Elektronische Zigaretten kannte man früher meist nur von Rauchern, die sie als Mittel dafür benutzten, um mit dem Rauchen aufzuhören. Die sogenannten E-Zigaretten oder Vapes wirken auf den ersten Blick harmlos: Sie funktionieren auf Basis von Wasserdampf, stinken nicht und kommen ohne Zigarettenstummel aus. Immer stärker werden Vapes zum Trend – gerade bei Jugendlichen.
Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZGA) ist unter den 12- bis 25-Jährigen der Anteil derer, die eine E-Zigarette mindestens einmal konsumiert haben, von rund 15 Prozent im Jahr 2012 auf knapp 27 Prozent im Jahr 2021 gestiegen. Beim Konsum von Tabakzigaretten hingegen ist der Trend seit vielen Jahren rückläufig. Schätzungsweise werden fünf Millionen Stück im Monat verkauft.
Politiker debattieren nun ein Verbot der E-Vapes: Nicht nur, weil sich die Lithium-Ionen-Akkus, falsch entsorgt, schnell entzünden können. Sondern auch, weil Lithium eine wertvolle Ressource ist. Deshalb forderte der Bundesrat die Bundesregierung Anfang März 2023 auf, ein europaweites Verbot von Einweg-E-Zigaretten durchzusetzen.
Auf der Suche nach dem "Wieso" wird man schnell fündig. Die schlichten E-Zigaretten haben sich weiterentwickelt zu trendigen Accessoires: Einweg-Vapes sind quietschbunt und lecker. Sie liegen in vielen Kioskregalen direkt neben Süßigkeiten und Kaugummis und locken mit süßen Geschmacksrichtungen wie "Cheese Cake", "Cola", "Lemon Tart" oder "Mango Milk Ice". Trotzdem enthalten sie meistens Tabak.
Diese Einweg E-Zigaretten von Marken wie Elf Bar und Glimp, auch Disposables genannt, enthalten ebenfalls einen Akku, der aber nicht wieder aufgeladen werden kann. Darüber hinaus kosten sie meist nur zwischen sechs bis zehn Euro und enthalten 600 Züge, umgerechnet zwei bis drei Zigarettenschachteln. Disposables sind damit für Jugendliche deutlich günstiger als Zigaretten. Eine Marketingmasche, um vor allem die jüngere Generation als künftige Tabak-Konsumenten zu gewinnen?
Suchtexperte Michael Klein sagt im Gespräch mit watson: "Mit diesen schönen bunten Farben und dem Design, ist das natürlich 'klasse' gemacht, um Kinder und Jugendliche anzusprechen." Er ist Professor für Klinische Psychologie und Suchtforschung an der Katholischen Hochschule in Köln und war Leitender Psychologe vom Deutschen Institut für Sucht- und Präventionsforschung (DISuP). Aus seinem Berufsalltag weiß Klein: Gerade Mädchen seien anfälliger für solche schrillbunte "Geschmacksbomben". Die Vapes würden so konstruiert, damit auch Mädchen eher konsumieren.
Doch was viele nicht wissen: Mögen sie noch so unscheinbar und hübsch daherkommen – viele Elektrozigaretten enthalten ebenfalls Nikotin. "Dann ist es auch egal, ob die Leute rauchen oder dampfen. Das Suchtpotenzial ist im Grunde gleich", sagt Klein. "Das ist quasi das Anfixen, man befördert mit den nikotinhaltigen Geschmackswahrnehmungen den Konsum."
Ebenso wie die gesundheitliche Gefahr, die von nikotinhaltigen E-Zigaretten ausgeht, egal ob aufladbar oder nicht:
Der Psychologe warnt eindringlich vor der Gefahr, Einweg-Vapes zu verharmlosen. Wenn Nikotin enthalten sei, sei die Wirkung laut Klein genauso gefährlich wie bei normalen Zigaretten:
Oft wird davor gewarnt, dass die lustigen, bunten Disposables eine Einstiegsdroge für Zigaretten und andere Drogen sein könnten. Ähnlich wie Anfang der 2000er Jahre die süßen, aber hochprozentigen "Alkopops" wie "Rigo" und "Breezer".
Der Suchexperte Michael Klein warnt jedoch vor voreiligen Schlüssen. Ob Konsumenten von nikotinhaltigen Vapes häufiger zu Rauchern würden, sei noch nicht ausreichend belegt. Schließlich sei das Phänomen noch jung und die empirische Basis dafür noch schwach. Naheliegend sei ein erhöhtes Risiko jedoch schon. Klein sagt:
Offiziell erlaubt sind Einweg E-Zigaretten seit 2016 erst ab 18 Jahren. Jedoch ist es "für Jugendliche letzten Endes kein Problem, da dranzukommen", sagt Klein.
Warnhinweise und -bilder auf den Verpackungen der E-Zigaretten wie bei herkömmlichen Zigaretten würde der Psychologe als Maßnahme begrüßen. "Man sollte es aber etwas geschickter machen als bei den Zigaretten. Das ist dann teilweise zu viel Horror." Jedoch zeigten Studien, dass Warnhinweise durchaus eine abschreckende Wirkung auf unentschlossene Kinder und Jugendlichen haben.
"Aber diejenigen, die psychologisch entschlossen sind, zu konsumieren, die lassen sich davon auch nicht mehr abhalten. Bis hin zu dem Effekt, dass es sie sogar anzieht", erklärt Klein. Mögliche Gefahren durch den Konsum würden einfach verdrängt.
Gegen die Werbung von Influencer:innen, die Vapes auf Social Media Kanälen wie TikTok anpreisen und sie zum Coolness-Faktor machen, kommen dröge Warnhinweise ohnehin nicht an. Diese seien für die Jugendlichen "viel glaubwürdiger", sagt der Psychologe. "Das ist das eigentlich Gefährliche."
Ein Werbeverbot für Tabak und Tabakprodukte wäre zielführender, wie es für Deutschland ab 2023 bereits beschlossen ist. In anderen Ländern gibt es dieses Verbot schon seit Jahren, doch hierzulande ist die Tabaklobby besonders stark und einflussreich. Dabei schätzt Klein ein Werbeverbot als besonders wirksamen Schritt ein:
Ein weiteres Problem des Trends zur Wegwerf-E-Zigarette: Sie sind nicht nur schädlich für Menschen, sondern auch für die Umwelt. Normale E-Zigaretten können mehrere Jahre verwendet werden, doch Einweg E-Zigaretten werden nach dem Leerdampfen weggeworfen. Sie zu recyceln, wäre in Zeiten des Klimawandels wichtiger denn je.
Zwar kann auch ein Zigarettenstummel allein 1000 Liter Grundwasser verschmutzen. Doch E-Zigaretten enthalten neben Akkus, die falsch entsorgt Brände auslösen können, auch giftige Stoffe wie Quecksilber, Cadmium und Blei. Diese Schwermetalle können die Gesundheit von Menschen, Tiere und Pflanzen schädigen und sich in der Nahrungskette sowie in der Umwelt anreichern.
Aufgedampfte E-Zigaretten müssten deshalb eigentlich an einer Sammelstelle abgegeben werden, um Rohstoffe wiederverwerten zu können. Doch tatsächlich zeigen Studien wie aus Großbritannien, dass mehr als jede zweite Vape im Hausmüll landet. Dabei werden die Rohstoffe aus den Lithium-Ionen-Akkus dringend gebraucht, zum Beispiel in der Autoindustrie.
Auch in Deutschland werden jeden Monat hunderttausende der Produkte verkauft. Und zum Großteil weggeschmissen, mitsamt wertvoller Ressourcen.