Man kann das Verbot oder das Nicht-Spielen des umstrittenen Partyhits "Layla" von DJ Robin & Schürze auf deutschen Volksfesten gut finden oder nicht – eines bleibt unbestritten: Das Lied ist ein Hit und erfreut sich offenbar größter Beliebtheit – auch außerhalb des Ballermanns.
Mehr als 43.000 Menschen in Deutschland haben bis Samstagnachmittag eine Online-Petition unter dem Motto #freelayla unterschrieben. Gestartet wurde die Petition von der Plattenfirma "Summerfield Records" von Schlagermusiker und Produzent Ikke Hüftgold, die "Layla" veröffentlicht hat.
Damit ist spätestens jetzt klar: "Layla" ist nicht nur ein simpler Song, es ist ein gesellschaftliches Phänomen – und möglicherweise sogar ein politisches. Eine tiefergehende Betrachtung der "Layla"-Debatte und auch des Songtexts könnte also interessante Erkenntnisse über den aktuellen Zustand unserer Gesellschaft liefern.
Wie Populärkultur und Gesellschaft zusammenhängen, das wissen Kulturwissenschaftler wie Maribel Graf, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni Tübingen, und Prof. Moritz Ege. Er lehrt und forscht an der Universität Zürich zu populären Kulturen und empirischer Kulturwissenschaft mit Fokus Alltagskulturen. Watson hat mit beiden über "Layla" gesprochen – und dabei festgestellt, wie viel soziokulturelle Sprengkraft in einem Schlager stecken kann.
Mit Fokus auf den recht einfach gehaltenen Songtext sieht Maribel Graf Parallelen zu Hiphop-Texten.
Sie sagt:
Im ohnehin knappen Text zu "Layla" sei der Sexismus dennoch zentraler und auffälliger: Lyrics wie "Mein Laden, mein Revier, mein Puff, meine Puffmama, unsre Layla" erinnern sie an Werbephrasen wie "Mein Haus, mein Auto, mein Boot". "Hier zeigen sich klare Besitzansprüche", meint die Kulturwissenschaftlerin im Gespräch mit watson.
Zwei Männer sprechen im Text von Layla als Geheimtipp:
Maribel Graf analysiert: "Dadurch wirkt sie wie ein empfohlenes Event, eine Schaufensterpuppe oder ein Produkt in der Warenauslage."
Mehr als dastehen oder gar selbst zu Wort kommen kann Layla in dem Song nicht. Als stummes, handlungsunfähiges Lustobjekt wird sie auf ihr Äußeres reduziert: "Schöner, jünger, geiler." "Das ist entmenschlichend, für viele offensichtlich und stößt ab", sagt die Kulturwissenschaftlerin.
Dabei ist für Graf aus kulturwissenschaftlicher Perspektive die Verbots-Debatte selbst eigentlich viel spannender als eine Antwort auf sie:
Der Züricher Kulturwissenschaftler Moritz Ege sieht noch andere Punkte, warum dieser Song mit seinem sexistischen Text gerade so einen Nerv trifft. Beim feiernden Publikum wie auch bei den "Layla"-Kritikern: "Diskussionen um die Grenzen der Spaßkultur finden regelmäßig statt, zurzeit ist das Klima dafür besonders förderlich."
Das liegt seiner Einschätzung nach daran, dass Teile der Gesellschaft "traditionellen" und vermeintlich ironischen Sexismus nicht mehr hinnehmen wollen.
Ege sagt:
Ege hält die Diskussion und auch das Einfordern von Konsequenzen für einen großen zivilisatorischer Fortschritt. Gleichzeitig warnt er vor der Verbindung mit klassischem Kulturkonservatismus und eher repressiven Formen von Kulturpolitik.
Er führt aus:
Auch wenn das Verbot von "Layla" im Bierzelt die veränderte Haltung der Gesellschaft gegenüber der sexistischen Darstellung von Frauen widerspiegelt: Was ist mit der Kunstfreiheit?
Zunächst, so stellt der Kulturwissenschaftler richtig, gab es keine Verbote im juristischen Sinn.
Ege erläutert:
Solche Aushandlungen gingen meistens aber eher hinter den Kulissen vor sich. Gewisse Regeln, dass ein bestimmter Song nicht gespielt werden soll, ließen sich nach Einschätzung Eges inhaltlich durchaus rechtfertigen.
Für Ege ist aber klar: "Es bleibt auch ein unangenehmer Beigeschmack, dass Stadtverwaltungen eine Art von Zensur ausüben – gegen Teile des Publikums und einen populären Hit." Es könnte aber auch sein, vermutet er, dass die Bierzeltgäste froh seien, die sexistischen Lieder nicht mitsingen zu müssen – und stattdessen zweimal hintereinander "Dicht im Flieger" und ähnliches grölen könnten.
Interessanter als die ganze Verbots-Diskussion ist für Moritz Ege ohnehin, was das Drumherum über die Gegenwartskultur aussagt. "Die ganze Affäre, die Verteidigung des politisch Inkorrekten und so weiter: Das wirkt jedenfalls ziemlich vorhersehbar und durchkalkuliert."
Typisch sei, dass solche "Verbote" beispielsweise von antifeministischen Kulturkämpfern als Steilvorlage genutzt werden, die nur auf die Gelegenheit warten, sich mit rebellisch-antiautoritären Energien verbünden zu können. Da solle man nicht naiv sein und in allen Äußerungen nur eine Verteidigung von Spaßkultur am Werk sehen. "Gerade auf dieser Ebene schwingt sehr viel mehr mit", so der Kulturforscher.
Wobei, so wirklich antiautoritär sei dieser Song ja sowieso nicht, meint Moritz Ege:
Könne man machen, wenn man das für richtig und wichtig halte, meint Ege, aber dann brauche man sich nicht wundern, wenn es Gegenwind gibt. "Wobei der Gegenwind nüchtern betrachtet auch wieder zum Geschäftsmodell gehört."
Ege ordnet dies der politischen Strategie vieler politischer und publizistischer Akteure in der Grauzone von Populismus und Wirtschaftsliberalismus zu.
Er meint: