Nach zehn Jahren ohne Sport: Mein erstes Mal im Fitness-Studio
Ich habe Sport gemacht. Was bei einigen gerade mal für die Beschreibung eines unspektakulären Donnerstagabends ausreicht, ist für mich eine derartige Sensation, dass ich, in Ermangelung eines Tagebuchs, einen Artikel darüber schreibe. Nach zehn Jahren Sportpause ist dieser Wandel auch spektakulär genug.
Ob ein selbsternannter Sportmuffel, der noch nie ein Gym von innen gesehen hat, daran Spaß empfinden kann, habe ich im Selbstexperiment herausgefunden.
Die sportlichen Höhepunkte meiner Kindheit
Dass ich wohl niemals von Adidas gesponsert werde, war meinen Eltern schon früh klar. Mit meiner Kinder-Tanzgruppe präsentierte ich mehrmals im Jahr stolz den Benjamin-Blümchen-Tanz, das Publikum bestand in der Regel allein aus Blutsverwandten.
Bis meine Tanzlehrerin entschied, dass die Gruppe in "talentierte" und "weniger talentierte" Kinder eingeteilt wird. In welchem Team ich im zarten Alter von sieben Jahren landete, dürfte bereits klar sein.
Meine Mutter, revolutionäre Ikone, die sie war und ist, stiftete die Eltern aller Kinder an, die Tanzschule zu verlassen. Sie hatte Erfolg. Der Grund dafür war ihre mütterliche Fürsorge und vielleicht auch die Tatsache, dass sie sich eine 21. Aufführung des Benjamin-Blümchen-Tanzes ersparen wollte.
In den darauffolgenden Jahren sammelte ich ausschließlich Teilnahmeurkunden bei den Bundesjugendspielen, die ich bis heute als unerwähnte elfte biblische Plage bezeichne.
Schon in der fünften Klasse war mein Engagement im Sportunterricht so wenig ausgeprägt, dass mein Lehrer am Jahresende bei der Notenverlesung fragte, wer diese "Lena" sei. Er hatte mich, aufgrund eines Insiders mit meinen Freundinnen, unter Mechthild abgespeichert.
Der Typ, der auch in der achten Schulstunde noch so tat, als würde gerade nichts Geringeres als der Sieg im WM-Finale auf dem Spiel stehen, konnte in mir ebenfalls keine Begeisterung auslösen, und die Tatsache, dass ich immer als eine der Letzten ins Team gewählt wurde, tat ihr Übriges.
Skinny Tok hat die Body Positivity besiegt
Nach den Strapazen des Sportunterrichts brauchte ich ein paar Jahre, um mich zu erholen. Klar, in der Corona-Zeit habe auch ich die Pamela-Reif-Homeworkouts getestet.
Fazit: Nach drei Minuten eines "20 Minutes Beginner Workouts" wie ein umgefallener Käfer auf dem Boden zu liegen, ist entwürdigend.
Und dann kam Skinny Tok. Die Tatsache, dass dünne Körper wieder in Mode sind, ist mir bewusst. Dass mich Social Media beeinflusst und sich mein Körper in den letzten Jahren kaum verändert hat, ist mir ebenfalls klar.
Und trotzdem bin ich plötzlich unzufrieden mit dem, was ich im Spiegel sehe.
Ein ganzer Sommer Vorbereitung für den Gang zum Sport
Ich wollte etwas ändern. Nein, der Text geht ab jetzt nicht in die Richtung, dass ich Instagram gelöscht habe und seitdem zufrieden bin, das wäre zu schön.
Natürlich fange ich bei Temperaturen von über 30 Grad nicht an, mich freiwillig zwischen verschwitzten Menschen zu bewegen, da habe ich zu viele Ausreden. Also dachte ich einen Sommer lang: "Im September fange ich an". Und dann kam der September. So ein Mist.
Sport als Safe Space ohne Bewertung
Nach ein paar Kommentaren auf der ach so verhassten Social-Media-App wurde mir bewusst, dass für mich nur ein Frauen-Studio infrage kommt.
Die Beiträge, die ich online lese, ob Frauen eigentlich Leggings tragen "dürfen" (das könnte ja die Männer ablenken) oder lieber im Schlabberlook auftreten sollen (die können sich ja mal ein bisschen hübsch machen) haben mir schon gereicht.
Und praktischerweise habe ich ein Sportstudio nur für Frauen schon vor der Haustür, das Schicksal hat es wohl so gewollt.
Die passende Hose ersetzt körperliche Betätigung
Am letztmöglichen Tag, an dem ich noch von einem wirklich günstigen Sonderangebot des Studios profitieren konnte, meldete ich mich um 17 Uhr an, bis 18 Uhr war die Registrierung möglich.
Vor Ort musste ich feststellen, dass meine journalistischen Fähigkeiten im Alltag nicht anschlugen. Statt Steppern und schweren Metallscheiben sah ich kleine Hanteln und freundlich assistierende Trainerinnen.
Offenbar gibt es einen Unterschied zwischen einem Fitnessstudio und einem Sportklub.
An einem Mittwoch sollte es losgehen, mittelmäßig motiviert zog ich zu Hause die Sporthose an, die doch etwas figurformender war, als ich das in Erinnerung hatte. Nach einer kurzen Überlegung, das Training wegzulassen und das Geld stattdessen in weitere Exemplare dieses fantastischen Kleidungsstückes zu stecken, entschied ich mich, meine (in dieser Hose wohlgeformten) Pobacken zusammenzukneifen und loszugehen. Der Beitrag wurde schließlich schon abgebucht.
Eine gute Trainerin macht zehn schlechte Sportlehrer wett
Dass Menschen, die Sport unterrichten, so nett sein können, war ein kleiner Schock. Ich wurde von einer Trainerin empfangen, die meinen Körper genau analysierte und mir bei allen Werten mitteilte, wie normal und gesund ich sei.
Auch beim Training ließ ihr Strahlen nicht nach, ich wurde bejubelt, dass ich eine 3-Kilo-Hantel hochheben kann. Ich möchte nicht angeben, aber auch mein Gleichgewichtssinn ist offenbar fantastisch.
Das Beste daran: Je länger das Training ging, desto mehr Spaß hatte ich daran. Jubel und gutes Zureden funktionieren bei mir wohl besser als Benotung und Ballsport im Team.
Der Tag nach dem Gym
Nach einem Training habe ich erstaunlicherweise nicht fünf Kilo abgenommen. Aber das ist mir auch egal. Selbst wenn sich mein Körper ab jetzt kein Stück verändert, weiß ich immerhin: Es ist nicht meine Schuld.
Seht her, ich treibe Sport, wenn das nichts bringt, kann ich jede Unzufriedenheit guten Gewissens auf die Veranlagung schieben – vorausgesetzt, ich ziehe das regelmäßig durch.
Heute Morgen war ich noch fit und motiviert, aber langsam breiten sich die Schmerzen aus, die mir von sportlicheren Kolleg:innen bereits prognostiziert wurden. Soll das der Dank dafür sein, dass ich meinem Körper etwas Gutes getan habe?! Hatte ich als Teenagerin mit meiner "Sport ist Mord"-Attitüde doch recht?
Nein, jetzt gibt es kein Zurück mehr, der nächste Termin ist schon gebucht. Außerdem wäre das Geldverschwendung und die fantastische Hose habe ich auch extra gekauft. Ich brauche einfach die passende Gelegenheit, die noch mal anzuziehen – scheiß auf die Schmerzen.