Jetzt ist klar: 2G-Plus für die Gastronomie kommt, und das bundesweit. Viele Bundesländer haben in den vergangenen Wochen bereits individuell entschieden, eine solche Regelung für Bars, Restaurants und Cafés einzuführen.
Watson hat bei Restaurant- und Café-Betreibern sowie dem Deutschen Gastronomie- und Gaststättenverband Dehoga Berlin nachgefragt, welche Auswirkungen die 2G-Plus-Regel für die Betriebe hat.
Eine bundesweite Verschärfung der Maßnahmen halten nicht alle für den richtigen Schritt. "Dieser Beschluss hätte zur Folge, dass wir unsere Kaffeehäuser schließen müssten", erzählt eine Restaurantbetreiberin auf Anfrage von watson.
Die 2G-Plus-Regelung bedeutet, dass der Besuch von Restaurants oder Cafés für Geimpfte oder Genesene nur noch mit einem zusätzlichen negativen Corona-Test oder einer Booster-Impfung möglich sein wird.
Mehrere Politiker hatten den Beschluss im Vorfeld des Omikron-Gipfels von Bund und Ländern am Freitag verteidigt. So sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Donnerstagabend dem Sender RTL: "Die Gastronomie ist ein Problembereich, da sitzt man ohne Maske oft für Stunden." Deshalb müssten Kontakte noch einmal beschränkt werden, bekräftigte er.
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hält die Maßnahmen für die Gastronomie ebenfalls für "zumutbar", sagte er dem Sender Welt.
Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der deutschen Krankenhausgesellschaft, bestätigte auf Anfrage von watson:
Was einige für "zumutbar" ansehen, hält der Deutsche Gastronomie- und Gaststättenverband Dehoga Berlin aus wirtschaftlicher Sicht für "eine Katastrophe".
Der stellvertretende Geschäftsführer Gerrit Buchhorn fordert im Gegenzug des Beschlusses der 2G-Plus-Maßnahme vom Bund einen "finanziellen Ausgleich für Betroffene, Branche, Betriebe und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern", wie er watson sagt.
Konkret nennt er eine Verbesserung oder Verlängerung der Überbrückungshilfen, die vor allem schnell fließen müssten. Dies könnte durch eine weitere Erhöhung des Eigenkapital- oder Personalkostenzuschusses geschehen, sagt er.
Aufgrund der zu erwartenden Einbußen hätte Linken-Chefin Janine Wissler hingegen einen zweiwöchigen Gastronomie-Lockdown den 2G-Plus-Maßnahmen vorgezogen. Sie sagte dem ARD-"Morgenmagazin": Es sei die Frage, ob es nicht sinnvoller wäre zu sagen, "man macht lieber zwei Wochen diesen ganzen Bereich dicht" und entschädige die Menschen.
Das wäre die sinnvollere Variante, "wenn die Zahlen so durch die Decke gehen".
Der Dehoga Berlin sieht jedoch keinen Spielraum für einen Lockdown: "Wir sehen weitere Einschränkungen eher problematisch", antwortet Gerrit Buchhorn auf entsprechende Nachfrage von watson.
Mit großen Umsatzeinbußen, die Wissler anführt, rechnet auch das Berliner Kaffeehaus Zimt & Zucker. "Dieser Beschluss hätte zur Folge, dass wir unsere Kaffeehäuser schließen müssten", hatte die Inhaberin Christiane Wotzka gegenüber watson im Vorfeld der Ministerpräsidentenkonferenz gesagt. "Vorbereiten kann man sich hier nur auf den worst case, der bedeutet, dass wir auf keinen Fall mehr kostendeckend arbeiten können."
Wotzka spricht sich eher für finanzierte Schließung aus als dafür, die Hürden für eine Cafébesuch zu erhöhen. "Wir fordern konkrete Beschlüsse, Lockdown oder teilweise finanzierte Schließungen, aber nicht das Abwälzen der Probleme auf den Mittelstand, der mit seinen Steuerzahlungen die Stütze der Politik ist."
