Taylor Swift ist wohl die Popikone unserer Zeit.Bild: IMAGO/ANP / anp
Meinung
"A man is not a necessity, a man is a luxury," (Ein Mann ist keine Notwendigkeit, sondern Luxus) sagte Cher 1996 in dem weltbekannten Interview, in dem auch der Satz "Mom, I am a rich man" fiel. Inzwischen ist der Satz auf Shirts, Postern, Handyhüllen und unter Social-Media Beiträgen zu finden, den Cher ihrer Mutter erwiderte als diese sie bat, sich doch endlich einen reichen Mann zu suchen.
Der Satz bedeutet "Ich bin ein reicher Mann", aber er transportiert eine Selbstermächtigung, ein "Ich brauche keinen Mann", ein "Ich bin selbst genug" und genau das wollte Cher auch sagen. Männer sind wie Dessert in ihren Augen, fügt sie im Interview hinzu. Toll und cool, aber nun mal auch nicht unbedingt nötig.
Es hat noch eine ganze Weile gedauert, aber inzwischen scheint diese Attitüde in der breiten Masse junger Frauen anzukommen. Aufgefallen ist mir selbst das ausgerechnet durch einen Stand-up-Comedy-Witz von einem männlichen US-Comedian.
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Schmachtende Frauen: Relikt aus den 90ern
Ian Lara beschwerte sich vor seinem Publikum darüber, dass Frauen heutzutage bei einer Trennung gar nicht mehr leiden würden. Sie würden einfach direkt damit beginnen, das beste Leben zu leben und dann nach Bali abhauen. Dabei hätte doch früher – in den 90ern – jeder R'n'B-Song über Trennungen vermittelt, wie die Frau der Beziehung und dem Verflossenen hinterhertrauert.
Konnte man sich früher als Mann trennen und eine Weile ausprobieren, ob das Singlesein einem nun gefällt oder nicht und wenn nein, einfach zur Ehemaligen zurückkehren, ist das heute nicht mehr der Fall: Denn die wartet heute nicht mehr schmachtend am Fenster auf ihn.
Als ich den Clip zum ersten Mal sehe, lache ich, das Publikum lacht auch. Dann sehe ich ihn noch einmal und denke mir: Es muss sich also seit den 90ern und den traurigen Frauen in den besagten R'n'B-Songs doch etwas geändert haben.
Damals herrschte für Frauen vor allem das Gefühl vor, dass mit ihnen etwas nicht stimmt, wenn sie single sind oder verlassen werden. Ich erinnere mich noch an meine erste "Trennung" mit 14 (!!) Jahren. Der Kerl, mit dem ich ganze zwei Wochen (!!!) zusammen war, trennte sich, weil seine Gefühle für eine richtige Beziehung leider einfach nicht ausreichten.
Und ja, für mich ist tatsächlich kurz die Welt zusammengebrochen. Und ja, ich habe auch darüber nachgedacht, was ich denn mache, wenn ich jetzt nie wieder jemanden kennenlerne. Ich wiederhole: mit 14 Jahren.
Die Angst vor dem Alleinsein ist bei vielen tief verwurzelt, die Sehnsucht nach einem Partner groß. Und das ist auch kein Wunder, denkt man an die Popkultur der 1990er und 2000er Jahre. Jede Disney-Prinzessin wurde von einem Prinzen gerettet, Britney Spears singt in "Hit me Baby one more time" darüber, dass ihre Einsamkeit sie umbringt und in so gut wie jeder Komödie geht es um eine Frau, die auf die ein oder andere Weise ihr Liebesglück sucht. Oder es ganz zufällig findet. Klar.
In "I was born to make you happy" von Britney Spears geht es um das Zufriedenstellen von Männern.Bild: Invision / John Salangsang
Feminismus im Popsong-Gewand
Ich möchte beinahe erleichtert aufatmen, schaue ich mich in der aktuellen Pop- und Kulturwelt um. Die großen Erfolge feiern gerade vor allem Frauen – die Topcharts sind umkämpft von Taylor Swift, Sabrina Carpenter, Chapell Roan, Billie Eilish, Charlie XCX und Shirin David in den deutschen Charts – um nur einige wenige zu nennen.
Hört man in ihre Texte, macht sich diese Selbstermächtigung, die auch in Chers Satz "I am a rich man" steckt, wieder bemerkbar. Frauen wollen Spaß, Freiheit, Liebe und feiern sich selbst. Sabrina Carpenter bittet ihren neuen Freund in ihrer aktuellen Chart-Single "Please, Please, Please" sich ja nicht peinlich aufzuführen und sie bloßzustellen, Billie Eilish schwärmt in "Lunch" von einer Frau und Sex mit ihr, Chapell Roan wünscht in "Good Luck, Babe" einer verflossenen Liebe viel Erfolg dabei, sie zu vergessen und Miley Cyrus singt in "Flowers" wie viel besser sie sich um sich selbst kümmert, als es der Ex-Partner je könnte.
Sabrina Carpenter spielte als Pre-Act bei einem der Konzerte von Taylor Swift.Bild: imago images / joel carrett
Die Grammys: ein Spiegel für weiblichen Erfolg
Tatsächlich zeigt sich die weibliche Dominanz in der Musik auch in der vergangenen Grammy-Verleihung. 2024 ging jeder Preis in den hart umkämpften Hauptkategorien an mindestens eine Frau. Außerdem traten hauptsächlich Frauen auf, für die Kategorie "Album des Jahres" waren von acht Nominierten sieben Personen weiblich.
Miley Cyrus bekam einen Grammy für "Song des Jahres" für ihren Titel "Flowers".Bild: Invision / Chris Pizzello
Das ist nicht selbstverständlich, denn von 2013 bis 2023 waren jährlich durchschnittlich 86 Prozent der Nominierten männlich – und damit gerade einmal 14 Prozent weiblich, wie eine Auswertung von Statista zeigt. 2018 trendete der Hashtag #GrammysSoMale (also "Grammys so männlich"), weil in den wichtigsten Kategorien nur eine einzige Frau mit einer Auszeichnung geehrt wurde.
Im selben Jahr sorgte der Präsident der Recording Academy, die die Grammys verleiht, für Aufruhr: Auf die Frage, warum so wenige Künstlerinnen einen Grammy erhielten, antwortete Neil Portnow: "Frauen müssen sich eben mehr Mühe geben." Das berichtete unter anderem das amerikanische Nachrichtenmedium "NBC-News". Mit Hinblick auf die aktuellen Erfolge der Künstlerinnen würde ich gerne sagen: Nimm das, Portnow!
Dank Popkultur ins feministische Wunderland
Aber zurück zu Comedian Ian Lara und seiner Bemerkung, Frauen würden heutzutage nach einer Trennung sofort darüber hinweg sein. Denn ich habe die Vermutung, dass sich nicht nur im Hinblick auf Trennungen einiges geändert hat. Frauen haben insgesamt eine andere Einstellung zu Beziehungen, eine in meinen Augen durchaus gesündere.
Die "Süddeutsche Zeitung" hat kürzlich erst mit jungen Frauen aus der Generation Z darüber gesprochen, dass viele datingmüde sind und gute Freund:innenschaften für sie mehr Bedeutung haben, als eine feste Partner:innenschaft. Sie wollen nur dann einen Mann in ihrem Leben, wenn dieser auch einen Mehrwert bringt. Er ist also keine Notwendigkeit, sondern ein Extra, eine Kirsche auf der Sahnetorte des Lebens. So, wie Cher es in ihrem Interview aus dem Jahr 1996 beschrieben hat.
Sich von der ewigen Suche nach einem Partner und der einhergehenden Frage, was denn nun mit einem nicht stimme, wenn man lange Single ist, abzuwenden, schafft viel Raum für anderes. Wir können Freundschaften besser pflegen, uns auf Karriere und Kunst konzentrieren und ich würde sagen, ein unbeschwerteres Leben führen, wenn wir uns dem gesellschaftlichen Druck nicht beugen.
Auch, wenn das jetzt für Männer wie Comedian Ian Lara eine eher unbequeme Entwicklung ist: Die Abhängigkeit, die Frauen von Männern und Beziehungen lange hatten, schwindet langsam.
Zwar gibt es hier auf politischer Ebene noch viel zu tun, denkt man beispielsweise an die Gender-Paygap oder Chancengleichheit im Beruf. Die Popkultur aber pflastert emsig den Weg in ein feministisches Wunderland, dem vor allem junge Frauen folgen und auf dem wir schon weiter sind, als uns vielleicht bewusst ist.
Wir alle fragen uns manchmal, ob mit uns etwas nicht stimmt. Doch wir trauen uns oft nicht, die Frage laut auszusprechen. Aus Angst vor der Reaktion. Das wollen wir ändern – und bitten Bestsellerautor Michael Nast um ehrliche Antworten.
Familie steht im besten Fall für Zusammenhalt und Verlässlichkeit. Allerdings kann das auch anders sein: Manche Menschen fühlen sich in der Nähe ihrer Verwandten klein, verletzt oder schlichtweg nicht akzeptiert. In diesen Fällen können die sogenannten Familienbande sich erdrückend anfühlen.