Viel wurde über die wieder auf 19 Prozent erhöhte Mehrwertsteuer in Restaurants gesprochen. Einige empfanden es als Skandal, dass Restaurantbesuche nur noch wohlhabenden Menschen offen stünden, andere halten es für sozial gerecht, dass Steuern zumindest in einem Sektor anfallen, der nicht überlebenswichtig ist.
Ob ein Restaurantbesuch ein verzichtbarer Luxus ist oder nicht, sei dahingestellt.
Aber: Die Erhöhung der Mehrwertsteuer trifft seit dem 1. Januar auch eine Gruppe von Menschen, deren Essen wohl weit entfernt von einer Luxusentscheidung ist – Kinder an Schulen und Kitas.
Was viele nicht auf dem Schirm haben: Der erhöhte Mehrwertsteuersatz gilt auch für Schul- und Kita-Kantinen in Deutschland, sofern das Essen durch einen Caterer ausgegeben und das Geschirr von diesem abgewaschen wird.
Ralf Blauert, erster Vorsitzender des Verbandes Deutscher Schul- und Kitacaterer (VDSKC), erklärt gegenüber watson:
In diesen Fällen wurden – wie in vielen Restaurants auch – die höheren Steuern zu großen Teilen auf den Preis der Kund:innen umgelegt. Das bedeutet, dass Eltern inzwischen fast überall "zwölf Prozent mehr für das Essen ihrer Kinder" zahlen, fasst es Blauert zusammen.
Zwischen drei bis sieben Euro berappen Mütter und Väter in Deutschland inzwischen für eine Kita- oder Schul-Mahlzeit ihrer Kinder, wie eine MDR-Umfrage aus dem Januar verrät. Ein Mittelwert von fünf Euro? Das sind happige Preise, besonders für Familien mit mehreren Kindern.
Zur Veranschaulichung: Bei drei Kindern bedeuten fünf Euro pro Kind und Tag im Monat über 300 Euro an Kosten – je nach Menge der Schultage. Die Preiserhöhung würde in diesem Fall zu 36 Euro Mehrausgaben im Monat führen.
Das ist besonders für Familien mit sehr knapp berechnetem Budget ein Problem. Ihnen bleibt nur noch die Wahl, an anderer Stelle, zum Beispiel bei Schwimmkursen oder Kleidung, zu sparen oder ihre Kinder vom Essen abzumelden.
"Gutes und bezahlbares Schulessen ist nicht nur eine Frage der Ernährung, sondern vor allem auch des Zusammenlebens an Schule und von Bildungsgerechtigkeit und Bildungschancen", betont auch Claudia Koch, die stellvertretende Vorsitzende des Bundeselternrats deutlich im Gespräch mit watson.
Sie bemerkt, dass die Preiserhöhung eigentlich in allen Regionen und Bundesländern für Gesprächsbedarf sorgt. Der Bundeselternrat hätte schon "zahlreiche Diskussionen mit Eltern und Versorgern" geführt.
Wut, Verzweiflung und Ratlosigkeit der Eltern in Anbetracht der steigenden Kosten sind verständlich. Claudia Koch erklärt:
Am stärksten trifft es "Familien im unteren Einkommensspektrum, die keine staatlichen Zuschüsse erhalten", sagt sie. Diese müssen die Preissteigerung nämlich selbst tragen, ohne dafür den finanziellen Spielraum zu haben.
"Viele Familien überlegen, ihre Kinder von der Gemeinschaftsverpflegung in den Schulen abzumelden", weiß sie. Das gilt auch für Kitas, "wobei hier eine Abmeldung ungleich schwieriger ist."
Eine Abmeldung bedeutet tägliche Mehrarbeit für Eltern mitten in der Arbeitswoche. Dass "Schulkinder mitunter den ganzen Tag kein warmes Essen bekommen", wie Blauert anmerkt. Es bedeutet aber auch potenzielle soziale Ächtung. Das Kind zu sein, das nicht in der Kantine mit den anderen essen kann, sondern sich ein Brötchen von daheim auspackt – das ist ungerecht.
Noch dazu befürchten sowohl der Elternrat als auch der entsprechende Caterer-Verband eine gefährliche Abwärtsspirale. "Je weniger Schulessen genutzt wird, desto weiter steigen die Preise, denn trotz allem muss die Schulversorgung ja auch für die Anbieter wirtschaftlich sein", warnt Claudia Koch.
Das würde bedeuten, dass die Eltern, die weiter am Mittagstisch teilnehmen, draufzahlen müssen, sofern zu viele "abspringen". Eine Angst, die Ralf Blauert aus Caterer-Sicht bekräftigt. Es sei laut ihm tatsächlich "zu befürchten, dass sich eine Spirale entwickelt, denn wenn Eltern ihre Kinder vom Mittagessen abmelden, könnte eine Belieferung unter Umständen nicht mehr wirtschaftlich sein."
Die Caterer könnten die höhere Steuer nicht auffangen. "Viele Caterer werden sich ihre bestehenden Verträge jetzt noch genauer anschauen", sagt Blauert. Dort, wo Preisanpassungen nicht möglich sind, "werden sicher auch Kündigungen und Neuausschreibungen stattfinden müssen."
Lösen kann dieses Problem nur die Politik, glauben die Gesprächspartner:innen. Das Ziel des Bundeselternrats? Kostenloses Schulessen für alle Kinder. Auf dem Weg dahin fordern sie zumindest eine Mehrwertsteuerbefreiung, wie es an deutschen Mensen schon jetzt der Fall ist. Studierende zahlen nämlich meist keine Umsatzsteuer in der Kantine – im Gegensatz zu Schulkindern. Eine Absurdität.
"Die Leidtragenden der Erhöhung sind Familien und Kinder", sagt Blauert. "Die Kosten müssen auf die Eltern umgelegt werden, sofern die Stadt oder Gemeinde nicht unterstützend eingreift." Wie es anders ginge, zeigen seiner Meinung nach Hamburg, Potsdam und Berlin:
Das Beste wäre es, wenn das "Essen in Bildungseinrichtungen für Kinder kostenfrei wäre", sagt er weiter. Das Kita- und Schulessen solle "grundsätzlich beitragsfrei" seien und "gesunde Lebensmittel von der Mehrwertsteuer" befreit werden.
Dann könnten alle Kinder satt im Unterricht sitzen – ganz unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern.