Ob im Büro oder im Freundes- und Familienkreis: Alle husten und schniefen, melden sich reihenweise krank. Die Zahl der Atemwegserkrankungen, das ist klar erkennbar, nimmt weiter zu – und liegt deutlich über dem Niveau der vergangenen Jahre.
Und noch etwas wird deutlich: Nicht nur Rhinoviren, die gewöhnlichen Erreger von Erkältungen, nehmen zu, sondern wieder einmal auch die Zahlen der Corona-Erkrankungen. Im Vergleich zur vergangenen Woche haben die Infektionszahlen laut Robert Koch-Institut deutlich zugelegt: Von 13.618 Fällen sind die offiziell bestätigten Infektionszahlen auf 17.222 angestiegen.
Die Krux daran: Obwohl die Zahlen deutlich ansteigen, bilden sie nicht das tatsächliche Infektionsgeschehen ab. Denn getestet werden nur diejenigen, die mit Corona-Symptomen im Krankenhaus liegen. Damit bilden die rund 17.000 Fälle vermutlich lediglich etwas mehr als ein Prozent der tatsächlichen Corona-Infektionen ab.
Wie schlimm ist die Corona-Welle also wirklich? Erwartet uns schon bald wieder eine kritische Situation in den Krankenhäusern? Darüber haben wir mit den Virologen Timo Ulrichs und Markus Scholz gesprochen.
"Wir haben aktuell ein erhebliches Infektionsgeschehen", sagt Markus Scholz gegenüber watson. Er ist Professor am Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie an der Universität Leipzig.
Mithilfe laufender Seroprävalenz-Studien schätzt auch er die Dunkelziffer der Corona-Infektionen auf einen Wert von über 100. Das bedeutet, dass es rund 100 Mal mehr Infektionen gibt, als offiziell bekannt. Statt der "nur" rund 17.000 Fälle wären es also rund 1,7 Millionen – Tendenz steigend.
Dennoch würde Scholz bislang noch nicht von einer kritischen Situation sprechen, da die Belastung der Krankenhäuser bislang in deutlich geringerem Ausmaß steige als in früheren Pandemie-Jahren. Er ergänzt:
Dennoch betont er, dass die vielen Arbeitsausfälle erneut zu Problemen führen könnten. Denn krank ist krank.
Auch der Virologe Timo Ulrichs sieht das ähnlich. Er glaubt, dass sich die Corona-Varianten, also auch sämtliche Untervarianten von Omikron, in die saisonalen Infektionserreger einreihen werden.
Da allerdings viele Menschen auch mit Erkältungssymptomen keinen Corona-Test machen oder eine Maske tragen würden, trage das zur weiteren Ausbreitung des Virus uns seiner Varianten bei uns bei, wie Ulrichs gegenüber watson erläutert.
"Deshalb wäre es sinnvoll, im öffentlichen Raum Maske zu tragen, um andere vor möglichen Coronaviren, aber auch anderen Erregern zu schützen", sagt Ulrichs. Auch wenn man das eigene Risiko einer Erkrankung reduzieren wolle, empfehle es sich, etwa in den öffentlichen Verkehrsmitteln eine Maske zu tragen.
Denn dass die Corona-Erkrankungen fast überall in Deutschland zunehmen, wird nicht nur anhand positiv auf das Virus Getesteten deutlich. Auch im Abwasser lässt sich eine steigende Viruslast nachweisen, wie das Robert Koch-Institut in seinem AMELAG-Wochenbericht mitteilt. Von den insgesamt 19 getesteten Standorten zeigte sich bei 14 davon der Trend einer steigenden Viruslast an.
Zwar sitzen die Coronaviren zunächst einmal im Rachen und in der Nase, allerdings finden sie sich auch in unserem Darm wieder – und werden entsprechend ausgeschieden. So gelangen sie ins Abwasser, wo sie mithilfe eines Monitorings kostengünstig nachgewiesen werden können.
Und zwar meist so früh, dass die infizierten Personen noch nicht einmal Symptome entwickelt haben. Damit ist das Abwasser-Monitoring oft deutlich schneller und aussagekräftiger, als die offiziellen Corona-Zahlen – allem voran jetzt, wo nur noch in den seltensten Fällen getestet wird.
"Wir müssen uns an Corona als Teil der Erkältungssaison gewöhnen", sagt Virologe Timo Ulrichs. "Wir haben eine gute Grundimmunität in der Bevölkerung und können vulnerable Gruppen impfen, ähnlich wie gegen die saisonale Influenza."
Dazu kommt: Bereits seit einiger Zeit gebe es in Deutschland einen Variantenmix. Das bedeutet, das stets mehrere verschiedene Varianten parallel zueinander auftreten, auch wenn aktuell die Variante EG.5 (Eris) dominiere. Experte Markus Scholz erklärt dazu: