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Zu unsicher? Epidemiologe warnt vor unsicheren Schnelltests

Der tägliche Corona-Selbsttest – für viele Berufstätige inzwischen eine Routine wie das morgendliche Zähneputzen.
Der tägliche Corona-Selbsttest – für viele Berufstätige inzwischen eine Routine wie das morgendliche Zähneputzen. Bild: iStockphoto / stefanamer
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Epidemiologe warnt vor unsicheren Schnelltests: "Bei der aktuellen Pandemielage vermitteln negative Testergebnisse keine ausreichende Sicherheit"

07.01.2022, 09:1307.01.2022, 11:52
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Dass Corona-Schnelltests nicht immer zuverlässig sind, zum Beispiel weil sie nicht gründlich genug ausgeführt wurden, ist zwar bekannt. Neuere Erkenntnisse der US-Arzneimittelbehörde FDA deuten nun aber darauf hin, dass die Antigen-Tests eine geringere Empfindlichkeit bei der Omikron-Variante aufweisen. Das könnte zu falsch negativen Ergebnissen führen und dazu, dass positive Menschen unwissend die Infektionskette weiter antreiben.

Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) ist nach neuesten Erkenntnissen jedoch vorsichtig optimistisch: Die meisten der in Deutschland angebotenen Corona-Schnelltests sind "auf der Grundlage der aktuellen Datenlage" auch zum Nachweis der neuen Omikron-Variante geeignet, heißt es auf der Instituts-Website. Bis Mitte Dezember hätten insgesamt 245 verschiedene Antigentests ein allgemeines Prüfverfahren durch ein PEI-Labor durchlaufen: 199 hätten die Untersuchung bestanden, davon könnten wiederum die allermeisten eine Omikron-Infektion nachweisen. Denn die große Mehrheit der in Deutschland angebotenen Tests schlage auf ein Protein des Virus an, dass von der Omikron-Mutationen kaum verändert werde – deshalb ist Corona trotzdem noch nachweisbar."

Trotzdem haben nicht alle Antigentests bei der Untersuchung die Qualitätsansprüche des PEI erfüllt – 80 Prozent der untersuchten Tests hatten die in der Vergleichsuntersuchung geforderte Empfindlichkeit, 46 Tests fielen aber durch: Einschränkend heißt es zudem beim PEI: "Für eine endgültige, qualitative und quantitative Aussage sind allerdings weitere Untersuchungen, insbesondere Vergleichsstudien mit Proben von Omikron-infizierten Personen erforderlich."

Mehrfachtestung: Schnelltest negativ, PRC-Test positiv

Auch gibt es immer wieder Berichte von seltsamen Testergebnissen, wie bei Theresa H. (Name v.d.Red. geändert). Die 31-jährige ist geboostert und arbeitet in Berlin. Trotz mehreren negativen Schnelltests war ihr PCR-Test positiv:

"Alle Schnelltests waren negativ, obwohl ich Symptome hatte und der PCR-Test positiv war."
Theresa H. gegenüber watson

"Ich war vor Weihnachten beim Geburtstag eines Freundes, bei dem nicht alle geimpft und nicht alle getestet waren. Außerdem war ein Mädchen da, dass eigentlich noch zwei Tage in Quarantäne hätte sein müssen. Als ich das alles im Nachhinein erfahren habe, habe ich erst jeden Tag einen Schnelltest gemacht und wegen meiner Arbeit wollte ich dann sicherheitshalber doch einen PCR-Test machen. Im Testzentrum am zweiten Weihnachtsfeiertag sagten sie, der PCR-Test dauere noch mindestens bis Mittwoch, weil sie keine Kapazitäten hätten. Nach Weihnachten war auch noch alles okay bei mir, deshalb machte ich mir erst nicht so viele Sorgen.

Am Sonntag dann habe ich plötzlich den ganzen Tag geschlafen und meinte schon zu meiner Mama: 'Ich glaube, ich werde krank'. Am nächsten Tag fing es dann mit Schnupfen an, dann kam Halskratzen dazu und ich dachte, jetzt kommt eine fette Bronchitis, die in die Lunge runterzieht. Am Mittwoch, den 29. Dezember, bin ich aufgewacht, hab mir nichts Schlimmes gedacht und plötzlich stand da fett 'positiv' in meinen Testergebnissen. Da bin ich erst mal zusammengebrochen und hab übelst geheult, denn meine Freunde waren über die Feiertage ständig hier bei mir zu Hause. Aber alle meine Schnelltests waren weiterhin jeden Tag negativ, obwohl ich Symptome hatte und der PCR-Test positiv war. Wegen Silvester hatte ich dann dann am selben Tag des positiven Ergebnisses, am Mittwoch, noch einen PCR-Test machen lassen und bekam einen Tag später, am, Donnerstag, plötzlich ein negatives Ergebnis."

Woman with medical face mask holding cat and sadly looking out in the window holding her cat. Quarantine during Coronavirus pandemic.
Wer unsicher ist, hält sich mit dem Sozialleben oft zurück. Bild: iStockphoto / Anna Gorbacheva

Solche und ähnlich Berichte aus dem Bekanntenkreis sorgen immer wieder für Unsicherheit: Wie sicher kann ich mich mit einem negativen Schnelltest wirklich fühlen? "In der Tat erkennen manche Antigenschnelltests die Omikron-Variante schlechter als die Varianten davor. Allerdings hängt die Sensitivität auch davon ab, ob man bereits geboostert ist, denn dann entwickeln sich im Nasenrachenraum kaum ausreichend große Virusmengen", erklärt der Epidemiologe Timo Ulrichs, Professor an der Akkon-Hochschule für Humanwissenschaften, gegenüber watson. In dem Fall von Theresa H. "könnte aber die PCR auch falschpositiv gewesen sein." Dies ist jedoch extrem selten.

Die Fehlerquote von PCR-Tests ist nahezu null

Marc Lütgehetmann, Mikrobiologe und Oberarzt im Institut für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), schätzt die tatsächliche Trefferquote von PCR-Tests auf nahezu einhundert Prozent. Viele Prozesse der Testauswertung im Labor seien vollautomatisiert und es gebe für den PCR-Test verschiedene Kontrollmechanismen, die die Zuverlässigkeit noch mal erhöhen, erklärt der Experte im Gespräch mit ZDFheute. Falsch-positive Tests kommen laut Robert-Koch-Institut (RKI) "nach derzeitigen Erkenntnissen nur selten" vor, heißt es auf der eigenen Website. Tatsächlich könne die wirkliche Anzahl der falsch-positiven Tests zwar nicht in der Gesamtheit angegeben werden. Das Institut geht jedoch nach eigenen Angaben von einer Quote von mehr als 99,9 Prozent korrekter Testergebnisse aus. Doch was ist mit der Qualität der Schnelltests?

"Bei der aktuellen Pandemielage vermitteln negative Testergebnisse keine ausreichende Sicherheit"
Markus Scholz gegenüber watson

Der Vorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Laborärzte, Andreas Bobrowski vertritt eine ähnliche Meinung zu ungenauen Schnelltests in der BILD-Zeitung: "Bei geboosterten Patienten haben wir zwei, drei Tage nach Infektionsbeginn nur noch eine sehr geringe Viruslast, die man mit einem PCR-Test noch nachweisen kann, aber bei der mit Sicherheit viele Antigen-Schnelltests versagen."

Auch auf der Website des Paul-Ehrlich-Insituts wird Vorsicht angemahnt bei den Ergebnissen der Schnelltests: "Eine Infektion können sie nur detektieren, wenn zum Testzeitpunkt eine hohe Viruslast besteht. Eine hohe Viruslast entwickelt sich zu Beginn einer Infektion, sei es mit oder ohne Symptomatik, und kann in Einzelfällen bis zu 14 Tage anhalten."

Tägliche Testungen wären sinnvoll – doch woher die Tests nehmen?

Der Leipziger Epidemiologe Markus Scholz sieht jedoch trotzdem keinen Grund zu Panik: "Es ist bekannt, dass die Schnelltests keine absolute Sicherheit vermitteln", sagt er gegenüber watson. Dies ist in der Politik und Wissenschaft allgemein bekannt: Wegen dieser Unsicherheit wurde in Deutschland auch die 3G-Regelung zugunsten einer 2G-Regelung abgelöst.

"Durch tägliche Tests wäre mehr Sicherheit zu erwarten"
Epidemiologe Markus Scholz gegenüber watson

Ein Problem der unsicheren Antigen-Schnelltests sieht Scholz jedoch vor allem für Schulen, da viele Kinder noch nicht geimpft sind:

"Eine weiter verminderte Testqualität bei Omikron ist insbesondere für die Bereiche kritisch, die sich mehr oder weniger ausschließlich auf die Aussagekraft von Tests verlassen. Das ist bei uns speziell der Schulbereich. Wir beobachten schon jetzt in diesem Altersbereich die höchsten Inzidenzen. Unter der zu erwartenden Omikron-Welle wird sich dieses Problem weiter verschärfen, wenn die Schulen offen bleiben."

Der Epidemiologe schlägt daher eine tägliche Corona-Testung vor, um die Zuverlässigkeit der Testergebnisse zu verbessern: "Durch tägliche Tests wäre mehr Sicherheit zu erwarten", so Scholz gegenüber watson. Die Inkubationszeit betrage circa vier bis sieben Tage, so dass man in diesem Intervall nach möglicherweise infektiösen Kontakten verstärkt testen sollte.

Auf dem Markt gibt es bisher einige Anbieter von Schnelltests – offenbar mit unterschiedlicher Qualität.
Auf dem Markt gibt es bisher einige Anbieter von Schnelltests – offenbar mit unterschiedlicher Qualität.Bild: iStockphoto / Sven Weyer

Angesichts der weiterhin bestehenden Knappheit an Schnelltests jedoch ein vielerorts nicht realisierbarer Vorschlag. Deshalb plädiert Scholz auch dort, wo es geht, für eine Boosterimpfung, die "wesentlich sicherer wäre". Denn: "Bei der aktuellen Pandemielage vermitteln negative Testergebnisse keine ausreichende Sicherheit", so der Epidemiologe.

Keine klaren Zulassungskriterien für Schnelltests

Zusammengefasst: Fast alle in Deutschland zugelassenen Antigen-Tests scheinen zwar auch bei der Omikron-Mutante anzuschlagen, doch die Qualität der Tests selbst bleibt noch ungeklärt. Der Vorsitzenden des Berufsverbandes Deutscher Laborärzte, Andreas Bobrowski, sagt in der Tageszeitung BILD:

"Unser Hauptproblem bei der Qualität dieser Tests ist, dass zwar bestimmte Dinge vorgegeben wurden, wie zum Beispiel die Sensitivität und die Spezifität, aber ansonsten wird sich darauf verlassen, was die Hersteller angeben. Da muss man leider sagen: Das ist krachend gescheitert, weil nicht alle Hersteller immer korrekte Angaben gemacht haben.“
Dr. Andreas Bobrowski ist der Vorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Laborärzte.
Dr. Andreas Bobrowski ist der Vorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Laborärzte.BDL/Labor Lübeck.

Gegenüber watson erklärt Bobrowski, wie dieses Problem entstehen konnte:

"Um schnell größere Mengen Antigen-Schnellteste zur Verfügung zu haben, wurde in der COVID-19-Pandemie vom Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) nur eine Listung von Schnelltesten veranlasst. Für diese hat man nur bestimmte Mindestkriterien vorgegeben (durch Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in Abstimmung mit dem RKI), ohne dass die Herstellerangaben in einem echten Zulassungsverfahren überprüft wurden. Dies hat sich mittelweile als ein fataler Fehler herausgestellt."

In einer kürzlich vom PEI herausgegebenen Publikation („Vergleichende Evaluierung der Sensitivität von SARS-CoV-2 Antigenschnelltests“) werde versucht, die schlechtesten Tests schon vor der Etablierung eines Standardverfahrens wieder vom Markt zu nehmen.

Erst im Mai 2022 wird es klare Zulassungskriterien für Schnelltests geben, die auch tatsächlich überprüft werden. Dann müssen "für die Zertifizierung der Antigenschnelltests ein EU-Referenzlabor und eine sogenannte ‚Benannte Stelle‘ hinzugezogen werden, da die COVID-19-Tests dann der höchsten Risikoklasse (...) angehören werden. Ab diesem Datum muss dann eine Laboruntersuchung der Tests sowie eine unabhängige Überprüfung der Daten vorliegen", erläutert der Vorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Laborärzte gegenüber watson.

Bis dahin empfiehlt der Laborärzte-Chef bei watson, "in Alten- und Pflegeheimen sollte auf das sicherere PCR-Verfahren als 'Türöffner' übergegangen werden, um möglichst wieder strengere Kontaktbeschränkungen zu vermeiden." Und für die eigenen Sicherheit bei Schnelltests? Neben der sachgemäßen und ordentlichen Ausführung empfiehlt Bobrowksi: "Wenn man sich einen Test kauft, sollte man daher gucken, ob es einer der Tests ist, die vom RKI gelistet werden und in einer Studie überprüft wurden." Diese finden sich zum Beispiel auf der Website des Paul-Ehrlich-Instituts.

(mit Material der dpa)

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