Mehr Extremwetterereignisse, mehr Umweltbelastung, mehr Artensterben: Die Klimakrise wirkt sich längst dramatisch auf unseren Planeten aus. Leider mangelt es bisher am politischen Willen, dagegen vorzugehen.
Doch es gibt Menschen, die sich wehren, Einfluss nehmen und für eine klimagerechte Welt kämpfen. Über diese Menschen und ihren Kampf gegen Industrie und Politik hat Autorin Kathrin Hartmann das Buch "Öl ins Feuer" geschrieben. Ein Gespräch über das Tauziehen zwischen Hoffnung und Verzweiflung.
watson: Kathrin, ist die Klimakrise alternativlos?
Kathrin Hartmann: Wir erleben sie bereits. Sie ist alternativlos, weil wir sie nicht mehr verhindern können. Vor 30, 40 Jahren hätten wir das geschafft, als sich die Weltgemeinschaft beim Rio-Gipfel 1992 einig war, die Klimakrise zu stoppen. Getan hat sich fast nichts. Im Gegenteil: Seitdem sind die CO₂-Emissionen um 70 Prozent gestiegen.
Fehlende politische Ambitionen beschreibst du auch in deinem Buch. Doch woher kommen die? Mangelt es vielleicht doch noch an Aufklärung?
Wir sind schon lange über den Punkt hinaus, an dem wir aufklären müssen, was genau bei der Klimakrise passiert. Trotzdem waren alle Wahlprogramme, auch das der Grünen, bisher nicht geeignet, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Im kapitalistischen System gibt es eben Zwänge, die sich kaum mit Klimaschutz vereinbaren lassen und deshalb auch politisch nicht angetastet werden. Wirklich fassungslos bin ich aber darüber, dass selbst winzige Stellschrauben nicht angerührt werden.
Zum Beispiel?
Das Tempolimit. Das hätte nur Vorteile gebracht. So viele Auswertungen zeigen, wie viel damit zu gewinnen wäre. Weniger Unfälle zum Beispiel. Ist doch klar, dass es auch im Sinne der Wirtschaft ist, wenn Menschen zur Arbeit kommen und nicht wegen eines Unfalls ausfallen oder es deswegen zu Lieferverzögerungen kommt. Dass bei einem Tempolimit gleichzeitig Emissionen gespart werden, ist eine schöne Konsequenz.
Jetzt heißt es auch, dass technologische Innovationen künftig helfen können, die Klimakrise zu stoppen. In deinem Buch bezeichnest du einige von ihnen als Scheinlösung. Was fällt für dich darunter?
Besonders verheerend ist die Carbon Management Strategy. Schon rein sprachlich verabschieden wir uns davon, CO₂-Emissionen zu vermeiden. Jetzt geht es darum, den Ausstoß zu managen. In der EU soll eine Infrastruktur zur Speicherung von CO₂ entstehen. Wolkenkuckucksheim! Es gibt weder einen Beleg dafür, dass diese CCS-Technologie dem Klima hilft, noch dass sie funktioniert. 80 Prozent der Politanlagen sind bereits gescheitert. Teuer und gefährlich ist diese Scheinlösung obendrein. Aber sie suggeriert, dass wir so den Status-quo halten könnten.
Gerade deshalb fühle ich mich bei der Lektüre deines Buchs oft machtlos. Politik und Industrie blockieren in der Regel jeden Fortschritt, ob in Deutschland oder den USA. Welche Möglichkeiten bleiben mir persönlich, um Veränderungen herbeizuführen?
Veränderungen sind stets erkämpft worden. Ein gutes Beispiel dafür ist der Atomausstieg. Bis zuletzt versuchten Wirtschaftsvertreter wie Politiker, ihn zu kippen. Dass er zustande kam, hängt mit Protesten zusammen, mit NGOs, die aufgeklärt haben. Es wird gesagt, Angela Merkel hätte den Atomausstieg durchgesetzt. Aber so stimmt das nicht: Nach Fukushima gab es abermals heftige Proteste, die ein politisches Beben auslösten.
Gab es denn Momente bei deiner Recherche, die dir Mut gemacht haben?
Die Reise nach Texas und Louisiana hat mich echt umgehauen. An der Golfküste drängen sich gigantische petrochemische und fossile Industrieanlagen aneinander, die direkt an die Communitys von People of Color grenzen. Die Menschen dort sind krank, die Krebsraten überdurchschnittlich, weil so viel Gift in der Luft liegt. Dazwischen Hurricane-Ruinen. Die Stürme werden mehr und heftiger und die Leute können sich nicht mehr leisten, ihre Häuser zu reparieren. Dazu kein Tag unter 40 Grad, kurz: Ich habe in die Hölle geschaut. Und in dieser Hölle stehen die Exportterminals für Flüssigerdgas, das nach Deutschland gebracht wird.
