Dass die Gen Z in Deutschland sich psychisch belastet fühlt und zunehmend Angst vor Krieg und Inflation hat, ist bekannt. Doch wie die Studie "Jugend in Deutschland 2024" aktuell zeigt, haben diese Ängste auch politische Konsequenzen. Die beliebteste Partei der 14- bis 29-Jährigen ist inzwischen …? Die AfD.
Ganze 22 Prozent der Befragten gaben die AfD als Lieblingspartei an, dahinter folgt mit 20 Prozent die konservative CDU/CDU, erst dann eine der linksorientierten Parteien, nämlich Bündnis 90/Die Grünen (18 Prozent). Ein Rechtsruck geht durch die deutsche Jugend – so das Fazit der aktuellen Studie.
Die Publikation ist die siebte Trendstudie der Serie "Jugend in Deutschland" und basiert auf einer repräsentativen Online-Befragung von 2.042 Personen im Alter von 14 bis 29 Jahren ein (Erhebungszeitraum 8. Januar bis 12. Februar 2024).
Schon in den vergangenen Jahren zeigte sich, dass die junge Generation in Deutschland zunehmend konservative und rechte Parteien wählen würde, dennoch erfolgt ein derartiger Anstieg nun sprunghaft, berichten die Studienautoren Simon Schnetzer, Kilian Hampel und Klaus Hurrelmann.
Jugendforscher Schnetzer war selbst "überrascht", wie er im Gespräch mit watson berichtet:
Besonders die Grünen (von 27 auf 18 Prozent) und die FDP (von 19 auf 8 Prozent) hätten im Vergleich zu 2022 in der jungen Generation an Zustimmung verloren.
Die Jugend zeigt sich auch enttäuscht von der FDP, die mehr Digitalisierung versprochen hatte. Zugleich verlieren die "grünen" Klimathemen für sie gefühlt an Relevanz. Größere Sorgen sind derzeit für die Befragten: Inflation, Krieg und Wohnraummangel.
Mitautor und Soziologe Klaus Hurrelmann sagt zum Sympathie-Absturz der Ampel-Parteien:
Es gäbe aber noch ein paar weitere mögliche Gründe für die Orientierung nach rechts, glaubt Schnetzer.
Eine der Ursachen für die starken Werte der AfD sei laut den Studienautoren die Tatsache, dass die Partei – im Gegensatz zu anderen – besonders stark auf ebenjenen Kanälen vertreten wären, die junge Menschen laut eigenen Angaben verwenden, um sich politisch zu informieren: Tiktok, in erster Linie.
Schnetzer führt aus:
Im Interesse der Demokratie müssten auch etablierte Parteien, wie zum Beispiel die SPD, ihren Weg auf Social Media finden. "Was wir sehen ist, dass die Demokratiebildung durch Regierungsparteien dort nicht stattfindet", kritisiert Schnetzer gegenüber watson: "Das ist ein Raum, der den Rechtspopulisten überlassen wird."
Zum einen besetzt die AfD also die Kanäle, auf denen sich die Gen Z vorrangig informiert. Zum Anderen besetzt sie aber auch die Themen, die junge Menschen umtreibt.
Die Studie zeigt: Die Gen Z hat in erster Linie Angst um ihre wirtschaftliche Zukunft und ihre Sicherheit. Als größte Sorge wird die Inflation angegeben (65 Prozent), dahinter Krieg (60 Prozent) und knapper Wohnraum (54 Prozent).
Rundum zeichnet sich in der Studie ab, dass die junge Generation Angst hat, jemals ausreichend finanzielle Sicherheit zu erreichen. Das Gehalt ist Kriterium Nummer Eins bei der Jobsuche (51 Prozent), selbst Altersarmut spielt in den Köpfen der nicht einmal 30-Jährigen bereits eine große Rolle (48 Prozent).
Schnetzer erklärt, warum auch das der AfD in die Hände spielt:
Dieser Pessimismus sei eine logische Ursache für die zunehmend harte Haltung gegenüber Migration.
Geprüft wurde nämlich auch, wie viel Zustimmung zu rechtspopulistischen Aussagen bestehen. So wurden zum Beispiel folgende Aussagen bewertet:
Zusammengefasst stimmte also mehr als jede:r Zweite "politisch konservativen, zuwanderungs- und ausländerfeindlichen Aussagen" zu, resümieren die Autoren. Schnetzer ergänzt:
Interessant: Der eigene Migrationshintergrund hatte kaum Auswirkungen auf das Thema. Deutsche mit Migrationshintergrund teilten dieselbe Angst vor zu vielen Flüchtlingen wie Jugendliche ohne Migrationshintergrund.
Es gibt jedoch ein Geschlechtergefälle, das die Studie zeigt: Unter den AfD-Fans befanden sich doppelt so viele Männer (64 Prozent) wie Frauen (36 Prozent).
"Das Potenzial für rechte, rechtspopulistische und rechtsextreme Positionen in der jungen Generation scheint in den letzten fünf Jahren (...) größer geworden zu sein", schließen die Studienautoren. Klaus Hurrelmann:
Es falle außerdem auf, "dass es vor allem die Flüchtlingsfrage ist, die heute (...) kritischer eingeschätzt wird als vor vier Jahren." Es gäbe hier offensichtlich ein erhebliches Kommunikationsdefizit darüber, wie Migration für die Zukunft Deutschlands auch positives Potenzial enthalte.
Einige Angaben der Studie machten aber auch Mut, sagen die Autoren. Zum Beispiel gaben die Befragten an, gerne Verantwortung übernehmen zu wollen.
Sie scheuen auch nicht vor harter Arbeit zurück. Aber sie wollen eigene Regeln aufstellen, da die Systeme der Boomer-Generation nicht mehr für sie zu funktionieren scheinen.
"Sie wollen die Verantwortung nicht übernehmen zu den Bedingungen, die die Älteren geschaffen haben. Sie sind damit nicht zufrieden", fasst es Sozialwissenschaftler Klaus Hurrelmann zusammen.
Diese zu finden sei mit "diesen tollen jungen Leuten möglich", ist Hurrelmann sicher. "Aber im Moment fehlt ihnen der Mut."