Dass die meisten Teenies besser als ihre Eltern mit Smartphone, Apps und Computern umgehen können, ist normal. Doch das reicht nicht. Um fit zu sein für die (Arbeits-)welt von morgen, ist es wichtig, sich auch mit digitalen Themen wie Coding und Hacking zu beschäftigen. Findet zumindest Nina Schröter von "Jugend hackt."
"Jugend hackt" ist ein kostenloses Programm für Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren, "die Lust haben, mit Code die Welt zu verbessern", wie es auf der Website heißt.
Nina Schröters Ziel als Programmleiterin bei der außerschulischen Initiative "Jugend hackt" ist es, dass Jugendliche sich aktiv in die Gesellschaft einbringen und ihre Zukunft gestalten. "Hack the future", ist das Motto. "Was uns antreibt, ist der Gedanke an Veränderung", sagt sie im Gespräch.
Die Jugendlichen sollen sich Lösungen für ihre eigenen oder gesellschaftliche Probleme überlegen – angefangen auf dem kleinsten Raum. Selbst von dort aus können sie die Welt ein bisschen besser machen, ist Schröter überzeugt: "Schau dir was an, mach es besser und ziehe – ethischen – Nutzen daraus."
So gibt es bei "Jugend hackt" zwar viele Projekte zu verschiedenen Programmiersprachen wie Python oder JavaScript. Oft wird zu Beginn aber erst einmal niedrigschwellig im Bereich Making angefangen – mit Projekten im 3D-Druck, Plotten (digitale Formate grafisch darstellen), Lasercutting oder Robotik. "Da hat man direkt Ergebnisse. Man kann ein bisschen basteln und tüfteln", sagt die Programmleiterin. Hauptsache, die Jugendlichen beschäftigen sich mit digitalen Skills und haben Spaß dabei.
Aus den Wochenend-Workshops oder Labs entstanden bereits viele praktische Ideen: ein digitalisierter Hühnerstall, automatisierte Bewässerungssysteme oder Datenschutz-Apps.
Es gebe aber auch viele digitale Tools für die Schule oder im Bereich Gaming. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt, sagt Schröter: "Die Jugendlichen haben auf einem Event, zusammen mit einer jugendlichen Person, die blind war, ein Spiel entwickelt, das nur über Hören funktioniert."
Diese Erfahrung der Selbstwirksamkeit bei einem Wochenend-Workshop bei "Jugend hackt" sei für viele Jugendlichen "total krass", sagt Nina. Die jungen Leute kommen zu ihnen und haben Zweifel, ob sie das können: "Und am Ende eines Wochenendes präsentieren sie stolz einen Prototypen." Nina weiter:
Oft werde beim Thema digitale Bildung die Berufsqualifizierung als Motivation genannt. Viel wichtiger sei aber der gesellschaftspolitische Aspekt, findet Nina Schröter:
Als Beispiel nennt sie die Sozialen Medien: "Es ist wichtig, zu verstehen: Was ist eigentlich Tiktok und wer steckt dahinter? Wie funktioniert so ein Algorithmus? Was wird mir da die ganze Zeit angezeigt?"
Überhaupt ist Ethik ein wichtiger Aspekt im digitalen Raum. "Es gibt IT-Expert:innen, die haben davor noch nie von Ethik gehört", beklagt Schröter. Bei "Jugend hackt" gibt es Workshops dazu. Sie beschäftigen sich mit Fragen, wie: Wer ist für die Entscheidungen einer KI verantwortlich? Wie weit sollten die Befugnisse von Software gehen?
Um so etwas kritisch zu hinterfragen, gebe es leider wenige Orte. Die Schule ist meist keiner davon.
Die digitale Bildung an deutschen Schulen hat keinen guten Ruf. Oft lernten die Jugendlichen dort maximal, "ein Word-Dokument zu erstellen", erklärt Nina Schröter. "Jugend hackt" ist da ehrgeiziger. Trotzdem will die Initiative ein "Safe Space für Jugendliche außerhalb der Schule sein."
Ohne Eltern oder Lehrer gebe es eine ganz andere Dynamik: "Wir glauben, dass es für Jugendliche einen großen Unterschied macht, ob sie sich in einem Schul- und Klassenumfeld bewegen oder nicht. Wir wollen einen Ort schaffen, wo Jugendliche komplett frei davon sein können."
Dass die digitale Bildung innerhalb der Schule eine immer wichtigere Rolle einnehme, bestreitet Nina Schröter nicht. Dafür verweist sie gern auf andere Vereine, wie die "Hacker-School" oder die "Jungen Tüftler*innen", die nicht nur außerschulische "IT-Kurse, die Spaß machen" anbieten, sondern sich explizit an Lehrkräfte und Schulen richten.
Die "Jungen Tüftler*innen" bieten beispielsweise Online-Kurse zur Weiterbildung für Jugendliche, Lehrpersonal und Bibliotheken an. Auch Lehrmaterial für Projekttage oder Unterrichtsstunden kann dort bestellt werden, um die digitale Kompetenz in Schulen zu verbessern und hybride, analoge und digitale Lernräume zu schaffen.
Darüber hinaus schicken Firmen mit einer Partnerschaft zur "Hacker School" ihre IT-Mitarbeiter:innen ehrenamtlich an die Schulen. So sollen Kinder auch verschiedene Berufe im digitalen Bereich kennenlernen.
Das Bemühen darum, auch Mädchen und Frauen für digitale Themen zu begeistern, ist groß. Denn diese stoßen eher selten in die IT-Branche, die als klassisch "männlich" gilt. Bei "Jugend hackt" liegt der Mädchen- und Frauenanteil immerhin um die 30 bis 35 Prozent. Nicht schlecht, doch es gibt Luft nach oben.
Der Fokus der "Hacker-School" ist es, digitale Bildung integrativ zu gestalten, unabhängig von Geschlecht und Herkunft. Ihr ehrgeiziges Ziel: Jeder junge Mensch soll vor seiner Berufswahl einmal programmieren können. Deshalb gibt es auch eigene Workshops nur für Mädchen und Frauen. Dort lernen sie zu coden, eigene Websites, Spiele oder Roboter zu programmieren.
Ein Grund, der Frauen oft von der Tech-Branche abschreckt, ist die dort häufig vorherrschende Frauenfeindlichkeit. Frauen, die an der Wikipedia mitschreiben, tun dies wegen Sexismus und Hass oft unter männlichem Pseudonym.
Dass digitaler Sexismus in der Branche ein Problem ist, bestätigt Nina Schröter. Deshalb gibt es bei "Jugend hackt" einen Verhaltenskodex gegen Gewalt, Sexismus und Beleidigungen. "Es geht uns explizit darum, dass auch die, die sonst eher nicht so in der Masse vertreten sind, einen Raum finden." Der Verhaltenskodex werde vor jedem Workshop und Event vorgestellt und diskutiert. Darüber hinaus gibt es ein Awareness-Team und Mentorinnen, die sich explizit um Mädchen kümmern.
Viele Eltern mögen nicht begeistert sein von der Idee, dass ihre Kinder noch mehr vor dem Computer abhängen. Doch Nina Schröter widerspricht vehement: "Vielleicht ist es nicht so gesund, den ganzen Tag durch Tiktok zu scrollen. Aber etwas Eigenes im digitalen Umfeld zu produzieren, ist mindestens so wertvoll wie zu lesen."
Das Problem ist, dass Eltern oft gar nicht mehr verstehen, was ihre Kinder da tun, ob sie nur zocken oder etwas entwerfen. "Dabei kann das Internet an sich total viel bedeuten", sagt Nina.
"Man muss direkt in die Lebenswirklichkeit der Kinder abtauchen und sie dort abholen – mit offenen Augen, einem offenen Mindset und Begeisterung", ist das Abschlussplädoyer bei der Republica-Diskussion an die Eltern. Weise Worte, die auch über den digitalen Raum hinaus gelten.