Sie nahm ihre Community auf Tiktok live mit zu ihrer geschlechtsangleichenden Operation und erlebte inzwischen auch ihr "erstes Mal als Frau": Katherine Leyla Wascher ist 26 Jahre alt, Pflegefachkraft-Azubi – und trans*.
Bei solchen Operationen wird durch einen Schnitt ein neovaginaler Eingang geschaffen, in dem eine Vagina durch die nach innen gestülpte Penishaut geformt wird. Die Orgasmusfähigkeit bleibt erhalten, die Eichel wird (in verkleinerter Version) zur neuen Klitoris.
Zum Pride Month berichtet die Influencerin aus NRW bei watson, wie angsteinflößend ein solcher Eingriff ist und warum es für sie dennoch kein Zurück gab.
Für mich war die Geschlechtsangleichung der letzte Schritt, um wirklich eine Frau zu sein. Jede:r definiert Frau-Sein anders und ich würde niemals Weiblichkeit aberkennen, nur weil sich jemand gegen diese Operation entscheidet. Für mich war aber immer klar: wenn ich diesen Weg einschlage, dann ganz.
Angst hatte ich trotzdem. Jede Menge sogar. "Was, wenn du diese Entscheidung bereust?", fragten viele. Für mich war das absurd, denn ich gehe diesen Weg entgegen aller Widerstände seit 16 Jahren – ich bin mir mehr als sicher, dass ich trans* bin.
Dennoch: der Abend vor der OP war krass. Ich lag da in der Stille im Krankenhaus und meine Gedanken rasten: "Wie wird das morgen laufen? Wird das wehtun?" Da war Vorfreude, Aufregung, Unsicherheit. Alles.
Ich erinnerte mich plötzlich dran, wie ich als Elfjährige das erste Mal mit dem Wunsch auf Hormontherapie beim Arzt im Wartezimmer saß und mich fragte: "Ob sich das alles lohnt? Werde ich irgendwann eine 'fertige' Frau?"
Dieses Bild kam mir plötzlich. Die Erinnerung an das Kind, was ich einst war und alles, was ich seitdem schon erlitten hatte, nur um an diesen Punkt, in dieses Krankenhausbett zu kommen.
Denn so eine OP wird nicht mal eben genehmigt...
Zuerst einmal muss man die Hormontherapie starten. Um die zu bekommen, musste ich als Jugendliche zwei voneinander unabhängigen Gutachtern "beweisen", dass ich mich weiblich fühlte, zwei Jahre lang.
Darauf folgte die Namensänderung. Auch hier mussten zwei weitere, voneinander unabhängige Psycholog:innen ein Gutachten für das Gericht verfassen. Über die Jahre musste ich mich erklären, erklären und nochmal erklären. Das ist extrem ermüdend.
Nach der Hormontherapie und der Namensänderung fehlte für mich nun noch die Operation. Dafür musste ich einen gigantischen Antrag bei der Krankenkasse einreichen: Berichte von Endokrinologen (Anm. der Red.: Endokrinologie = Hormonkunde), psychologische Gutachten und behördliche Dokumente, alles Mögliche.
Besonders wichtig auch hier: du musst deine gesamte Geschichte offenlegen, von null bis heute. Erneut! Wann du gemerkt hast, dass du trans* bist, gute und schlechte Erlebnisse, die Familienverhältnisse, alles wird geprüft durch die MDK (Anm. der Red. Medizinischer Dienst der Krankenversicherung). Mein "trans-Lebenslauf" umfasste rund 25 Seiten.
Dann begann das große Warten. Zuerst das Warten auf die Genehmigung der Krankenkasse. Im Anschluss das Warten auf einen OP-Termin, was zwei, drei Jahre dauern kann. Es war nervenaufreibend. Doch dann die Nachricht: am 22. August 2023 sollte ich operiert werden. Pures Glück!
Die OP selbst hat fünf Stunden gedauert, länger als gewöhnlich, weil ich sehr viel Blut verlor, aber ansonsten verlief alles gut.
Ob ich Angst hatte? Natürlich. Mehr als einmal schoss mir der Gedanke in den Kopf: "Was, wenn du jetzt auf diesem OP-Tisch stirbst?" Ich war 25 Jahre alt. Ich hatte mich so durchgekämpft in diesem Leben; das alles zu riskieren, kam mir in Panik-Momenten wie Wahnsinn vor.
Ich konnte mir zwar nicht vorstellen, wie ich diese Operation durchstehen sollte. Aber ich konnte mir noch viel weniger vorstellen, auf diese Operation zu verzichten.
"Wenn ich dabei sterbe, dann wenigstens als Frau", dieser Gedanke war plötzlich glasklar. Er trug mich durch den gesamten Eingriff.
Als ich wach wurde, war ich richtig verschallert, voll auf Morphin. Aber dieses langsame Wachwerden, Schritt für Schritt zu begreifen, dass es überstanden ist – das war sehr intensiv.
Ich tastete in meinen Intimbereich und spürte eine enorme Erleichterung. Es war, als wäre die schwere Last auf der Seele, die ich all die Jahre mit mir herumgeschleppt hatte, gleich mit wegoperiert worden.
Es hat sich alles richtig angefühlt, zum ersten Mal. Ich konnte es gar nicht fassen, habe dagelegen und mich wie ein Kind an Weihnachten gefühlt, glückselig. Besser noch! Ich hatte das Gefühl, endlich angekommen zu sein.
Nach wenigen Tagen konnte ich die Krankenhausflure auf und ab laufen. Schmerzen hatte ich keine, ich fand nur das Drumherum störend, den Katheter, die Drainage und den Riesentampon in meiner neuen Vagina.
Eine OP ist kein Kinderspiel, aber das Gefühl, am Ende nackt vor dem Spiegel stehen zu können und alles "stimmt", ist unbeschreiblich. Besonders für Menschen, die derart lange mit sich hadern mussten.
In einem weiteren Eingriff wurde das Ergebnis noch verfeinert, nun bin ich rundum zufrieden. Ich finde mein neues Genital wunderschön, um ehrlich zu sein.
Die Operation hat mir geholfen, mich zu akzeptieren. Sie hat auch verändert, wie mich Menschen wahrnehmen, zum Beispiel beim Dating. Vor der OP war ich für viele dieses dritte Geschlecht, ein Mensch mit weiblichen Attributen, aber einem männlichen Genital – ein Fetisch.
Es gab Männer, die gerade deshalb mit mir als Transfrau schlafen wollten, weil ich noch einen Penis hatte. Aber nun werde ich als Frau angesehen, eine mit Vagina.
"Du nimmst dir das Besondere", warnten mich einige der Typen vor der OP eindringlich. Ich lebe aber nicht, um ihre Fantasien zu bedienen. Heute lerne ich nur noch Männer kennen, die mich als Frau wollen, wie ich mich selbst sehe. Für die ich ein Mensch und kein Fetisch bin.
Das erste Mal Sex "als Frau" war interessant. Ich habe das ganze Bett voll geblutet, aber es war schmerzfrei. Ich habe nur einen Witz gemacht, à la: "Jetzt hast du mich tatsächlich entjungfert."
Mit meinem weiblichen Geschlecht geht fast alles. Ich kann feucht werden, Oralverkehr genießen, ich kann zum Höhepunkt kommen. Ich habe Orgasmen, die sind krasser als früher. Vielleicht auch, weil ich richtig loslassen kann jetzt. Ich habe meinen Körper neu entdeckt.
Vor der OP hatte ich beim Sex immer einen Slip an. Ständig schaute ich: Sitzt alles richtig? Die Haut wurde zuweilen eingeklemmt, das schmerzte.
Auch der Verzicht aufs Schwimmbad, aus Panik, dass das Geschlecht sichtbar sein könnte – diese ganzen Einschränkungen bin ich jetzt los. Das fühlt sich wahnsinnig frei an. Die Wahl meiner Hobbys und meiner Kleidung, das alles muss mich jetzt nicht mehr belasten.
Es war mir wichtig, den ganzen Weg auch auf Social Media zu zeigen, weil ich mir selbst damals gewünscht hätte, derartige Einblicke im Vorfeld gehabt zu haben. Klar ist das alles sehr intim, aber die Menschen müssen doch wissen, was auf sie zukommt.
Ich möchte Ängste nehmen. Es ist ein steiniger Weg bis zur OP, aber man kann ihn gehen, Schritt für Schritt. Das will ich anderen sagen. Das hätte ich auch gerne der 11-jährigen Katherine im Wartezimmer gesagt. Nämlich: "Es wird anstrengend, klar. Aber irgendwann bist du eine 'fertige' Frau, wie du es dir erträumst." Es hat sich alles gelohnt.