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Temu-User bestehlen Künstler auf Etsy: Echte Kunst wird zur Billigware

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Echte Kunst, oder doch eher Raubkopie?Bild: imago images/Nikos Pekiaridis
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Temu und Etsy: User klagen über Diebstahl – was steckt dahinter?

Eigentlich sollen auf Etsy einzigartige Produkte verkauft werden: handgemachte Kunst, Schmuck, Kleidung, Möbel und mehr. Das Konzept geht jedoch nicht auf, wenn die gleichen Artikel auch in billig anderswo verscherbelt werden.
03.11.2025, 08:0103.11.2025, 08:01

Ende September warnte der Comiczeichner Brösel auf Instagram vor Diebstahl um seine Kultfigur Werner: "Leider ist das Internet voll von Raubkopien", hieß es in dem Post. "Das sind absolut minderwertige Billigprodukte. Bitte kauft die nicht."

Ein genauerer Blick auf das Thema verrät schnell: Damit ist er nicht allein. Auch in Reddit-Foren schimpfen Künstler:innen darüber, dass ihre Werke gestohlen wurden, um billig weiterverkauft zu werden. Was hat es damit auf sich?

"Meine Werke wurden mindestens 30 Mal gestohlen. 31 Mal haben wir das bei Temu gemeldet."

Etsy-User schimpfen über Betrug auf Temu

Die Wut-Kommentare nehmen kaum ein Ende. Hinter Verkaufsplattformen wie Temu, Aliexpress oder Shein würden "verräterische Unternehmen" stecken. so der Vorwurf. Doch der Frust bezieht sich auch auf Etsy als eigene Verkaufsplattform, selbst wenn diese wohl meist auf der Opfer-Seite steht.

Um konkreter zu werden, schreibt etwa eine Person auf Reddot, ein Kunde mit chinesischer Adresse habe ihren "gesamten Shop" aufgekauft, nur um "über 1200 Artikel" weiterzuverkaufen.

Das Ergebnis: Das Konzept von Etsy als Plattform für handgemachte und persönliche Produkte wackelt, da die "einzigartigen" Artikel nun auch in billiger zu haben sind.

Der Frust gegenüber der eigenen Plattform rührt daher, dass laut den User:innen keines der Unternehmen genügend Schutz gegen das Problem bietet. Watson will mehr wissen und befragt eine Betroffene.

Betroffene Künstlerin äußert sich zu Diebstahl

"Meine Werke wurden mindestens 30 Mal gestohlen. 31 Mal haben wir das bei Temu gemeldet, aber oft wird nach der Löschung erneut gepostet", antwortet Ruth Mutch auf watson-Anfrage.

Unter dem Namen Penguin Parade zeichnet die Künstlerin lustige Tierfiguren, um damit "Menschen zum Lächeln zu bringen". Dabei setzt sie oftmals auch einen bestimmten Fokus in ihrer Arbeit:

"Ich bin der Meinung, dass beeinträchtigte Figuren, Stimmen und Erfahrungen in der gesamten Kinderliteratur stärker berücksichtigt werden müssen", erläutert die Illustratorin, die selbst körperlich eingeschränkt ist. Bei diesem Kerngedanken dürfte es umso mehr frustrieren, wenn die eigene Kunst als Billigware verscherbelt wird.

Kunst gestohlen: Wie reagiert Temu?

Was aber tut man, wenn es so weit gekommen ist? Mutch erklärt, dass sie den Raub ihrer Kunst immer erst bei Temu meldet – auch wenn ihr Fazit hierzu ernüchternd aussieht:

"Es kostet viel Zeit, auf Temu nach gestohlenen Designs zu suchen, dann Screenshots als Beweismaterial zu machen und Formulare zur Urheberrechtsverletzung einzureichen." Sie erklärt, man könne pro Meldung nur einen Verstoß eintragen – "was viel Arbeit bedeutet".

Ruth Mutch ist Illustratorin. Unter dem Namen "Penguin Parade" verkauft sie Kunst, die vor allem beeinträchtigten Kindern eine Freude bereiten soll. Doch ihre Kunst wird ständig gestohlen, u ...
Unter falschem Namen: So findet Ruth Mutch ihre Kunst regelmäßig auf Temu wieder.Bild: Penguin Parade / Screenshot

Wie reagiert daraufhin die Plattform? "Temu sendet immer eine Standardantwort und entfernt die Angebote. Allerdings stellen die Diebe die Designs häufig einfach wieder ein, notfalls in Form eines neuen Shops.

"Temu scheint sich nicht darum zu kümmern, dies zu verhindern." Auf eine watson-Anfrage hat Temu nicht reagiert.

Bei Raubkopien: Welchen Schutz bietet Etsy?

Auf seiner Website bietet Etsy User:innen an, Diebstahl geistigen Eigentums zu melden. Findet dieser ausschließlich auf der eigenen Plattform statt, sieht die Sache wohl simpel aus: Bei klaren Verstößen entfernt Etsy die Angebote und sperrt gegebenenfalls das betrügerische Konto.

Komplizierter wird es offenbar, wenn – wie hier – der Diebstahl von anderen Plattformen ausgeht: "Etsy unternimmt nur sehr wenig, um den Diebstahl von Designs von seiner Website zu verhindern", lautet hierzu das Fazit von Ruth Mutch.

Ihrer Erfahrung nach habe Etsy sogar bereits originale Artikel entfernt, weil es die Diebstähle auf Temu als die ursprünglichen Artikel angesehen hat. Genaueres dazu, wie Etsy in solchen Fällen vorgeht, bleibt jedoch unklar, da eine watson-Anfrage auch hierzu unbeantwortet blieb.

Diebstahl auf Verkaufsplattformen: Was kann man tun?

Die schlechte Nachricht zuerst: Dass unabhängige Verkäufer:innen auf den gängigen Portalen Opfer von geistigem Diebstahl werden, lässt sich nicht verhindern – auch nicht durch einen Wechsel der Plattform. Denn: Nicht nur Etsy ist von dem Problem betroffen, sondern wohl auch Alternativen wie etwa Shopify, Palundu, Fairmondo und mehr.

Was können Verkäufer:innen also tun? Die nüchterne Antwort lautet: weitermachen. Der Betrug sollte gemeldet werden, auch wenn es mühselig ist. Wer weiterhin auf ein seriöses Geschäft setzt, kann sich eine treue Käuferschaft erarbeiten. Im besten Fall hilft diese sogar bei der Meldung von Verstößen.

Was man als Käufer:in tun kann: Wer darauf achtet, dass die Personen, bei denen man Produkte bestellt, authentisch sind, hilft mit, das Problem einzuschränken. Künstler:innen wie Ruth Mutch werden dankbar sein.

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