Um fit zu bleiben, geht man joggen. Für eine gute Note lernt man fleißig. Und für eine gesunde, starke Psyche? Tja – um unsere Mental Health kümmern sich viele leider erst, wenn es schon zu spät ist, das jedenfalls hat Miriam Hoff beobachtet.
Sie ist Kinder- und Jugendtherapeutin in Frankfurt am Main. Die jungen Jahre im Leben eines Menschen, weiß sie, sind immer eine Phase extremer Selbstfindung, doch obendrauf kam für die Generation Z: Klimakrise, Pandemie, Krieg, Inflation und die allgegenwärtigen sozialen Netzwerke. Das belastet die Psyche. Und an vielen Stellen ist das ambulante Therapieangebot schon an seine Grenzen gekommen, wie die Hessin warnt. So kam Miriam auf die Idee, ein praxisorientiertes Trainingsprogramm aufzustellen, dass alltägliche Ängste mindert und einen stärker durchs Leben gehen lassen soll.
"Diese Tools sind kein Ersatz für Therapie", mahnt sie deutlich im Gespräch mit watson. "Wer ein psychisches Krankheitsbild hat, braucht professionelle Hilfe. Aber die Übungen nützen jedem, der sich mal unsicher oder ängstlich fühlt, optimistischer und selbstbewusster sein möchte. Sie sind ein gutes Gerüst, um in Zukunft mit schwierigen Momenten besser umzugehen."
Die Tools, um die Psyche zu stärken, stellt sie in ihrem Buch "Mind is Magic" vor. Alles praxiserprobt, sagt Miriam. "Ich mache diese Sachen ganz genauso mit meinen Patienten", erzählt sie. "Das ist kein 'Setz dich hin und horch in dich hinein'-Wischiwaschi, sondern ganz konkrete Hilfe."
watson ließ sich das Prinzip dahinter erklären und stellt drei Übungen vor.
In ihrer Arbeit erlebt Miriam, welche Themen bei Jugendlichen und jungen Menschen immer wieder eine Rolle spielen. Darunter besonders häufig: Motivationsschwierigkeiten und Depressionen, Essstörungen, Panikattacken, Mobbing und Soziale Unsicherheiten.
"Das sind Themen, mit denen fast jeder mal zu kämpfen hat", sagt Miriam. In jungen Jahren sei es typisch, dass solche Unsicherheiten aufkämen, da es sich um eine Zeit der Orientierung handelt. Man muss sich selbst finden und vergleicht sich dabei auch mit anderen. Doch anders als früher gibt es heute Smartphones.
"Die sozialen Netzwerke sind ja immer präsent, das bedeutet, man vergleicht sich nicht mehr nur während der Schulzeit, sondern auch zu Hause auf dem Sofa mit anderen", sagt Miriam. "Und auch das Thema Mobbing erfährt im Internet natürlich eine andere Dimension. Hass verbreitet sich dort schnell und ist permanent aufrufbar." Unter diesen besonderen Herausforderungen sei es umso wichtiger, mental gut aufgestellt zu sein und Tricks zu kennen, um Negatives nicht lähmend nah an sich heranzulassen.
"Die psychischen Störungen sind bei Jugendlichen in den vergangenen zwei Jahren explosionsartig gestiegen" stellt Miriam fest. Die Coronapandemie habe da natürlich eine Rolle gespielt, wie unter anderem eine aktuelle Studie der DAK aufzeigt. "Angststörungen und Depressionen haben sich verstärkt, was zu großen Teilen auch daran liegt, dass sich die Jugendlichen immer mehr in ihre Zimmer zurückziehen mussten oder konnten und die Außenwelt nur noch digital zu ihnen hineinkam." Das Problem ist nur: Therapieplätze sind rar.
Auch in Hoffs ambulanter Praxis stapeln sich die Anfragen. "Wir können nur einen Bruchteil behandeln", berichtet sie, "auch deshalb hielt ich es für wichtig, den Menschen Techniken an die Hand zu geben, mit denen sie zumindest ausbremsen können, dass aus einer gängigen Alltagsangst eine manifeste Störung entsteht."
Wie in den meisten Lebensbereichen gelte nämlich auch hier: Am besten wehrt man den Anfängen, bevor eine kleine "Macke" zum Krankheitsbild wird. Psychisch gesund oder psychisch krank, so schwarz-weiß sei es oft nicht, sagt Miriam. Viele Patient:innen hätten zum Beispiel keine ausgewachsene Essstörung, aber ein negatives Körperbild, würden sich permanent mit anderen vergleichen und dabei Lebensfreude einbüßen. "Es gibt eine große Grauzone", sagt Miriam, "und auch in dieser ist der Leidensdruck für die Teenager ziemlich hoch."
Den eigenen Gefühlen ist man nicht ausgeliefert, sagt Miriam. Es gibt Wege sie zu kanalisieren und aufzufangen, umzuleiten und zu sortieren. Das Ziel ist es, gestärkt in die Zukunft zu gehen, sich nicht vom eigenen Kopf stoppen zu lassen. Das kann sogar Spaß machen, glaubt sie.
Wer simple Techniken verinnerlicht und anwendet, um mentalen Herausforderungen entgegenzutreten, soll langfristig davon profitieren. Es kann dabei helfen, Resilienz zu entwickeln, zukünftige Herausforderungen auch als Chancen zu begreifen und sich auf das zu freuen, was kommt.
Es sei nicht ungewöhnlich, Ängste mit sich herumzutragen, sagt Miriam, aber man kann sie loswerden: "Es gibt Wege, sich bei Alltagsproblemen mental selbstständig, unmittelbar und effektiv helfen zu können." Man muss sie eben nur kennen.