Ab November 2025: Was sich für Hebammen und Schwangere ändert
Ein neuer Hebammenhilfevertrag soll grundsätzlich die Arbeit von Hebammen fairer bezahlen und Schwangeren eine individuellere Betreuung ermöglichen. Doch was genau bedeutet das für Hebammen, werdende Mütter und die Betreuung im Wochenbett?
Und bringt die neue Änderung wirklich so viele Vorteile, wie auf den ersten Blick vermuten lässt? Watson weiß mehr.
Was ändert sich für Hebammen ab November 2025?
Ab November 2025 tritt der neue Hebammenhilfevertrag in Kraft. Darin steht:
- Freiberufliche Hebammen: Höhere Vergütung (von rund 56 Euro auf circa 74 Euro pro Stunde) und weniger Bürokratie. So sollen sie Schwangere individueller betreuen können.
- Beleghebammen: Das sind Hebammen, die in Kliniken arbeiten und Frauen während der Geburt betreuen. Sie bekommen künftig nur 80 Prozent des Stundensatzes.
- Weitere Änderungen: Leicht gesenkte Zuschläge für Nacht-, Wochenend- und Feiertagsdienste, einheitliches Wegegeld, Abrechnung nach tatsächlichem Zeitaufwand.
Der Vertrag bringt Vorteile für freiberufliche Hebammen, belastet aber Beleghebammen: insgesamt eine gemischte Bilanz für die Geburtshilfe.
Laut einer vom Deutschen Hebammenverband initiierten Umfrage spielt bundesweit jede zweite Beleghebamme ernsthaft mit dem Gedanken, zu kündigen.
Die Hauptursache hierfür ist die wirtschaftliche Untragbarkeit ihrer Tätigkeit unter den neuen Vergütungsbedingungen.
Beleghebamme schildert Situation
Watson hat mit einer Beleghebamme aus Baden-Württemberg gesprochen, sie möchte jedoch aufgrund ihrer beruflichen Situation anonym bleiben.
Sie arbeitet aktuell in einem Klinikum, das auch Frühchengeburten und Risikoschwangerschaften betreut. Das Klinikum verzeichnet 2300 Geburten pro Jahr, im Schnitt werden vor Ort fünf Kinder pro Tag geboren.
"Wenn ich jetzt ab November zwei Frauen gleichzeitig betreue, bekomme ich für die erste 80 Prozent, für die zweite 30 Prozent und für eine mögliche dritte Frau auch nur 30 Prozent meines vorherigen Gehalts. Für die dritte Frau darf ich aber nur eine Stunde abrechnen. Je mehr ich arbeite, desto weniger Geld bekomme ich dafür", erzählt sie uns.
Durchschnittlich betreut eine Hebamme in Deutschland laut "Deutsches Ärzteblatt" drei Gebärende gleichzeitig. Für unsere Hebamme aus Baden-Württemberg ist es alltäglich, zwei Geburten gleichzeitig zu betreuen.
Eine Eins-zu-Eins-Betreuung für volles Gehalt würde sie gerne gewährleisten, das ist jedoch in einem Klinikum nahezu unmöglich aufgrund von Personalmangel.
Ihren Job möchte sie dennoch behalten, denn der feste Dienstplan in einer Klinik ermöglicht ihr ein entspannteres Arbeiten. "Dieser Vertrag ist eine Frechheit! Man fühlt sich als Hebamme wenig wertgeschätzt", so ihr Fazit.
Trotz intensiver Forderungen des Deutschen Hebammenverbands nach Anpassungen am neuen Hebammenhilfevertrag wurden bislang keine entscheidenden Änderungen vorgenommen.
Was ändert die Reform für Schwangere?
Für Schwangere gibt es potenziell bessere Chancen aufgrund der Eins-zu-Eins-Betreuung. Werdende Mütter könnten dadurch mehr Zeit mit ihrer Hebamme für Beratung, Vorsorge und Geburtsvorbereitung erhalten.
Aber aufgrund der neuen Konditionen entsteht nun ein höheres Risiko, keine passende Hebamme zu finden.
Die Reform verbessert also nicht automatisch die Versorgung, sondern hängt stark davon ab, wie viele Hebammen die neuen Bedingungen annehmen oder ablehnen.
Watson hat mit Hebamme Amina Hamri gesprochen. Sie ist seit 30 Jahren im Beruf und sieht die neue Reform vor allem für ihre Klientinnen als Nachteil: "Frauen haben ein Recht auf Beratung und durch die neue Reform wird das enorm eingestampft."
Die Kosten für die Betreuung durch Hebammen bleiben zwar weiterhin von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen. Jedoch werden zum Beispiel Beratungen via Whatsapp oder SMS nicht mehr bezahlt und gelten ab dem ersten November als Privatleistung.
Außerdem ist es zwar weiterhin möglich, die Hebamme anzurufen, jedoch nur einmal am Tag, in der ganzen Betreuungsphase maximal zehnmal und dann für mindestens fünf und maximal zehn Minuten. Falls ein Anruf getätigt wird, wird der Wochenbettbesuch der Hebamme als Kassenleistung gestrichen.
Das ist vor allem für Frauen mit weniger Einkommen ein enormes Problem. Amina will den (werdenden) Mamas so gut wie möglich entgegenkommen, jedoch bedeutet das auch für sie, dass ihre Arbeit in Zukunft nicht entsprechend entlohnt wird. Sie liebt ihren Job und möchte den auch trotz der Änderung fortführen, bei vielen Kolleginnen sieht die Situation aber anders aus: "Ich habe einige Kolleginnen, die bald aufhören und sich einen anderen Job suchen."
Hebamme Amina befürchtet, dass die neue Reform zu größeren Problemen führen kann: "Wenn Hebammen rar werden, kann es passieren, dass viele dann in die sowieso schon überfüllten Arztpraxen gehen." Das kann auch gefährlich sein für die Neugeborenen, denn hier könnte es passieren, dass diese sich schlimme Krankheiten einfangen oder die Eltern es zu Hause allein versuchen, was die Probleme nur verschlimmern könnte.
Insbesondere in ländlichen Regionen kann es schwieriger werden, eine Hebamme zu finden. Schwangere bleiben also oft ohne Wahlmöglichkeit und auf sich allein gestellt, in einer Zeit, in der sie dringend eine kompetente Betreuung benötigen.
Hebamme Amina ist enttäuscht: "Die Leidtragenden sind die Familien, aber auch die Hebammen. Wir warten acht Jahre auf eine Gebührenerhebung und leider hat sich nichts zum Guten gewendet."
Wie wirkt sich die Reform auf Hausgeburten aus?
Die Kosten für die Betreuung durch Hebammen bei Hausgeburten bleiben weiterhin von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen, sodass Schwangere finanziell nicht belastet werden.
Theoretisch könnten Hebammen durch die höhere Vergütung und die Förderung der Eins-zu-Eins-Betreuung mehr Zeit für Schwangere haben. In der Praxis gibt es jedoch Risiken: Besonders in ländlichen Regionen, wo der Hebammenmangel bereits spürbar ist, könnte dies dazu führen, dass Schwangere Schwierigkeiten haben, rechtzeitig eine Hebamme für eine Hausgeburt zu finden.
Wer eine Hausgeburt plant, sollte daher jetzt frühzeitig Kontakt zu einer Hebamme aufnehmen, um die Betreuung sicherzustellen.
Ab wann sollte man sich um eine Hebamme kümmern?
Am besten kümmert man sich so früh wie möglich, idealerweise direkt nach dem positiven Schwangerschaftstest oder spätestens im ersten Trimester (bis zur 12. Schwangerschaftswoche).
Hebammen sind oft stark ausgelastet, besonders Beleghebammen oder für Hausgeburten. Daher sichert frühzeitige Kontaktaufnahme die Vorsorge, Kurse und Geburtshilfe.
Besonders, wer eine Beleghebamme oder Hausgeburt plant, sollte so früh wie möglich einen Platz reservieren, da diese Hebammen stark nachgefragt sind und die Reform ab November 2025 die Verfügbarkeit noch weiter beeinflussen könnte.
Welche langfristigen Folgen hat die Reform für die Geburtshilfe?
Viele Beleghebammen sehen die neuen Regelungen als wirtschaftlich untragbar und überlegen, ihre Tätigkeit einzuschränken oder aufzugeben.
Besonders betroffen könnten ländliche Regionen sein, in denen der Hebammenmangel bereits spürbar ist, sodass Schwangere Schwierigkeiten haben könnten, eine Hebamme für Hausgeburt oder Beleggeburt zu finden.
Der Deutsche Hebammenverband warnt vor negativen Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit und die Qualität der Geburtshilfe und fordert Nachbesserungen am Vertrag. Ohne politische Anpassungen besteht die Gefahr, dass die flächendeckende und qualitativ hochwertige Betreuung von Schwangeren in Deutschland langfristig leidet.
