Vor zwei Jahren eröffneten Max und Tanja Quarz ein kleines Lokal in Düsseldorf, Lunitas. Dort verkaufen sie Empanadas, ein kolumbianisches Streetfood. Für Inhaber Max, der selbst kolumbianische Wurzeln hat, ein langersehnter Kindheitstraum.
Und seine Leidenschaft sollte sich auszahlen. Seit der Eröffnung kamen nach und nach mehr Besucher. Negatives Feedback blieb aus. Zusammengefasst: Es lief.
Und dann kam das Coronavirus.
Als sich das Virus in China ausbreitete, ging der Betrieb hierzulande gewohnt weiter. Auch in der Düsseldorfer Empanada-Bar war die Welt noch in Ordnung. Logisch, je weiter entfernt die Gefahr, desto geringer die Sorge. Lediglich der Winter hinterließ Spuren, wie Inhaberin Tanja Quarz gegenüber watson berichtet:
Dafür hatte sie bereits einen Plan: Events wie Food Festivals, um noch mehr Menschen auf das Restaurant aufmerksam zu machen. Die Standmieten waren bereits gezahlt. Die Hoffnung auf Gewinne groß. Leider sollte es anders kommen.
Denn Anfang März kam es zum rasanten Anstieg der Corona-Fälle in Deutschland. Besonders schwer hatte es Heinsberg erwischt – das ist gerade mal 45 Autominuten von Düsseldorf entfernt. Ein paar Tage später folgten erste Maßnahmen, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Unter anderem wurden Veranstaltungen abgesagt. Tanjas Eventpläne waren damit hinfällig.
Zudem mussten Gastronomen bereits um 18 Uhr dichtmachen. Lediglich der Abhol- und Lieferservice war darüber hinaus erlaubt. "Auch wenn wir geöffnet hatten, war kaum einer da – ein, zwei Kunden, mehr aber auch nicht", sagt Tanja.
Gerade für kleine Restaurants kann diese Situation ein finanzielles Begräbnis sein. Jede Maßnahme, jeder fehlende Kunde, jedes nicht verkaufte Gericht wird zum Spatenstich, der einen Laden langsam in der Versenkung verschwinden lässt.
Ohne diese Unterstützung wäre es kritisch geworden, ergänzt sie. Zudem führte sie zusammen mit ihrem Mann einen Lieferservice ein. Die Idee bestand schon länger. Flyer waren bereits vor der Corona-Krise gedruckt. Allerdings war die Umsetzung noch nicht so klar, weshalb sie zunächst warteten.
Die Entwicklung rund ums Coronavirus war dann der Stoß ins kalte Wasser. Besonders, als die Bundeskanzlerin vergangene Woche verkündete, dass Restaurants nun dauerhaft geschlossen bleiben müssen. Tanja und Max setzen seitdem voll auf ihren Bestellservice.
Das bedeutet allerdings auch zusätzlichen Stress und Arbeit. Ihren einjährigen Sohn können sie nur selten sehen. Der ist meist bei Tanjas Mutter, während sie arbeiten. Sieben Tage die Woche. Denn sie sind auf die Einnahmen angewiesen – auch wenn die Bundesregierung fleißig Hilfspakete schnürt.
Denn die Zwangsschließungen, die Voraussetzung für einen Anspruch auf Unterstützung sind, sind zwar durch. Doch es gibt noch ungeklärte Punkte. "Wir haben acht Angestellte, von denen aber nur eine fest angestellt ist. Der Rest sind studentische Hilfskräfte", erklärt Tanja.
Die Bundesregierung plant mit ihrem "Corona-Schutzschild" Selbstständige und Unternehmen mit fünf bis zehn Beschäftigten mit bis zu 15.000 Euro zu unterstützen. Wer weniger als fünf Beschäftigte hat, erhält maximal 9000 Euro. Ob die Beschäftigten festangestellt sein müssen, ist bisher unklar.
Allerdings sind gerade studentische Hilfskräfte in der Gastronomiebranche keine Seltenheit. Wie auch, wenn der Nachwuchs fehlt? Ob Tanjas Restaurant Platz unter dem "Schutzschild" findet, schwer zu sagen.
Watson fragte das Finanzministerium. Als Antwort folgte ein Link zum Hilfspaket. Die Frage zu den Hilfskräften wird dort aber nicht beantwortet. Im Notfall könnten Unternehmer ihre Angestellten in Kurzarbeit schicken. Lohnkosten und Sozialabgaben würde da die Bundesagentur für Arbeit zahlen. Das kommt für Tanja aber nicht infrage.
Denen könne sie nur schwer erklären, dass sie jetzt nur noch 70 Prozent der vereinbarten Zeit arbeiten. Auch Steuerstundungen oder Kredite sind für sie problematisch. Zwar gibt es Angebote, etwa von der KfW-Förderbank, die beinhalten aber Kredite, die nach der Krise zurückgezahlt werden müssen.
Schwierig daran: Die Ausgaben bleiben auch nach der Krise dieselben. Die Einnahmen müssten also wie durch ein Wunder steigen, um die zusätzliche finanzielle Last durch die Tilgungen zu stemmen.
"Klar, jeder Cent hilft. Leider gibt es auch immer ein Aber. Trotzdem bin ich froh, dass auch kleine Unternehmen zumindest bedacht werden", sagt Tanja.
Dennoch möchte sie zunächst nicht auf die Hilfen zurückgreifen, obwohl sie sich freut, dass sie ihrem Restaurant zustehen. Helfen sollen stattdessen Rücklagen, die sie und ihr Mann angespart haben. Auch wenn man es vermuten mag, normal sind Ersparnisse in ihrer Branche nicht:
Zusammen mit den Einnahmen durch den Lieferservice sollte das vorerst reichen, um alle Kosten, seien es Mieten, Löhne oder auch Lebensmittel zu decken. Ärgerlicherweise war das Geld aber für das weitere Wachstum des Ladens gedacht – etwa für Werbung, neue Möbel oder auch Küchengeräte. Die aktuelle Situation wirft sie wie auch viele andere Läden zurück.
Neben all den Sorgen, die aktuell viele Menschen umtreiben dürften, sorgt sich Tanja besonders darum, dass die Welt nach der Krise eine andere ist. "Ich habe Angst, dass die Menschen nach allem viel ängstlicher sind, nicht mehr viel rausgehen und Veranstaltungen meiden", sagt sie.
Denn das wäre für viele Unternehmen, ihres eingeschlossen, fatal. Deshalb setzt sie auf das Durchhaltevermögen von Gastronomen, aber auch Dienstleistern. "Ich möchte nicht, dass der Schuster, der gegenüber seit 20 Jahren seinen Laden hat, plötzlich schließen muss."
Deshalb hofft sie.
Sie hofft, dass diese ganzen kleinen Läden, ob Gastronom oder Dienstleister, durchhalten. Sie hofft, dass sie den Willen haben zu kämpfen. Sie hofft, dass nicht der Mechatroniker oder der kleine Bäcker verschwinden und am Ende der Krise nur noch große Unternehmen bleiben.