Im Fitnessstudio haben viele Menschen mit Scham in der Umkleide zu kämpfen (Symbolbild). Bild: imago images / Westend61 / Vasily Pindyurin
Analyse
Das Selbstbestimmungsgesetz hat in Deutschland schon vor seinem Inkrafttreten im August 2024 zahlreiche Debatten ausgelöst. Ängste trieben vor allem konservative Kreise um, selbst einige Feminist:innen äußerten Sorgen um ihre Sicherheit. Immer wieder brachte Kritiker:innen das Argument vor, dass eine derart "leichte" Zugänglichkeit zur Änderung des amtlichen Geschlechtseintrags missbraucht werden könnte.
So wurde plötzlich die Sorge laut, durch den Beschluss könnten trans* Personen den Zutritt zu Umkleiden, die ihrem eingetragenen Geschlecht entsprechen, für Übergriffigkeit oder gar Gewalt nutzen.
Dass die Änderung des Geschlechtseintrags bereits seit 2011 ohne geschlechtsangleichende medizinische Maßnahmen wie Hormontherapien oder chirurgische Eingriffe möglich ist, wird dabei gerne außer Acht gelassen.
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Die Debatte um den Zutritt von trans* Personen zu Fitnessstudios ist damit nicht nur veraltet, sondern auch wenig stichhaltig. Für die betroffenen Personen ist sie beschämend, exkludierend und führt dazu, dass viele sich gar nicht erst in einem Fitnessstudio anmelden.
Eine Analyse der Situation – und was sich daran dringend ändern muss.
Fitnessstudio in Erlangen verwehrt Trans-Frau den Zugang
An Fahrt nahm die Diskussion um trans* Personen in Fitness-Studios im Juni noch einmal auf, nachdem die Betreiberin eines Frauen-Fitnessstudios in Erlangen einer trans* Frau ohne Geschlechtsangleichung eine Mitgliedschaft verwehrt hatte. Auch hier lautete das vorgebrachte Argument, Kundinnen könnten sich durch trans* Frauen in "ihren" Umkleiden nicht mehr sicher fühlen.
Vorschläge der Betroffenen, beim Duschen eine Badehose zu tragen oder komplett auf das Duschen im Studio zu verzichten, wehrte man ab. Die betroffene Person schaltete die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ein, mittlerweile sind Rechtsanwält:innen mit der Einforderung von Schmerzensgeld im vierstelligen Bereich betraut. Hintergrund ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG).
"Es gibt nichts, was eine Damenumkleide wirklich sicher macht. Da ist nur ein 'D' an der Tür."
Gabriel_Nox Koenig vom Bundesverband trans
Feministische Initiativen wie der Verein "Frauenheldinnen e.V." stellten sich auf die Seite des Studios, fordern Unterstützung unter dem Motto "Mann bleibt Mann". Die Betroffene hatte zwar bereits 2021 eine Personenstandsänderung vornehmen lassen, die Gegner:innen bezeichnen sie allerdings konsequent als "biologischen Mann", der Frauenschutzräume "kapern" könnte.
"Es gibt nichts, was eine Damenumkleide wirklich sicher macht. Da ist nur ein 'D' an der Tür", stellt hingegen Gabriel_Nox Koenig, Referent:in für Öffentlichkeitsarbeit beim Bundesverband trans, zu der Debatte klar. Vor allem trans* Frauen seien demnach selbst Teil der zu schützenden Gruppe, viele äußerten, aus Sorge vor übergriffigen cis-Männern, lieber im Frauenstudio trainieren zu wollen.
In den meisten größeren Fitnessstudios in Deutschland ist das zumindest theoretisch offenbar auch möglich. Auf watson-Nachfrage gab etwa die Kette FitX an, dass ihre sogenannten Lady Gyms keine Zugangsbeschränkung hätten und auf Vertrauensbasis von jedem Mitglied genutzt werden könnten. Es seien laut Unternehmensangaben keinerlei Probleme mit diesem Konzept bekannt.
Das Selbstbestimmungsgesetz und die zunehmende Gewalt
Die gesamte Debatte um Beschränkungen für trans* Personen nennt auch Gabriel_Nox Koenig "theoretische Angstmacherei". Seit der Möglichkeit zur Anpassung des Geschlechtseintrags habe es insgesamt keine bekannten Fälle zu Übergriffigkeit von trans* Personen in Fitnessstudios gegeben.
Ein Blick auf die Fallzahlen zu politisch motivierter Hasskriminalität zeigt hingegen, dass Übergriffe wegen der sexuellen Orientierung von 2022 auf 2023, also seit dem Beschluss zum Selbstbestimmungsgesetz, um knapp 50 Prozent gestiegen sind.
"So eine Täter-Opfer-Verdrehung bringt niemandem was, denn cis-Frauen werden dadurch auch nicht sicherer, dass wir dieses Vorurteil bedienen, trans* Frauen wären gefährlich", erklärt Koenig. Eine potenzielle Gefahr werde hier anhand von normativ weiblichen Eigenschaften festgemacht, nicht an tatsächlich gewalttätigem Verhalten.
Vereinzelt liegt das laut Koenig auch an der fehlenden Sensibilität vonseiten der Mitarbeitenden in den Studios. "Bei der Anmeldung von trans* Personen gehen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diskret ins Einzelgespräch und besprechen individuell die Nutzung von Umkleidekabinen und Wellnessbereichen", erläutert hierzu ein Sprecher der RSG-Group, zu der auch der Fitnessriese McFit gehört, gegenüber watson.
Einzelkabinen: Die Lösung "für alle" im Fitnessstudio?
Bisher habe man damit gute Erfahrungen gemacht – was konkret in den Einzelgesprächen als Lösung angeboten wird, beleuchtet man allerdings nicht weiter. Gabriel_Nox Koenig empfiehlt Einzelkabinen, wie es sie in Deutschland häufig in großen Schwimmbädern oder Thermen gibt: "Diese Sammelkabinen sind vielen Leuten unangenehm – dafür muss man nicht trans* sein."
Da hierfür aber oft ein großflächiger Umbau nötig ist, wäre auch denkbar, neben Umkleiden und Toiletten jeweils für Frauen und Männer einen dritten Raum "für alle" einzurichten, die sich aber eben nicht explizit an trans* und nicht binäre Personen richtet.
FitX gibt etwa an, dass trans* Personen in den eigenen Studios bereits häufiger die Möglichkeit wahrgenommen hätten, die Umkleide für Personen mit körperlichen Einschränkungen als Alternative zu nutzen. "Uns ist bewusst, dass es sich bei diesem Vorgehen um keine Patentlösung handelt", stellt eine Sprecherin gegenüber watson klar.
Tatsächlich zeigten verschiedene Studien aus den USA in der Vergangenheit, dass trans* Personen in vielen Fällen komplett vermeiden, in der Öffentlichkeit etwa ein binäres WC oder eine binäre Umkleide zu benutzen. Auch in Deutschland sind dem Bundesverband trans laut Koenig mehrere Fälle bekannt, in denen sich trans* Personen aus Angst vor Diskriminierung lieber gar nicht erst im Fitnessstudio anmelden.
Micky Maus umarmen, Goofy die Hand schütteln, mit Donald Duck um die Wette streiten: In den vielen Freizeitparks von Disney ist das kein Problem. Also klar, es sind nicht wirklich die Cartoonfiguren dort anzutreffen, sondern Menschen, die sich in den Kostümen kaputt schwitzen, aber auch eine simulierte Erfahrung kann ganz nett sein.