufhin zurückgeführt wird. Pro Jahr sind laut Rotem Kreuz bis zu 60 Spenden möglich.
Zuletzt bleibt ein entscheidendes Problem: Das Plasma müsste eigentlich direkt nach der Spende sowie vier Monate später auf Erreger für übertragbare Krankheiten wie HIV oder Hepatitis getestet werden. In Anbetracht der Lage könnte das allerdings zu viel Zeit kosten. Ob das Prozedere abgekürzt werden kann, entscheiden die jeweils zuständigen Behörden.
(tkr)