Auf der anderen Seite beschreibst du auch, dass der Widerstand dort wächst.
Genau. Ich habe faszinierende Menschen getroffen, die teils selbst in der Öl-Petrochemie-Industrie gearbeitet haben und sagen: "Es reicht!" John Beard aus Port Arthur zum Beispiel, einer der schmutzigsten Städte der Welt. Ihn habe ich Anfang Juli auch nach Rügen begleitet, wo jetzt schwimmende LNG-Terminals stehen. Und das war toll zu sehen, wie er bei einer Demo den Widerstand vor Ort angespornt hat. Aktivismus ist nicht nur, auf die Straße gehen, sondern auch Austausch, Netzwerke ausbauen, alternative Strukturen schaffen.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Proteste gescheitert sind. Die Terminals auf Rügen stehen.
Das ist richtig, aber andererseits ist der Kampf nicht vorbei. Es laufen noch immer Klagen gegen die Inbetriebnahme. Es war überraschend, wie Bundeskanzler Scholz, aber vor allem der grüne Wirtschaftsminister Habeck den LNG-Ausbau mit ihrem Beschleunigungsgesetz durchgepeitscht haben. Letztlich blieb den Protestierenden im Rahmen dieser Gesetzesänderung nur eine Woche, um Widerspruch einzulegen. Vorher waren es vier.
Auch Umweltverträglichkeitsprüfungen gab es nicht.
Und das im ökologisch hochsensiblen Greifswalder Boden! Zudem haben seriöse wissenschaftliche Studien – unter anderem vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung – gezeigt, dass es so viele LNG-Terminals nicht braucht und das neue Terminal auf Rügen erst recht nicht. Und jetzt kommt raus: Die Terminals sind gar nicht ausgelastet, die Gasmangellage hat es nicht gegeben. Das macht mich einfach fassungslos.
Es braucht viele Menschen, um gegen solche politischen Entscheidungen vorzugehen. Nur wie lassen sich diese mobilisieren? Sollte man ihnen klarmachen, wie schlimm die Lage aktuell ist?
Ich glaube, Angstmache ist nicht das richtige Mittel, wenn es um die Klimakrise geht. Vieles ist zu abstrakt und vor allem sind diejenigen, die Angst davor machen, dass Klimaschutz Verzicht bedeutet, lauter und leider erfolgreicher. Wir sollten uns vielmehr dahin bewegen, zu verstehen, wie wir alle zusammen trotz Krise einen bewohnbaren Planeten behalten können.
Und was ist mit der Politik?
Politik agiert nicht im luftleeren Raum. Die Stimmung in der Bevölkerung spielt eine entscheidende Rolle. Also muss die Bevölkerung zeigen, wie wichtig ihnen das Thema Klimaschutz sein kann. Dafür braucht es Aufklärung. Aber die Politik ist vor allem dazu da, ökologisch und sozial gerechte Entscheidung zu treffen. Sie tut weder das eine noch das andere. Im Gegenteil: Klimaschutz und Soziales wird ständig gegeneinander ausgespielt. Aber im Optimalfall gibt es Entscheidungen, die im Alltag spürbar sind.
Wie zum Beispiel das Deutschlandticket?
Ja, aber das Neun-Euro-Ticket war deutlich besser. Die Menschen haben es mit Freuden angenommen, die Nachfrage war da. Ein so einfacher Schritt, um ein klimaschonendes Projekt durchzubringen und den Menschen zu beweisen, dass es nicht nur um Verzicht geht. Entsprechend dumm fand ich es, das einzukassieren und durch ein deutlich teureres Ticket zu tauschen.
Da könnte man meinen. Treibt dich das nicht zur Verzweiflung?
Nicht ganz. Solche Projekte können auch zeigen, dass es Wege gibt, um die schlimmsten Auswirkungen der Klimakrise zu verhindern; dass es Wege gibt, eine ökologisch wie sozial verträgliche Klimapolitik zu machen; und dass es Wege gibt, eine Transformation hinzulegen, die ein besseres Leben für alle ermöglicht. Dafür braucht es aber mehr politischen Willen und mutige Menschen, die diese einfordern.