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Sebastian Fitzek: Bestsellerautor spricht offen über Misserfolge

Sebastian Fitzek ist einer der erfolgreichsten deutschen Schriftsteller.
Sebastian Fitzek ist einer der erfolgreichsten deutschen Schriftsteller. Bild: www.imago-images.de / imago images
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15 Verlage gefragt, keiner wollte sein Buch: Autor Sebastian Fitzek über Misserfolge

29.09.2022, 08:2029.09.2022, 16:40
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Sebastian Fitzek dürfte in Deutschland wohl selbst denen ein Begriff sein, die nicht gerne lesen. Der 50-jährige Berliner ist einer der bekanntesten Thriller-Autoren des Landes. Seine Neuerscheinungen landen regelmäßig auf den Bestsellerlisten.

Aber auch Fitzek musste erst einmal seinen eigenen Weg finden. Wie das gerade in jungen Jahren geht, berichtet er in einem Talk bei den Inspiration Days 2022 am Mittwoch, dem 28. September um 13 Uhr. Die Inspiration Days sind ein digitales Berufsorientierungsevent des Start-ups teech, das bis zum 30. September läuft – ein Interview mit den Organisatoren liest du hier.

Was es braucht, um einen Roman zu schreiben und warum man vorher so viel wie möglich erleben sollte, berichtet Sebastian Fitzek im Interview mit watson.

watson: Herr Fitzek, haben Sie schon als Kind so blutrünstige Aufsätze geschrieben?

Sebastian Fitzek: Ehrlich gesagt, ich glaube nicht. Zumindest wurden meine Eltern nie in die Kita oder die Schule bestellt, im Gegensatz zu mir. Ich wurde schon mal einbestellt, weil mein Jüngster bei dem Spiel "Was bin ich" den Augensammler nachahmen wollte. Er hatte den Buchtitel von mir gehört und fand das ganz lustig. Und die im Kindergarten wollten sichergehen, dass meine Bücher nicht von meinen Kindern gelesen werden.

Wann war der Moment, in dem Sie dachten: Jetzt schreibe ich mein eigenes Buch?

Wann immer ich ein gutes Buch zugeklappt habe – wie die "Fünf Freunde" von Enid Blyton, "Die unendliche Geschichte" von Michael Ende, die Stephen-King-Romane oder auch ganze Justiz-Thriller. Ich habe immer überlegt: Mensch, steckt in dir eine Geschichte, ähnlich wie die, die du gerade gelesen hast? Aber mir fiel vor 2000 keine ein. Das war dann tatsächlich, als ich beim Arzt saß. Langeweile ist ja immer ein guter Motor. Ich wartete darauf, dass meine damalige Freundin aus dem Behandlungszimmer kommt. Und ich dachte: Was ist eigentlich, wenn sie nie wieder herauskommt? Was ist, wenn mir alle weismachen, sie wäre gar nicht erst hineingegangen? Das wurde die Ausgangssituation meines Buches "Die Therapie".

"Ich habe 15 Verlage angeschrieben, zwölf haben abgesagt und drei haben sich bis heute nicht gemeldet."

Aktuell erscheint fast jedes Jahr ein neues Buch von Ihnen. Woher kommen jetzt die ganzen Ideen?

Bevor man sein Debüt schreibt, hat man zuerst einmal Ehrfurcht vor so vielen Seiten. Zumindest war es bei mir so. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das überhaupt schaffe. Das war für mich so unvorstellbar, wie einen Marathon zu laufen. Aber wenn man einmal gelaufen ist und merkt, das steckt tatsächlich in einem, dann gibt es Leute, die Blut geleckt haben und die jedes Jahr in Berlin oder sogar in New York Marathon laufen. Und so ist das auch beim Schreiben.

Sie dachten also anfangs gar nicht, dass Sie ein Buch schreiben können?

Es war eine totale Überraschung, dass ich es wirklich schaffe, eine Geschichte über mehrere 100 Seiten zu erzählen. Ich habe mich mit vielen anderen Autorinnen und Autoren unterhalten und alle haben aus ihrer Anfangszeit Leichen auf der Festplatte. Im übertragenen Sinne natürlich. Oft fängt man eine Geschichte an und weiß irgendwann nicht mehr, worauf man hinauswill und hört auf. Das ist bei mir nicht mehr so, weil bei mir kein anderes Berufsleben mehr dazwischenfunkt. Ich habe das große Glück, dass ich täglich schreiben kann. Die Hemmschwelle ist gefallen, weil ich gemerkt habe: Ich schaffe das. Die guten Ideen waren ja schon vorher da. Aber ich hatte nicht immer die Zeit, sie zu realisieren. Bei "Die Therapie" kam alles zusammen: Es fiel in einen günstigen Moment, zu dem ich viel unterwegs war und in Zügen und Hotelzimmern schreiben konnte.

Also wurde Ihr erstes Buch direkt veröffentlicht oder gab es unveröffentlichte Vorgänger?

Im Jahr 2000 habe ich angefangen zu schreiben. 2002 war das Buch fertig. Ich habe 15 Verlage angeschrieben, zwölf haben abgesagt und drei haben sich bis heute nicht gemeldet. Ich dachte mir, die haben das alle nicht gelesen. 2004 habe ich einen Literaturagenten kontaktiert, den ich im Internet gefunden habe. Der ganze Prozess des Schreibens hat also vier Jahre gedauert, sieben Fassungen waren das. Die beste Fassung haben wir losgeschickt und einer der Verlage hat gesagt: Okay, wir veröffentlichen das in einer kleinen Auflage. Wir probieren mal, ob es funktioniert. Große Hoffnungen hatte keiner. Ich nicht. Der Verlag nicht, der Agent nicht.

"Was ist so wertvoll an der Geschichte, dass sie unbedingt erzählt werden muss?"

Und wie haben Sie es geschafft, vier Jahre lang dranzubleiben? Hatten Sie keine Selbstzweifel?

Natürlich (lacht). Der große Unterschied zu früher war, dass ich ein Exposé hatte. Ich habe eine Inhaltszusammenfassung eines Romans erstellt, der noch gar nicht existiert. Und wenn ich mal eine Pause machen musste, konnte ich das Exposé wieder vornehmen. Tatsächlich vergisst man seine Ideen relativ schnell oder weshalb man überhaupt dieses Buch schreibt. Das ist eine große Frage, die man sich stellen sollte: Was ist so wertvoll an der Geschichte, dass sie unbedingt erzählt werden muss?

Welche Hindernisse gab es sonst noch auf Ihrem Weg zum Erfolgsschriftsteller?

Das größte Hindernis war die Marktforschung, die gegen mich sprach: Ein in Deutschland angesiedelter Psychothriller, das war nicht angesagt. Glücklicherweise habe ich mir nicht die Frage gestellt: Wird das erfolgreich sein? Sondern ich habe es einfach gemacht und hatte das große Glück, dass ich einer der ersten war, der sich überhaupt getraut hat, den Psychothriller in Deutschland anzusiedeln. Auf dieses große Hindernis wird jeder stoßen, der ein Buch veröffentlichen will. Immer weniger Leute kriegen immer mehr Bücher auf den Tisch, die sie veröffentlichen sollen. Die Gefahr, durchs Raster zu fallen, ist groß.

Und was kann man dagegen tun?

Das einzige, was wirklich hilft, ist Beharrlichkeit. Das klingt blöd und abgedroschen, aber man sollte nicht zu früh die Flinte ins Korn werfen. Wenn ich durch die Vordertür nicht reinkomme, wo ist die Hintertür? Zum Glück hat man heute die Möglichkeit des Selfpublishing. Wenn das mit den Verlagen nicht funktioniert hätte, hätte ich sicherlich als nächstes probiert, das Buch selbst herauszubringen.

Was würden Sie denn jungen Menschen raten, die gerade aus der Schule kommen und ihren Weg suchen?

Ich bin der Meinung, man hätte gern kurze, knappe Lebensweisheiten. Aber die gibt es nicht. Man muss sich wirklich mal die Zeit nehmen, das alles ganz intensiv zu durchdenken und sich immer wieder mit der Frage auseinanderzusetzen: Wo will ich eigentlich im Leben hin? Heute weiß ich, dass es extrem wichtig ist, dass man diese Erfahrungen sammelt. Man kann nicht wissen, wozu es einmal gut ist.

"Man muss erst einmal ein reales Leben haben, bevor man ein fiktionales Leben entstehen lässt."

Also hat Ihr Lebensweg es erst ermöglicht, Romanautor zu werden?

Gerade als Autor oder Autorin kannst du alles gebrauchen. Erfahrungen zu machen heißt eben auch, mit Niederlagen umzugehen. Auch ich bin jemand, der Misserfolge hat. Der es beispielsweise nie geschafft hat, einen Plattenvertrag zu bekommen, den ich mir doch so sehr herbeigesehnt habe. Der große Tipp ist, nicht immer nur die Spiele zu spielen, die man auf jeden Fall gewinnt. Das ist langweilig und auch für das Selbstbewusstsein auf Dauer nicht förderlich. Je mehr man gelebt hat, umso mehr kann man aus dem Vollen schöpfen. Je mehr Personen man kennt, umso leichter fällt es auch, neue Personen zu kreieren. Man muss erst einmal ein reales Leben haben, bevor man ein fiktionales Leben entstehen lässt. Und deswegen gilt: je später, desto besser.

Inspiration statt Karriereplan
Die beiden Teech Start-up Gründer Joel und Emanuele Monaco denken Karrieremessen neu. Prominente Speaker wie Lena Gercke, Ralf Dümmel oder Sebastian Fitzek sollen Jugendlichen Mut machen, ihren eigenen Weg zu finden, ihre Interessen zu verfolgen und sich auszuprobieren. Auch Scheitern gehört zu einem erfolgreichen Lebensweg dazu! Die Inspiration Days finden online vom 28. bis 30. September statt, anmelden kannst du dich hier. Die Firma Ströer, zu der auch watson gehört, ist Partner der Veranstaltung.
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