Fast jeder Single nutzt Tinder, OkCupid oder ähnliches. Auch auf meinem Smartphone finden sich Dating-Apps in regelmäßigen Abständen immer wieder. Nur, um sie kurze Zeit später wieder zu löschen. Mein Mama-Dasein ist nicht unschuldig daran.
Dabei habe ich es ehrlich versucht. In einsamen oder langweiligen Momenten, abends auf der Couch oder auch gemeinsam mit Freund:innen. Es gab viele Situationen, in denen ich mal mehr und mal weniger ambitioniert meine Swipe-Sessions startete. Wenn der Kleine im Bett ist, tritt die Einsamkeit aber natürlich stärker in den Vordergrund.
Da kommen Tinder & Co ins Spiel. Schließlich sind Online-Dating-Apps besonders für Eltern praktisch: Um jemanden kennenzulernen, brauche ich erstmal keine Betreuung zu organisieren, sondern kann das ganz entspannt von zu Hause aus machen. Klingt doch perfekt. Aber: Mein Verhältnis zu Dating-Apps ist und bleibt ambivalent.
Dabei mangelt es an Angeboten grundsätzlich nicht. Besonders in Großstädten, wie hier in Berlin, kann man gar nicht alle durchswipen. Millionen Menschen nutzen die App.
Viel Auswahl, viele Chancen. Oder nicht?
Falsch gedacht. Irgendwie endet die Tinder-Nutzung bei mir immer gleich. Nämlich mit dem baldigen Schließen der App und der anschließenden Deaktivierung meiner Sichtbarkeit. Ist doch sinnlos, denke ich dann.
Da frage ich mich, ob ich die einzige bin, die im Online-Dating-Leben super picky wird und Männer begutachtet, als müssten sie perfekt sein. Wobei zu viel Perfektion natürlich auch wieder ein Grund ist, um jemanden auszusortieren ...
Egal, wie motiviert ich bin, dem Ganzen nochmal eine Chance zu geben: Da strahlt mir ein für die allermeisten wohl top aussehender Mann mit sympathischem Lächeln entgegen. Swipe nach links: zu perfekt. Dem laufen bestimmt viel zu viele Frauen hinterher.
Der Nächste wirkt sympathisch, wie ein ganz normaler Mann eben. Der würde an meiner Seite bestimmt toll aussehen und der kann sicher auch gut mit Kindern ... Aber irgendwie stört mich sein Outfit auf einem nächsten Bild. Doch zu brav.
Next.
Der Nächste hat viele Ego-Posen drauf, zeigt seinen Sixpack und steht vor einem Spiegel. Das wandelnde Klischee, bloß nicht.
Next.
Bin ich zu oberflächlich?
Der Nächste ist anscheinend Papa, hat ein Foto mit seinem Kind drin, sieht gut aus und hat seine Tochter auf dem Bild gut verpixelt. Klingt erstmal vielversprechend. Aber: Sieht er nicht doch etwas zu alt für mich aus? Weg.
Das ist wohl eines der Probleme, die ich beim Swipen und Daten als junge Mutter allgemein habe. Ich kenne wenige, die wie ich in ihren frühen Zwanzigern bereits Nachwuchs bekommen haben.
Wer in der gleichen Situation steckt, weiß: Das ist in Sachen Liebe manchmal echt ein Problem. Die meisten Männer in meinem Alter haben entweder keine Kinder oder eben sehr kleine. Irgendwie kann ich es mir einfach nicht vorstellen, einen Partner ins Leben zu holen, der in einer ganz anderen Phase steckt, als ich selbst. Schließlich gehören Windelwechseln und Kinderwagen-Spaziergänge für mich als Mama mit einem Schulkind längst der Vergangenheit an. Das soll auch so bleiben.
Meine Zeit ist kostbar, mein Leben vollgestopft und gut organisiert zwischen Arbeit, Kind und Zeit mit Freund:innen. Ich genieße es wirklich, seit ich wieder Single bin.
So sehr, dass es mir kaum jemand wert ist, ihn nach dem Online-Kontakt offline besser kennenlernen zu wollen. Ich habe einfach keine Lust mehr, mit jemandem ein paar Wochen oder Monate zu verschwenden. Wenn mir denn beim Swipen mal jemand wirklich gefällt, tritt meistens ein anderes Problem zutage: mein Mutter-Status an sich.
Für Mamas in meinem Alter ist es allgemein nicht einfach, auf Tinder ernsthaft jemanden fernab von One-Night-Stands besser kennenzulernen. Ganz anders sähe es aus, wenn ich Interesse an reinen Bettgeschichten hätte. Dafür könnte ich mich einfach mit einem gut aussehenden Typen treffen und Spaß haben. Auswahl gibt es dafür schließlich genug. Freiwillige ebenso.
Manchmal wünschte ich, ich wäre da auch lockerer. Bin ich aber nun mal nicht. Ich komme gut allein zurecht, habe gar keine Sehnsucht nach Sex, wenn ich nicht verliebt bin. Aber: Verliebt zu sein, ist echt schön.
Auf der Suche nach etwas Langfristigem grenzt sich die Auswahl beim Online-Dating deutlich ein. Immer wieder stelle ich mir etwa die Frage, wann und wie ich mein Kind erwähne. Für die meisten Männer, die auf der Suche nach einem Partner in Crime sind, kommen Frauen mit Nachwuchs eher nicht infrage. Das merke ich daran, dass das Interesse trotz anfänglicher Begeisterung schwindet, sobald ich meinen Mutter-Status erwähne.
Oder daran, dass plötzlich das rein sexuelle Interesse in den Vordergrund tritt. Gut zu erkennen an Fragen wie "Wie? Du warst im Bett und das ohne mich?" oder eindeutigen Komplimenten wie "Nackt würdest du bestimmt noch heißer aussehen."
Da nützt auch das Mutter-Kind-Emoji im Profil nichts. Die meisten gucken sich das nämlich offenbar nicht besonders gut an. Wie sonst kann es sein, dass jemand nach zwei Tagen im Chat super überrascht ist, wenn ich von meinem Nachwuchs erzähle?
Oberflächlichkeit scheint auf Tinder für viele ganz normal zu sein. Mein einziges Tinder-Date vergangenes Jahr endete mit einem Kuss unter dem Regenschirm. Klingt romantisch, aber: Er war aber echt schlecht. So richtig schlecht. Endlich wieder zu Hause, habe ich mir also geschworen, das mit dem Tindern lieber sein zu lassen. Meine Zeit ist mir schlicht zu schade dafür. Mal wieder.
Ich bevorzuge es, Männer im echten Leben kennenzulernen, ganz natürlich, ganz langsam, am besten durch den Freundeskreis. Die lernen mich dann auch als diejenige kennen, die ich wirklich bin: Nämlich eine – wie ich finde – wirklich coole Frau, die mit Lust durchs Leben geht. Dass mein Herz zum Teil schon einem kleinen Menschen gehört, stört diese Männer meistens gar nicht. Weil sie mich wahrnehmen. Weil wir sofort sehen, ob die Chemie stimmt.
Das ist viel aussagekräftiger als ein paar Fotos und ein paar Chat-Nachrichten. Und mehr als die Schublade "Mama". Vielleicht habe ich deshalb Tinder seit Wochen nicht mehr angerührt. Aber man weiß ja nie, wann die nächste Swipe-Session kommt.