Ähnlich sieht dies ein Westberliner Restaurant-Besitzer, der sich allerdings nicht öffentlich zu den neuen Beschlüssen äußern möchte – aus Angst vor negativen Reaktionen. Bereits in der Vergangenheit habe er immer wieder Beschwerden und schlechte Bewertungen von Ungeimpften und anderen Gästen bekommen. Um nicht noch weiter für staatliche Verordnungen angegangen zu werden, schweigt er lieber.
Eine andere Gastronomiekette blickt der 2G-Plus-Regelung eher lösungsorientiert entgegen. Die Sprecherin des 25hours Hotel Bikini Berlin, zu denen auch die Restaurants NENI und die Monkey Bar zählen, teilt auf Anfrage von watson mit: "Wir sind im Gespräch mit einem Testzentrum, um zu schauen, dass wir vor Ort eine Testkabine stellen."
Auf alternative Maßnahmen setzt auch das israelische Restaurant Aviv030 in Berlin-Neukölln. Geschäftsführerin Charlotte Kammerer erzählt im Gespräch mit watson, dass sie nach Inkrafttreten der 2G-Plus-Regelung auf nahegelegene Teststellen hinweisen werde oder sich vorstellen könnte, "auch mal einen Welcome-Drink aufs Haus zu spendieren".
Dennoch erwartet Kammerer, dass "ein großer Teil der Gäste wegfallen" wird. "Die neuen Regeln machen es uns sehr schwer, weil die Leute nicht mehr spontan essen gehen, sondern nun planen müssen."
Doch noch ein weiteres Problem sieht Kammerer in Bezug auf die Verlängerung der Überbrückungshilfen, die Dehoga Berlin unter anderem vom Bund fordert:
Das Aviv030 setzt stattdessen auf "gute Kommunikation mit unserer Kundschaft und wollen ihnen vermitteln, dass sich ein Besuch bei uns trotzdem lohnt."
Von einem Wegbrechen der Kunden spricht auch Fabio Spagna, Betreiber der SUPERNOVA Bar & Trattoria in Schwabing, München. Er sagt im Gespräch mit watson: "Je mehr wir jetzt dann wieder kontrollieren müssen, werden uns natürlich die Kunden auch wegbrechen." Spagna betont:
Mit einer Schließung rechnet das Münchner Lokal erstmal nicht, "aber massive Einschränkungen unserer Kundschaft sind natürlich sehr schlecht für uns – dann müssten wir im Zweifelsfall sogar Leute freistellen", befürchtet der Gastronom.
Die Hauptgeschäftsführerin des Dehoga Bundesverbands, Ingrid Hartges, bestätigt die Stimmung der Gastronomen: "Die flächendeckende Einführung von 2G Plus-Zugangsregeln ist für viele Betriebe ein Desaster. Unsere aktuelle Dehoga-Umfrage zeigt, dass es bereits im Dezember einen Umsatzverlust von 50 Prozent im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019 gab. Jeder zweite Unternehmer bangt um seine Existenz."
Zudem sei offen, auf welcher Datengrundlage diese flächendeckende 2G Plus-Regelung erfolge, betont Hartges auf Anfrage von watson. Denn die Hospitalisierungsrate sei niedriger als vor einigen Wochen, bundesweit würden unterschiedliche Inzidenzen verzeichnet. "Natürlich stellt sich auch die Frage der Verhältnismäßigkeit im Rechtssinne."
Nicht alle Restaurant-Betreiber sehen die Maßnahmen kritisch: Der Münchner Gastwirt Ahmet Özkan begrüßt die neuen Regelungen. Er ist Betreiber der Gorilla Bar und sagt watson: "Da wir schon bald im vollendeten zweiten Jahr mit Corona-Regeln sind, finde ich strikte Regeln leichter zu befolgen als schwammige Vorgaben."
2G-Plus sei natürlich im Detail schwerer umzusetzen, jedoch habe er persönlich eine schwere Corona-Infektion hinter sich, weshalb er für die neuen Regeln ist. Er finde gut, "dass es klar kommuniziert wird und alle Bescheid wissen." Doch er sieht auch die Nachteile: "Klar wird uns das wieder Einbußen bringen, aber mir geht es in erster Linie um die Gesundheit von uns und unseren Gästen." Weiter erzählt er: