"I'm Driving Home for Christmas" – der 80er-Weihnachtssong von Chris Rea könnte dieses Jahr zur großen Corona-Hymne werden, denn wer sich überhaupt noch traut, seine Familie über die Festtage zu besuchen, wird das vermutlich im Auto tun. Zu gering ist bei vielen die Lust auf vollgestopfte Züge, zu groß die Sorge, sich auf dem Weg zu Oma doch noch das Coronavirus einzufangen und die Liebsten auf den letzten Drücker zu gefährden.
Mietwagenverleiher erleben daher schon jetzt eine hohe Nachfrage und warnen: Wer kein eigenes Auto hat, sollte sich lieber schnell um einen Leihwagen kümmern. Aber ist das schlau, solange man gar nicht weiß, wie genau in welchem Bundesland gefeiert werden darf? Schließlich überlegen einige Länder, die Maßnahmen über Weihnachten nun doch nicht zu lockern. Wie man nun beim Automieten am besten vorgeht – darüber sprach watson mit den Mietwagen-Riesen Europcar, Sixt und Avis.
In einem sind sich die Mietwagenverleiher einig: Die Coronakrise war auch für ihr Unternehmen eine harte Zeit. So hätten die eingeschränkten Reisemöglichkeiten, insbesondere der Mangel an Geschäftsreisenden und wenig Betrieb an deutschen Flughäfen für deutliche Buchungs-Rückgänge gesorgt. Martin Gruber, Managing Director Central Europe der Avis Budget Group dazu:
Ein wenig aufgefangen wurde das durch die höhere Nachfrage von Privatleuten, so Stefan Vorndran. Er ist Geschäftsführer der Europcar Mobility Group Germany, zu der unter anderem Buchbinder Rent-a-Car und Europcar gehören, und erzählt: "Viele Deutsche haben in diesem Jahr ihren Urlaub in Deutschland verbracht und wählen für die erlaubten Reisen Mietwagen."
Bei Sixt beobachtete man außerdem, dass auch innerhalb der Städte die Nachfrage an Carsharing, Auto-Abos und Flatrate-Produkten gestiegen war, weil die Menschen Bus und U-Bahn mieden. Sixt-Sprecherin Stefanie Seidlitz: "Seit Beginn der Krise sehen wir deutlich, dass die Menschen die Nutzung eines Mietwagens als sinnvolle und vergleichsweise sichere Mobilitätsalternative zu öffentlichen Verkehrsmitteln schätzen."
Diese Flaute könnte nun beendet sein, denn das Weihnachtsgeschäft ist zwar jedes Jahr groß beim Mietwagenverleih, doch die Corona-Pandemie treibt die Menschen zusätzlich ans Lenkrad. "Die Nachfrage nach unseren Marken hat für die Feiertage in den vergangenen Tagen stark zugenommen und liegt für die Stadt-Stationen teilweise sogar über dem Vorjahresniveau", sagt Vorndran von Europcar. "An den Flughäfen ist das Interesse dagegen noch deutlich geringer. Dort erwarten wir aber kurzfristig zusätzliche Nachfrage, sobald die Verfügbarkeiten in den Städten knapper werden."
Auch Sixt-Sprecherin Seidlitz beobachtet ein Plus an Buchungs-Nachfragen in der Adventszeit, "vor allem von Menschen, die für den Besuch ihrer Familie, zum Teil auch aufgrund der reduzierten Flug- und Fahrpläne, nach flexibler und individueller Mobilität suchen. Wir gehen aktuell davon aus, dass sich dieser Nachfragetrend bis Weihnachten noch verstärken wird."
Für die Kunden bedeutet das: Wer nicht ohne Auto dastehen möchte, muss dieses Jahr fix sein. Zwar versichern die Verleiher, dass sie gut aufgestellt seien, und die Kapazitäten der aktuellen Situation angepasst wären, warnen die Kunden dennoch vor allzu großer Trödelei. "Wir haben in Deutschland aktuell über 70.000 Fahrzeuge in der Flotte. Mobilität ist damit auch über die Feiertage sichergestellt", sagt zum Beispiel Europcar-Geschäftsführer Vorndran. "Aufgrund der aktuell hohen Nachfrage empfehlen wir jedoch, so früh wie möglich zu buchen." Denn das Zusammenfallen von Weihnachten und einer Pandemie ist auch für Mietwagenbetreiber eine völlig neue Situation. Auch Sixt warnt daher:
Eine hohe Nachfrage ist für die Betreiber natürlich eine gute Nachricht, auch wenn sie den Geschäfts-Rückgang durch das Covid-19-Jahr "nicht kompensiert", so Vorndran weiter. Über genaue Umsatzprognosen wollen die drei börsennotierten Unternehmen jedoch keine Angaben machen. Auch, ob die hohe Nachfrage Mietwagen vor Weihnachten teurer werden lässt, wird nicht beantwortet, Unisono-Antwort: Die Preisgestaltung setze sich aus "zahlreichen Faktoren" zusammen (wie Auslastung, Standort und Buchungszeit), sodass sie täglich wechseln – laut dem Europcar-Geschäftsführer seien sie jedoch grundsätzlich vergleichbar mit denen von 2019.
Vor einer schnellen Buchung könnten einige Kunden verständlicherweise zurückschrecken, schließlich gelten gefühlt jeden Tag neue Regelungen zum Thema Weihnachten in den Bundesländern. Immer noch ist mancherorts nicht klar, ob der "Lockdown light" zu den Festtagen bleibt, aufgelockert wird oder doch noch Verschärfungen drohen. Und niemand will dann für ein Auto zahlen, dass er gar nicht mehr braucht.
Um die Kunden dennoch zu Buchungen anzuregen, versprechen Anbieter wie Sixt daher für 2020 "die Flexibilität, bis Ende des Jahres ohne Zusatzkosten jederzeit umbuchen zu können", so Sprecherin Seidlitz. Die Avis-Budget-Group hat festgesetzt, dass Mietwagenbuchungen, die vor dem 15. Dezember beginnen, storniert und voll zurückerstattet werden können, ohne anfallende Gebühren. "So bieten wir unseren Kunden die Möglichkeit, auf spontane Planänderungen zu reagieren", sagt Martin Gruber vom Unternehmen.
Allerdings brauchen die meisten Kunden erst nach dem 15. Dezember ein Auto, viele sogar erst am Tag vor Weihnachten. Wer zu dieser späten Gruppe gehört, sollte seine Stornierung bei Avis und Budget 24 Stunden vor Buchungsbeginn tätigen (vollständige Erstattung), ansonsten fällt ein Betrag von maximal 50 Euro bei Buchungen in Deutschland an.
Nehmen wir also an, der vorbildliche Kunde hat sein Auto für Weihnachten jetzt gebucht und die Regierung bleibt bei ihrem Kurs, den Heiligabend mit der Familie zu ermöglichen: Was kommt jetzt auf mich zu, wenn ich meinen Leihwagen abhole? Ist das alles sicher in Zeiten von Corona?
Ja, betonen zumindest die Verleiher. Alle Fahrzeuge würden zwischen den Kunden professionell gereinigt und desinfiziert, besonders die Oberflächen, die häufig berührt werden (wie Lenkrad und Schaltknüppel). Kunden seien dazu angehalten, sich bei der Nutzung ebenfalls an die Ratschläge der WHO zu halten, wie "sich möglichst nicht ins Gesicht zu fassen, oder die schnelle Entsorgung von benutzten Taschentüchern", erläutert Sixt-Sprecherin Seidlitz. Doch nicht nur im Auto, auch an der Abholstation wird es anders zugehen als sonst. Das solle der Kunde zeitlich einkalkulieren, mahnt Vorndran. Weiterhin sagt er:
Denn die geltenden Abstands- und Hygieneregeln in den Abhol-Stationen umzusetzen und dabei noch aufkommende Nachfragen zum Thema Corona zu bearbeiten, wird voraussichtlich länger dauern als sonst. Wer diese Zeit sparen und außerdem so wenig Menschen wie möglich begegnen möchte, kann in den meisten Fällen auch einen digitalen Check-In nutzen. Nicht nur in Pandemie-Zeiten läge hier die Zukunft, meint Gruber von Avis-Budget: "Dies ist ein großer Schritt hin zur kontaktlosen Miete, die in Anbetracht der aktuellen Entwicklungen unerlässlich ist, damit sich die Kunden sicher fühlen."
Früh buchen, digital einchecken und Schnodder-Taschentücher nicht im Leihauto rumfliegen lassen – selbst der Heimweg wird dieses Jahr anders werden als wir es gewohnt sind. Nur eines bleibt sicher auch dieses Weihnachten beim Alten: Chris Reas Stimme im Autoradio.