Geflüchtete, die in Deutschland leben, haben einen Anspruch auf Sozialleistungen. Alleinstehende bekommen etwa 460 Euro, Paare 826 Euro und eine Familie mit drei Kindern 1012 Euro. Diese Beträge wurden bisher von der Kommune mühsam in bar ausgezahlt.
Die Frage, in welcher Weise Asylsuchende Sozialleistungen erhalten, war deshalb bereits Gegenstand zahlreicher politischer Debatten in der aktuellen Migrationspolitik.
Nun gibt es scheinbar ein Modell, das viel Zuspruch findet: die Bezahlkarte. Die Motive für die Einführung unterscheiden sich. Einige denken daran, den Geflüchteten und Kommunen das Leben zu erleichtern. Für andere soll die Bezahlkarte mögliche Anreize für illegale Zuwanderung senken, weil mit ihr keine Überweisungen ins Ausland möglich sind.
Fast alle Bundesländer wollen sie jedoch einführen und einigten sich bereits auf ein gemeinsames Vergabeverfahren, nur Bayern und Mecklenburg-Vorpommern gehen einen eigenen Weg. Bei der geplanten Ausschreibung geht es vor allem um einen gemeinsamen Dienstleister für die technische Infrastruktur.
In einem Probelauf wurden einige Kartenmodelle bereits getestet: Knapp 70 sogenannte Social Cards sind beispielsweise bereits seit Oktober in einem Pilotprojekt bei den Kund:innen des Sozialamtes Hannover im Umlauf. Die Rückmeldungen sind bisher mehrheitlich positiv.
Entwickelt hat diese Karten das Unternehmen Publk GmbH, das Kreditkarten-Organisation Visa liefert die Karten. Dadurch können Geflüchtete die Bezahlkarten auch überall dort nutzen, wo man mit Visa-Karten bezahlen kann.
Das Ziel des Gründers von Publk, Joerg Schwitalla, war allerdings gar nicht, die Zahl der Migrant:innen zu verringern. "Wir haben ein Produkt geschaffen, das in erster Linie die Kommune entlasten soll", sagt Schwitalla gegenüber watson.
Denn das Abzählen des Geldes jeden Monat kostet viel Zeit: "Die öffentliche Hand hat ohnehin schon Fachkräftemangel. Und wenn da am Monatsende vier, fünf Personen damit beschäftigt sind, nur Gelder auszuzahlen, dann ist es ja eher ein Geldschalter als ein Sozialamt", sagt Schwitalla.
Denn ein Sozialamt habe auch noch andere wichtige Aufgaben: zum Beispiel die Menschen bei der Integration zu unterstützen. Dafür brauche es Zeit. "Das ist unser Ansatz: dass die Kommunen durch den Einsatz der Karten ihre Zeit besser nutzen können." Mit der Bezahlkarte kann das einfach jeden Monat neu auf die Karte gebucht werden.
Aber auch den Geflüchteten soll das Leben so erleichtert werden: "Am Ende kommen unzählige Menschen zum Sozialamt, die keinen Cent und kein Bankkonto haben, auf das die Leistung überwiesen werden kann. Und die stehen dann ewig Schlange. Das ist ein unwürdiger Zustand." Um die Geflüchteten nicht zu stigmatisieren, sehe seine Social Card darum aus wie eine normale Visa-Karte.
Für welche Art der Bezahlkarte sich die Länder entscheiden werden, ist noch unklar. In Thüringen wurde ebenfalls eine Bezahlkarte eines anderen Zahlungsdienstleisters erprobt: Diese wurde jedoch kritisiert, weil sie nur örtlich beschränkt nutzbar und auch keine Barabhebung möglich war.
Laut aktueller Rechtssprechung müsse jedem Leistungsbezieher ein Teil des Geldes bar ausgezahlt werden. Bei diesem Taschengeld "reden wir wahrscheinlich von einem Betrag um die 100 bis 150 Euro", sagt der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Boris Rhein (CDU). "An dem kommt man nicht vorbei, das muss bar verfügbar sein." Alle weiteren Details müssen in den Ländern festgelegt werden.
Bei der Social Card der Firma Publk hat die Kommune oder das Land selbst in der Hand, ob sie die regionale Einsatzmöglichkeit oder die Höhe der monatlichen Barabbuchung einschränken will. Gewisse Einsatzmöglichkeiten, wie die Glücksspielbranche, können gesperrt werden. Jedoch nicht, welche Lebensmittel die Geflüchteten kaufen dürfen. Welche Karte nun bundesweit eingesetzt werden soll, wird noch entschieden.
Das Interesse der Gemeinden und Kommunen ist jedenfalls groß und dementsprechend hoch auch die Nachfrage: "Ich bekomme jeden Tag Anrufe von drei oder vier Kommunen mit der Bitte, ihnen das System unserer Bezahlkarte zu zeigen", sagt Joerg Schwitalla. Seine Firma habe schon viele Jahre Erfahrungen mit der Kommunalarbeit, vor allem mit der Stadt Hannover. Daher habe man die Social Card für und mit der Kommune entwickelt, "um wirklich ein gutes Produkt auf den Markt zu bringen".
Viele Städte und Gemeinden würden nicht auf eine Entscheidung vom Bund warten wollen, sondern am liebsten gleich loslegen. In Hamburg startete bereits im Februar ein Pilotprojekt mit der Social Card von Publk und auch Leipzig wird bald nachziehen.