Pünktlich zum Frühlingsbeginn am 20. März sollen in Deutschland die meisten Corona-Regelungen entfallen. Darauf hatten sich Bund und Länder bereits Ende Februar verständigt. Noch nicht absehbar war zu diesem Zeitpunkt die aktuelle bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz, die nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) am Montag erneut einen Höchstwert erreichte. Das RKI gab den Wert der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche am Montagmorgen mit 1543 an.
Der Regierungsentwurf von vergangenem Mittwoch sieht ab Ende März dennoch nur noch wenige Basisschutzmaßnahmen vor, darunter eine Maskenpflicht im Nahverkehr und in Kliniken und Pflegeeinrichtungen. Aus diesen Grund regt sich bereits Kritik an den geplanten Lockerungen.
Denn auch in den Krankenhäusern spannt sich die Lage zunehmend an. Nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) können viele Kliniken bereits keine neuen Patienten mehr aufnehmen. Mediziner warnen daher vor der geplanten Streichung der Maskenpflicht in den meisten Innenräumen.
"Es wäre ein Fehler, dieses Mittel ohne Not aus der Hand zu geben", sagte Gernot Marx, Präsident der Intensivmediziner-Vereinigung DIVI. Er plädiert für ein Beibehalten der Maskenpflicht in öffentlichen Innenräumen auch nach dem 20. März. Unterstützung bekommt Marx vom Vorstand der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch: "Karl Lauterbach beschwört am Freitag die Öffentlichkeit, den Schutz ernst zu nehmen, und bringt am Montag ein Gesetz mit dem genauen Gegenteil ein."
Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kritisierte in der Wochenzeitung "Bild am Sonntag" den Entwurf von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Marco Buschmann (FDP). Das eingebrachte neue Infektionsschutzgesetz habe Lücken und Schwächen. "Damit stehen wir im Herbst neuen Mutationen schutz- und wehrlos gegenüber."
Auch die Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg und Niedersachsen kritisierten die Pläne der Bundesregierung. Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen will sich nun für eine Änderung des Regierungsentwurfs einsetzen. "Ich werbe sehr dafür, (...) die Maskenpflicht in Innenräumen als Basisschutzmaßnahme beizubehalten", sagte Dahmen gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) am Montag.
Trotz aller Kritik am aktuellen Entwurf der Ampel-Koalition zu den Lockerungen, ein neues Infektionsschutzgesetz muss in jedem Fall beschlossen werden. Denn das aktuelle Gesetz erlaubt die bisherigen Coronaschutzmaßnahmen nur noch bis zum 19. März.
Für Ungeimpfte gilt jedoch noch bis 19. März die Beschränkung, dass private Treffen auf den eigenen Haushalt sowie zwei Angehörige eines weiteren Haushalts begrenzt sind. Sobald eine ungeimpfte Person an einer Zusammenkunft teilnimmt, gilt für die ganze Gruppe die gleiche Kontaktbeschränkung wie für ungeimpfte Personen.
Das sind die geplanten Lockerungen und "niedrigschwelligen Basisschutzmaßnahmen", die ab 20. März, die bis Ende der Woche beschlossen werden sollen.
Menschen, die in Deutschland mit dem ÖPNV unterwegs sind, müssen ab dem 20. März nach dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung zwar noch immer die FFP2-Maskenpflicht einhalten. Die 3G-Regel soll für Fahrgäste von Bus und Bahn in Nah- und Fernverkehr aber entfallen. Die gleiche Regelung gilt auch für den Flugverkehr.
Auch in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen soll die Maskenpflicht bis auf Weiteres bestehen bleiben. Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, kritisierte am Montag im Deutschlandfunk die geplante Regelung: "Es ist insofern schwer verständlich, warum eine Maskenpflicht in bestimmten Einrichtungen sein soll, aber zum Beispiel im Einzelhandel und der Gastronomie nicht, während man im öffentlichen Nahverkehr eine Maske aufsetzen soll."
In Schulen, so verständigten sich die Kultusminister der Länder, sollen die Masken Anfang April bundesweit fallen.
Der Deutsche Lehrerverband warnte davor, trotz steigender Infektionszahlen die Maskenpflicht an Schulen abzuschaffen. Statt Öffnungen forderte Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger eine Verschiebung oder gar Rücknahme von Lockerungsschritten zu erwägen. Er sagte am Freitag der regionalen Tageszeitung "Rheinischen Post": "Als Lehrerverband rechnen wir angesichts der künftigen ausschließlichen Zuständigkeit der Länder für Schutzmaßnahmen an Schulen mit einem noch bunteren und rational kaum mehr nachvollziehbaren Flickenteppich beim Corona-Schutz an Schulen." Strengere Corona-Regeln sollen in Hotspots aber weiterhin möglich sein.
Im Einzelhandel soll die Maskenpflicht ebenfalls abgeschafft werden. Dass ab 20. März im Supermarkt keine Maske mehr getragen werden soll, sieht nicht nur der grüne Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen kritisch.
Er sagte der Deutschen Presse-Agentur (DPA): "Wir können noch nicht Tabula rasa bei den Schutzmaßnahmen machen." Zu einem soliden Basisschutz gehöre eine Maskenpflicht im Einzelhandel und anderen Innenräumen. "Es wäre wenig konsistent, unter den gegebenen Umständen eine Maskenpflicht im Nahverkehr, aber nicht bei dichtem Gedränge beim Einkaufen zu verhängen." Auch die SPD-Vorsitzende Saskia Esken sprach sich für das Beibehalten der Maskenregelung in Geschäften aus. "Das Frühjahr kommt, doch Corona bleibt uns offenbar erhalten", sagte Esken gegenüber der DPA.
In der Schule sollen die anlasslosen Tests nach Beschluss der Kultusministerkonferenz im Mai beendet werden. Niemand könne sagen, wie es im Herbst aussieht, sagte der hessische Kultusminister Ralph Alexander Lorz (CDU) im Anschluss an die Konferenz der Kultusminister vergangenen Freitag in Lübeck zu den Ankündigungen. "Jetzt ist es richtig, dass wir den Sommer nutzen und dass die Kinder, die seit zwei Jahren zum Teil keinen normalen Schulunterricht kennengelernt haben, wenigstens über den Sommer hinweg normalen Schulbetrieb erfahren."
Auch hier soll eine Hotspot-Regelung greifen, so dass bei erhöhtem Infektionsgeschehen die Testpflicht wieder in Kraft gesetzt werden kann.
Die Testpflicht in Einrichtungen mit besonders gefährdeten Personen, wie beispielsweise in Pflegeeinrichtungen, soll hingegen bestehen bleiben.
Obwohl nach den Plänen der Bundesregierung mit dem neuen Gesetzesentwurf zum Infektionsschutz die verpflichtende Homeoffice-Regelung endet, können Arbeitgeber weiterhin im Einvernehmen mit den Beschäftigten die Arbeit im Homeoffice anbieten – sofern keine betrieblichen Gründe entgegenstehen und diese im Interesse des betrieblichen Infektionsschutzes liegt, beispielsweise bei einer Tätigkeit im Großraumbüro.
Das Abstandsgebot, also das Einhalten eines Mindestabstands von eineinhalb Metern, die allgemeinen Hygienevorgaben wie richtiges Husten und Niesen sowie gründliches Händewaschen und regelmäßiges Desinfizieren bleiben von den gesetzlichen Änderungen unberührt. Ebenso die Pflicht zum Nachweis des Impfstatus, sollte dieser vonnöten sein.
(mit Material der dpa)