Ich hasse Vorsätze. Als ob man sich als erwachsener Mensch nur zum Jahreswechsel vornehmen könnte, Dinge anders zu machen.
Für watson mache ich dennoch eine Ausnahme. Weil meine Kolumne jeden vierten Montag erscheint und der nächste Text exakt am 1. Januar live geht. Daher: Frohes Neues!
Zum neuen Jahr gibt's die Vorsätze des Chefredakteurs für 2024.
Ja, ich arbeite mehr als 40 Stunden pro Woche. Weil ich gleichzeitig versuche, am Wochenende möglichst wenig machen zu müssen, um gebündelt auch Zeit fürs Privatleben zu haben, sind meine Tage unter der Woche oft sehr lang.
Für meine Kolleg:innen bedeutet das: Ich beantworte E-Mails auch noch um 22 Uhr, ich schicke auch mal kurz vor Mitternacht eine Slack-Nachricht. Das bedeutet nicht, dass ich sofort eine Antwort erwarte.
Dennoch antworten mir zu viele Kolleg:innen noch abends, weshalb ich dann ein schlechtes Gewissen habe. Weil ich's aber zeitlich nicht packe, nicht auch mal länger zu arbeiten, muss ich sie auffordern, Slack-Nachrichten am Abend stummzuschalten.
Oft erhalten wir bei watson Lob für das, was wir tun. Weil wir News für junge Menschen machen, weil wir mehr Wert auf Gleichberechtigung legen, weil wir mutig sind, weil wir Dinge anders angehen als etablierte Portale mit anderen Zielgruppen. Das freut uns sehr!
Was wir aber noch besser machen können: Werbung in eigener Sache. Damit das bei noch mehr Menschen da draußen ankommt. Daher fange ich heute damit an: Ladet unsere App runter, folgt uns auf Insta und Tiktok, abonniert unseren Whatsapp-Channel. Und empfehlt uns gerne euren Freund:innen. Wir versprechen: Unser junges Team tut jeden Tag sein Bestes, um euch zu informieren. Ohne Bezahlschranke. Jeder App-Download und jedes Like ist für uns Lohn für unsere Arbeit.
Ich habe, gemeinsam mit meiner Stellvertreterin Ronja Brier, 2023 drei Kolleginnen und einen Rückkehrer zu Teamleiter:innen befördert. (Grüße an Josephine Andreoli, Jana Buch, Paul Seiler und Jennifer Ullrich – mehr über sie erfährst du hier.)
Sie alle haben in ihren ersten Monaten hervorragende Arbeit geleistet. Es waren die absolut richtigen Entscheidungen, weil sie schnell flügge geworden sind. (Ich wollte schon lange mal einen Boomer-Satz wie diesen auf watson unterbringen.)
Nun ist es mein Job, noch mehr loszulassen. Denn ich weiß: Die beste Leistung als Führungskraft in der mittleren Managementebene habe ich selbst gebracht, als meine Chef:innen mich haben machen lassen, gleichzeitig aber immer ein offenes Ohr hatten, wenn es Probleme, Sorgen oder Fragen gab.
Uneigennützig ist dieser Vorsatz nicht. Je mutiger und eigenständiger meine Führungskräfte sind, desto besser werden wir als Team; desto mehr entwickeln sie sich selbst weiter; und desto mehr habe ich auf lange Sicht Zeit, mich um andere Dinge zu kümmern.
Corona, Ukraine, Klimakatastrophe, Israel. Die Welt nervt. Das können wir bei watson nicht ausblenden. Was wir aber tun wollen, ist, auch Zerstreuung zu bieten. Das machen wir mit Unterhaltungs- und Sporttexten schon ziemlich konsequent. Allerdings schaffen wir es nicht, mehr Gute-Laune-Stücke auf die Seite zu bringen.
2024 werden wir das ändern. Immer, wenn User:innen auf watson.de gehen, sollen sie in Zukunft unter den ersten fünf, sechs Themen Content finden, der für ein Grinsen oder ein wenig Ablenkung sorgt. Ein Quiz, Memes, Fails, was auch immer. Damit legen wir los. Ab sofort. Denn auch das ist Journalismus für junge Menschen.
Die Rechnung ist oft einfach: Wenn ich auf die Mittagspause verzichte und mir nur schnell ein belegtes Brötchen hole, spare ich Zeit – und kann abends ein wenig pünktlicher Schluss machen.
Da ich in meiner Position zudem oft zum Lunch verabredet bin, verpasse ich ziemlich oft das gemeinsame Mittagessen des Teams. Das will ich wieder ändern, denn 2022 ist mir das besser gelungen als 2023. In der Redaktionsküche, ganz ohne Gerede über die Arbeit, bekommt man am besten ein Gespür dafür, was die Kolleg:innen im Leben so beschäftigt. Und sie erfahren hin und wieder auch mal mehr über den Chef als seine berufliche Sicht auf die Dinge.
Wir sind bei watson schon ziemlich schlank und effizient aufgestellt, weil wir intensiv an unseren Workflows gearbeitet haben. Dennoch können wir noch mehr Termine streichen, weniger Menschen ins gleiche Meeting schicken oder Jour Fixes nur alle vier statt alle zwei Wochen veranstalten.
Im Oktober hatten wir Redaktionskonferenz. Und bis auf eine erkältete Kollegin waren ausnahmslos alle Berliner Kolleg:innen im Büro. Und zwar freiwillig. Ganz ohne Ansage.
Es war, seien wir ehrlich, einer der unproduktivsten Tage der vergangenen Monate. Weil sich sehr viele Menschen sehr viel zu erzählen hatten. Was wiederum Gold wert ist fürs Teamgefüge.
Ich hoffe, dass wir das 2024 noch regelmäßiger hinbekommen. Es gibt bei uns keine grundsätzliche Ansage, an welchen Tagen man im Homeoffice sein darf und wann nicht. Das wird sich auch nicht ändern. Aber ich hoffe, wir bekommen mehr Tage hin, an denen alle im Büro sind, weil's meinem jungen und bunten Team einfach gut tut.
Twitter war ein Jahrzehnt lang DAS Tool für Journalist:innen. Doch Twitter ist tot. Und X das kaputteste Etwas, das sich jemals Social Media nannte. Elon Musks Gehabe ist an Dummheit nicht zu überbieten, zudem wird X mehr und mehr ein unkontrollierbares Fake-News- und Hatespeech-Angebot, (Und das war schon zu Twitterzeiten oft schwierig.)
Deshalb sind alle Redaktionen gut beraten, sich von X zu verabschieden und alternative Workflows zu entwickeln. Auch wir.
Wir haben im Herbst unseren Newsroom umgebaut, einen neuen Newsdesk gestaltet und unseren (Video-)Konferenzbereich verlegt. Nun klafft da eine Lücke an der Wand, an der ein Sofa stehen könnte. Ach, was: stehen muss. Für 2024 nehme ich mir daher vor, herauszufinden, wer mir im Büro das Budget für ein Sofa freigibt. (Noch nicht entschieden habe ich, ob ich dem Wunsch eines Kollegen nachkomme, dass es ein Schlafsofa sein sollte.)
Nicht alle Kolleg:innen müssen sich dafür interessieren, was man als Chefredakteur:in so zu tun hat. Sie sind Journalist:innen, wollen recherchieren und schreiben und vom Rest nichts wissen.
Doch ich merke immer wieder, dass einige Kolleg:innen neugierig nachfragen, was ich als Chef so zu tun habe. Budgetplanung, Gespräche mit HR, Kontakt zur Vermarktung, Traffic-Konzepte, Strategieplanung, Calls mit unseren Freund:innen von watson.ch, Bewerbungsgespräche, Talentsichtung, Weiterbildung, juristische Themen – die Liste ist lang.
Ich möchte daher eine Praktikumswoche beim Chef einführen. Für alle, die selbst darüber nachdenken, mehr und mehr Führungsverantwortung zu übernehmen. Oder einfach verstehen wollen, was neben der journalistischen Arbeit zu tun ist, um ein Nachrichtenportal ohne Bezahlschranke organisatorisch, konzeptionell und finanziell am Laufen zu halten.