Dieses Jahr ist es fast eine Erleichterung: Nach vielen Hitzetagen und drückender, schwüler Luft sinkt die Temperatur derzeit in ganz Deutschland auf angenehme Wohlfühltemperaturen. Der Herbst steht vor der Tür.
Die kühle Brise macht Lust auf Aktivitäten wie Pilzesammeln oder Wandern. Aber auch für einen spontanen Urlaub ist der Herbst die perfekte Jahreszeit. Gerade angesichts des Klimawandels mit extremer Hitze, Dürre, Wasserknappheit, Bränden und Überschwemmungen ist der Herbst in Europa inzwischen eine angenehmere – und sicherere Zeit – zum Verreisen. Darüber hinaus lassen sich Ziele innerhalb der EU oft gut und umweltfreundlich mit dem Zug erreichen.
Die Urlaubssaison 2023 dürfte für viele Urlauber:innen katastrophal gewesen oder gleich ausgefallen sein: An beliebten Urlaubsorten wie Rhodos in Griechenland, Südfrankreich oder der Trauminsel Maui auf Hawaii gab es gefährliche Waldbrände oder wie in Slowenien oder Norwegen verheerende Überschwemmungen. Auch das Meer kippt wegen der Erwärmung und wird von Quallen oder, wie dieses Jahr in Mexiko, von einer stinkenden Algenplage heimgesucht.
Im Jahr 2023 ist es nicht mehr so einfach, unbedarft in den Urlaub zu fliegen. Und das ist erst der Anfang.
Niklas Völkening vom Lehrstuhl für Humangeographie und Transformationsforschung erwartet, dass die Klimakrise die Urlaubsbranche langfristig verändern wird. Allerdings werden die Auswirkungen wohl erst in einigen Jahrzehnten, ungefähr 70 Jahren, so richtig spürbar sein.
Zur Umlenkung der Reisezeit in die Nebensaison gibt es derzeit in der Politik eine Diskussion darüber, die Sommerferien zu verschieben. Das soll auch die Urlaubsdestinationen, zum Beispiel hinsichtlich Wasserknappheit, entlasten. Diesen Vorschlag sieht Völkening jedoch kritisch:
Sein Fazit für den Sommerurlaub ist:
Die Hauptreisezeit werde sich für einige Länder von ganz allein verändern, beispielsweise in Andalusien: "Es ist absehbar, dass es bis zum Ende des Jahrhunderts in Europa Destinationen gibt, in denen es im Sommer für Urlaub zu heiß sein wird." So heiß, dass es sogar gefährlich werden könnte. Denn sind die Temperaturen, verbunden mit hoher Luftfeuchtigkeit, zu hoch, kann sich der Körper selber nicht ausreichend runterkühlen. "Dann bestehen auch gesundheitliche Gefahren für Menschen."
Dass die Klimakrise das Reiseverhalten der Deutschen bereits jetzt beeinflusst, zeigt eine gemeinsame Analyse des Online-Reisebüros Expedia und der Ferienhausplattform FeWo-direkt. Diese zeigt nicht nur ein größeres Interesse an Reisezielen in gemäßigteren Klimazonen, sondern auch, dass der Herbst scheinbar zur neuen Städtereisen-Hochsaison wird. Wer einmal im Hochsommer durch Rom gelaufen ist, kann verstehen, warum.
Der Reiseanbieter Expedia registrierte beispielsweise im Juli 2023 25 Prozent mehr Suchanfragen für Hotelaufenthalte in Rom im September und Oktober als noch im vergangenen Jahr. Die Daten von FeWo-direkt zeigen sogar einen Anstieg von 40 Prozent. Für Sevilla verzeichneten sowohl Expedia als auch FeWo-direkt im selben Analysezeitraum ein Plus von über 220 Prozent.
Auch die Suchanfragen für Athen, Madrid, Florenz und Thessaloniki sind im Jahresvergleich auf beiden Portalen zweistellig, teilweise sogar dreistellig gestiegen. "Aktuell sind das noch kurzfristige Effekte", sagt Expedia-Sprecherin Susanne Dopp in einer Pressemitteilung. "Werden Hitzewellen wie diese jedoch zur Regel, kann dies langfristig zu einer Verschiebung der Touristenströme führen."
Doch wohin können wir in Zukunft noch ohne Bedenken verreisen? Niklas Völkening beschäftigt sich an der Universität Augsburg mit der Anpassung des Tourismus an den Klimawandel. Er sagt: "Es ist sehr schwer vorherzusagen, welche Regionen in Zukunft besonders von kleinräumigen Naturkatastrophen betroffen sein werden."
Überschwemmungen oder Hitze könne man einigermaßen modellieren und vorhersagen. Aber es gibt natürlich noch andere Unwetter-Ereignisse:
Verreisen werden die Deutschen aber trotz Klimakrise weiterhin, davon ist Völkening überzeugt. Man habe festgestellt, dass der Urlaub ein Bereich sei, in dem Menschen ihr Verhalten aufgrund des Klimawandels erst ganz zum Schluss ändern würden.
Völkening erwartet zwar, dass das Klimabewusstsein innerhalb der Bevölkerung auch beim Reisen in Zukunft zunehmen wird, jedoch "zunächst nicht in nennenswertem Umfang", sondern spürbar wohl erst in Jahrzehnten.
Auch der oft angepriesene Trend zum "Nachhaltigen Reisen" sei weiterhin ein Nischensegment, das nur von einer sehr speziellen Gruppe nachgefragt werde. "Wirklich nachhaltiges Reisen ist häufig mit großen Einschränkungen verbunden und die sind viele nicht bereit, einzugehen." Außerdem: Auch Grüne Lodges müssten erst mal gebaut werden. Dafür müssten neue Flächen erschlossen werden, was wenig nachhaltig ist.
Völkening sagt:
Worauf Völkening stattdessen hofft, ist, dass sich die Transportmittel des Reisens verändern werden, sprich: die Mobilität. So könnten Anbieter von Reisen, auch gesetzlich, dazu gezwungen werden, dass sie klimaverträglicheres Reisen anbieten müssen.
Eine Möglichkeit für Tourismusziele, sich an die neuen Bedingungen durch die Klimakrise anzupassen, könnten technisch-infrastrukturelle Maßnahmen wie das Verschatten von Plätzen gegen die pralle Sonne, die Klimatisierung von Innenräumen sowie eine bessere Isolierung sein.
Gegen Waldbrände wäre auch "gezielte Begrasung" durch Vieh möglich, das Zerkleinern von Unterholz mit schwerem Gerät oder kontrollierte Brände, wie der Feuerökologe Johann Georg Goldammer im "Spiegel" vorschlägt.
Völkening fasst zusammen: Wichtig sei das "Schaffen witterungsunabhängiger Tourismusangebote oder die Schaffung künstlicher Wasserflächen zur Abkühlung – über Maßnahmen zur Krisenprävention bis hin zur gezielten Verschiebung der Hauptsaison".
Doch der Experte ist sich sicher: Langfristig werden auch die Reisenden ihr Verhalten ändern müssen."