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Dänemark kippt alle Corona-Regeln: "Könnte nahe an der Herdenimmunität sein"

Lächeln und Umarmen: In Kopenhagen gibt es ab heute keine Corona-Beschränkungen mehr.
Lächeln und Umarmen: In Kopenhagen gibt es ab heute keine Corona-Beschränkungen mehr.Bild: iStockphoto / william87
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"Könnte nahe an der Herdenimmunität sein": Hat Dänemark Corona besiegt?

10.09.2021, 16:4111.09.2021, 12:38
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Dänemark macht heute endgültig Schluss – nach dem Maskentragen, dem Abstandhalten und der 3G-Regel nun auch mit dem Coronavirus ganz allgemein. Mit dem heutigen Freitag sind die verbliebenen Corona-Beschränkungen aufgehoben worden. Auch Impfnachweise brauchen die Dänen dann nicht mehr für Besuche in Clubs, auf Konzerten oder anderen Großveranstaltungen, der Impfpass kann zu Hause bleiben.

Wegen der hohen Impfquote von 73,4 Prozent bei 5,8 Millionen Einwohnern und mehr als 96 Prozent Geimpfter über 60 Jahre hatte der dänische Gesundheitsminister Magnus Heunicke bereits Ende August in einer Pressemitteilung verkündet: "Die Pandemie ist unter Kontrolle." Covid-19 sei deshalb keine "gesellschaftskritische Krankheit" mehr. Bestimmte Regeln wie etwa ein Versammlungsverbot würden damit ihre gesetzliche Grundlage verlieren. Am Samstag in Kopenhagen ein coronamäßig unreguliertes Konzert mit 50.000 Zuschauern stattfinden – eine Premiere in Europa seit Pandemiebeginn.

"Das könnte nahe an der Herdenimmunität sein, so dass die Aufhebung der Maßnahmen gerechtfertigt sein könnte."
Epidemiologe Markus Scholz gegenüber watson

Der Leipziger Epidemiologe Markus Scholz stimmt der Einschätzung des dänischen Gesundheitsministers zu: "Wenn man zur Impfquote von 74 Prozent noch die Genesenen dazuzählt, kommt man auf circa 80 Prozent. Das könnte nahe an der Herdenimmunität sein, so dass die Aufhebung der Maßnahmen gerechtfertigt sein könnte", sagt er gegenüber watson.

3G-Regel gilt weiter für Einreisende

Von den Lockerungen profitieren allerdings nur Dänen im Land, an der Grenze gilt für die Einreise weiterhin die 3G-Regel. Wer also aus Deutschland nach Dänemark einreisen will und nicht geimpft oder genesen ist, braucht einen negativen Coronatest. Entweder einen PRC-Test, der nicht älter als 72 Stunden oder einen Schnelltest, der höchstens 48 Stunden alt ist. Für die deutschen Nachbarn aus Schleswig-Holstein gibt es eine Ausnahme: Ihr Schnelltest darf auch bis zu 72 Stunden alt sein. Für Kinder unter 16 Jahren entfällt die Testpflicht sogar generell.

Der neidische Blick nach Dänemark

Warum die Dänen eine so hohe Impfquote erreicht haben, würden bestimmt viele Regierungschefs gerne wissen. Während Gesundheitsminister Magnus Heunicke die Impfquote auf der Pressekonferenz mit Vertrauen der Bevölkerung in die dänischen Behörden erklärte, sagt Epidemiologe Scholz gegenüber watson: "In Spanien ist beispielsweise die Impfbereitschaft generell sehr hoch, für Dänemark liegen mir hierzu keine Zahlen vor." Deutschland liegt bei der Impfquote noch deutlich zurück. Woran das liegen könnte, erklärt der Epidemiologe so: "In Deutschland gibt es verhältnismäßig geringe Anreize und auch wenig Werbung zur Impfung."

"Zum Beispiel ist eine Impfpflicht in Berufen, bei denen ein enger Kontakt zu Kranken und Alten besteht, meines Erachtens durchaus ethisch gerechtfertigt."
Epidemiologe Markus Scholz gegenüber watson

Dabei wäre die Impfquote gerade angesichts der vierten Welle einer der wichtigsten Hebel, um gut durch den Winter zu kommen: "Ich plädiere sehr dafür, die Impfkampagne in Deutschland zu intensiveren. Zum Beispiel ist eine Impfpflicht in Berufen, bei denen ein enger Kontakt zu Kranken und Alten besteht, meines Erachtens durchaus ethisch gerechtfertigt, um Impfdurchbrüche in Risikogruppen möglichst zu vermeiden", so Scholz gegenüber watson.

Deutschland hinkt bei der Impfquote hinterher

Angesichts der derzeitigen Lage in Deutschland rät Scholz jedoch davon ab, Dänemark als Vorbild für Öffnungen zu betrachten, da zum Beginn der Herbst/Winter-Saison noch höhere Infektionszahlen zu erwarten seien: "Wir erwarten zwar aktuell keine Überlastungssituation in den Krankenhäusern, dennoch dürfen die Infektionszahlen nicht zu hoch werden, weil dies zu mehr Impfdurchbrüchen in den Risikokollektiven führt. Außerdem ist die Long-Covid-Problematik zu beachten."

Der Leipziger Epidemiologe Scholz schlägt vor, Anreize zum Beispiel finanzieller Art zu setzen und eine niederschwellige Verfügbarkeit der Impfungen sicherzustellen, damit sich auch in Deutschland mehr Menschen impfen lassen. Für Risikogruppen sei darüber hinaus auch eine Drittimpfung sinnvoll, um Ansteckungen möglichst zu vermeiden.

Dänemark will aber weiter wachsam bleiben: Gesundheitsminister Magnus Heunicke warnte bereits, die Regierung werde nicht zögern, wieder Beschränkungen einzuführen, sollte sich die Lage wieder verschlechtern. Dazu will die Regierung vor allem die Belegung der Krankenhausbetten im Blick behalten und neue Virus-Varianten überwachen. Erkrankte sollen außerdem weiter strikt isoliert werden.

(mit Material der dpa)

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