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Jugendstudie 2024: AfD ist beliebteste Partei bei der Gen Z in Deutschland

ARCHIV - 30.11.2019, Niedersachsen, Braunschweig: Das Logo der AfD wird beim Bundesparteitag auf einen Vorhang projeziert. (zu dpa
AfD und CDU sind laut der Jugendstudie die belebtesten Parteien bei jungen Menschen.Bild: dpa / Sina Schuldt
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Aktuelle Jugendstudie 2024 zeigt: Ein Rechtsruck geht durch die Gen Z

23.04.2024, 13:46
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Dass die Gen Z in Deutschland sich psychisch belastet fühlt und zunehmend Angst vor Krieg und Inflation hat, ist bekannt. Doch wie die Studie "Jugend in Deutschland 2024" aktuell zeigt, haben diese Ängste auch politische Konsequenzen. Die beliebteste Partei der 14- bis 29-Jährigen ist inzwischen …? Die AfD.

Ganze 22 Prozent der Befragten gaben die AfD als Lieblingspartei an, dahinter folgt mit 20 Prozent die konservative CDU/CDU, erst dann eine der linksorientierten Parteien, nämlich Bündnis 90/Die Grünen (18 Prozent). Ein Rechtsruck geht durch die deutsche Jugend – so das Fazit der aktuellen Studie.

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Die Publikation ist die siebte Trendstudie der Serie "Jugend in Deutschland" und basiert auf einer repräsentativen Online-Befragung von 2.042 Personen im Alter von 14 bis 29 Jahren ein (Erhebungszeitraum 8. Januar bis 12. Februar 2024).

Studie: AfD ist beliebteste Partei bei den jungen Deutschen

Schon in den vergangenen Jahren zeigte sich, dass die junge Generation in Deutschland zunehmend konservative und rechte Parteien wählen würde, dennoch erfolgt ein derartiger Anstieg nun sprunghaft, berichten die Studienautoren Simon Schnetzer, Kilian Hampel und Klaus Hurrelmann.

Jugendforscher Schnetzer war selbst "überrascht", wie er im Gespräch mit watson berichtet:

"Es hat sich bei den letzten Landtagswahlen ja schon abgezeichnet. Allerdings: Vor einem Jahr haben wir noch Zustimmungswerte für die AfD von um die elf Prozent gehabt. Jetzt sind die doppelt so hoch. Das ist schon erschreckend."

Besonders die Grünen (von 27 auf 18 Prozent) und die FDP (von 19 auf 8 Prozent) hätten im Vergleich zu 2022 in der jungen Generation an Zustimmung verloren.

Die Jugend zeigt sich auch enttäuscht von der FDP, die mehr Digitalisierung versprochen hatte. Zugleich verlieren die "grünen" Klimathemen für sie gefühlt an Relevanz. Größere Sorgen sind derzeit für die Befragten: Inflation, Krieg und Wohnraummangel.

Klimaprotest - Demo fuer früheren Kohleausstieg in der Lausitz DEU/Deutschland/Brandenburg/Welzow 25.06.2023, Klimademo in Welzow in der brandenburgischen Lausitz, Klimaktivisten demonstrieren in Welz ...
Das Klima rückt als Thema etwas in den Hintergrund.Bild: imago images/ Andreas Franke

Mitautor und Soziologe Klaus Hurrelmann sagt zum Sympathie-Absturz der Ampel-Parteien:

"Wir haben einen bröckelnden Zukunftsoptimismus in der jungen Generation. Das Gefühl der mentalen Überforderung ist sehr hoch, die Sorge vor der Ausweitung von Kriegen, vor ökonomischen Einbußen, vor Schulden. (...) Dieser ganze Frust, dass man eine Entwicklung hat, die man nicht in den Griff kriegen kann, wird ganz offensichtlich auf die drei Regierungsparteien abgeladen.

Es gäbe aber noch ein paar weitere mögliche Gründe für die Orientierung nach rechts, glaubt Schnetzer.

Rechtsparteien nutzen digitale Kanäle am besten

Eine der Ursachen für die starken Werte der AfD sei laut den Studienautoren die Tatsache, dass die Partei – im Gegensatz zu anderen – besonders stark auf ebenjenen Kanälen vertreten wären, die junge Menschen laut eigenen Angaben verwenden, um sich politisch zu informieren: Tiktok, in erster Linie.

Schnetzer führt aus:

"Was ich unterschätzt hatte, war, dass die AfD sehr früh auf Tiktok präsent war. Sie sind bereits da, haben sich dieses Medium vorgenommen und richtig Schlagkraft entfaltet, zum Beispiel beim Thema Russland. Junge Menschen werden in ihrer Social-Media-Bubble stark geprägt. Dort bilden sich ihre Meinungen."

Im Interesse der Demokratie müssten auch etablierte Parteien, wie zum Beispiel die SPD, ihren Weg auf Social Media finden. "Was wir sehen ist, dass die Demokratiebildung durch Regierungsparteien dort nicht stattfindet", kritisiert Schnetzer gegenüber watson: "Das ist ein Raum, der den Rechtspopulisten überlassen wird."

AfD besetzt die Angst-Themen der Jugend

Zum einen besetzt die AfD also die Kanäle, auf denen sich die Gen Z vorrangig informiert. Zum Anderen besetzt sie aber auch die Themen, die junge Menschen umtreibt.

Die Studie zeigt: Die Gen Z hat in erster Linie Angst um ihre wirtschaftliche Zukunft und ihre Sicherheit. Als größte Sorge wird die Inflation angegeben (65 Prozent), dahinter Krieg (60 Prozent) und knapper Wohnraum (54 Prozent).

Grafik Studie
Bild: Jugend in Deutschland

Rundum zeichnet sich in der Studie ab, dass die junge Generation Angst hat, jemals ausreichend finanzielle Sicherheit zu erreichen. Das Gehalt ist Kriterium Nummer Eins bei der Jobsuche (51 Prozent), selbst Altersarmut spielt in den Köpfen der nicht einmal 30-Jährigen bereits eine große Rolle (48 Prozent).

Schnetzer erklärt, warum auch das der AfD in die Hände spielt:

"Die Inflation ist ein wichtiger Faktor. Solange man das Gefühl hat, es geht aufwärts, der Kuchen wird größer, ist es leichter, anderen etwas abzugeben. Aber die wachsende Ressourcenknappheit, sei es bei Wohnungen oder der Rente, die bereits spürbar ist, führt zum Umschwung. Junge Menschen denken zunehmend: Ich habe weniger und weniger. Ich kann nichts mehr abgeben."

Dieser Pessimismus sei eine logische Ursache für die zunehmend harte Haltung gegenüber Migration.

Rechtspopulistische Parolen nehmen unter jungen Deutschen zu

Geprüft wurde nämlich auch, wie viel Zustimmung zu rechtspopulistischen Aussagen bestehen. So wurden zum Beispiel folgende Aussagen bewertet:

  • Der Staat kümmert sich mehr um Flüchtlinge als um hilfsbedürftige Deutsche. (51 Prozent Zustimmung, 24 Prozent Ablehnung)
  • In Deutschland darf man nichts Schlechtes über Ausländer sagen, ohne gleich als Rassist beschimpft zu werden. (53 Prozent Zustimmung, 22 Prozent Ablehnung)
  • Ich finde es gut, dass Deutschland viele Flüchtlinge aufnimmt. (26 Prozent Zustimmung, 51 Prozent Ablehnung)

Zusammengefasst stimmte also mehr als jede:r Zweite "politisch konservativen, zuwanderungs- und ausländerfeindlichen Aussagen" zu, resümieren die Autoren. Schnetzer ergänzt:

"Die Angst vor der Zunahme von Flüchtlingsströmen waberte die vergangenen Jahre bei um die 20 Prozent. Dieser Wert hat sich im letzten Jahr auf 40 Prozent verdoppelt. Dieser Angst muss sich die Regierung unbedingt stellen."

Interessant: Der eigene Migrationshintergrund hatte kaum Auswirkungen auf das Thema. Deutsche mit Migrationshintergrund teilten dieselbe Angst vor zu vielen Flüchtlingen wie Jugendliche ohne Migrationshintergrund.

07 JUN 2023, BERLIN/GERMANY:
Simon Schnetzer, Jugendforscher, Speaker, Futurist, Spreeufer, Schiffbauerdamm
IMAGE: 20230607-01
Alle Nutzungsrchte: Simon Schnetzer
Für Jugendforscher Schnetzer zeigt seine Studie auch Handlungsbedarf für die Regierung auf. Bild: www.marco-urban.de / Marco Urban

Es gibt jedoch ein Geschlechtergefälle, das die Studie zeigt: Unter den AfD-Fans befanden sich doppelt so viele Männer (64 Prozent) wie Frauen (36 Prozent).

Optimismus und Mitsprache laut Studie wichtiger denn je

"Das Potenzial für rechte, rechtspopulistische und rechtsextreme Positionen in der jungen Generation scheint in den letzten fünf Jahren (...) größer geworden zu sein", schließen die Studienautoren. Klaus Hurrelmann:

Es fällt leider auf, dass die AfD als eine wirklich sehr rechtspopulistische Partei, (...) bei den jungen Leuten Resonanz hat und Parolen von ihr aufgenommen werden. Obwohl die jungen Leute natürlich auch wissen, dass die Lösungen nicht so einfach sind, wie 'mal eben die Grenzen zuzumachen.'

Es falle außerdem auf, "dass es vor allem die Flüchtlingsfrage ist, die heute (...) kritischer eingeschätzt wird als vor vier Jahren." Es gäbe hier offensichtlich ein erhebliches Kommunikationsdefizit darüber, wie Migration für die Zukunft Deutschlands auch positives Potenzial enthalte.

Einige Angaben der Studie machten aber auch Mut, sagen die Autoren. Zum Beispiel gaben die Befragten an, gerne Verantwortung übernehmen zu wollen.

Sie scheuen auch nicht vor harter Arbeit zurück. Aber sie wollen eigene Regeln aufstellen, da die Systeme der Boomer-Generation nicht mehr für sie zu funktionieren scheinen.

"Sie wollen die Verantwortung nicht übernehmen zu den Bedingungen, die die Älteren geschaffen haben. Sie sind damit nicht zufrieden", fasst es Sozialwissenschaftler Klaus Hurrelmann zusammen.

"Junge Leute wünschen, dass sie viel stärker beteiligt werden, dass sie gehört werden und (...) an der Gesellschaft mitgestalten können. Sie brauchen eine positive Zukunftsvision."

Diese zu finden sei mit "diesen tollen jungen Leuten möglich", ist Hurrelmann sicher. "Aber im Moment fehlt ihnen der Mut."

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