Wer ernste Dramen monatelang in seiner Watchlist hat und dann doch auf seichte Komödien klickt, weiß Bescheid: Manchmal gibt es Filme, die man sich scheut zu schauen, weil man bereits ahnt, dass sie das Herz schwer werden lassen könnten. Doch wer sich überwindet, fühlt sich bereichert – so laut hallen diese Geschichten nach.
Diesen Effekt hat "Der Wunsch". Ein Kinofilm, der derzeit in Programmkinos läuft und es verdient hat, großen Blockbustern vorgezogen zu werden.
In dieser Dokumentation werden Maria und Christiane über zehn Jahre lang dabei begleitet, wie sie versuchen ein Kind zu bekommen – anfangs euphorisch, später ernüchtert. Regisseurin Judith Beuth ist eine Kindheitsfreundin von Maria und dringt bis in privateste Sphären des Paares ein.
In der Dokumentation sehen wir zwei Liebende bei Ärzt:innen sitzen, zu Kliniken ins Ausland fahren, Samenspenden im Wohnzimmer empfangen, auf Anrufe in Hotelzimmern warten, Schwangerschaften feiern, Fehlgeburten ertragen, am Esstisch debattieren. Wie sie hoffen und motzen, sich festhalten, anschweigen und oft einfach nicht mehr weiter wissen.
Wir sehen aber auch ein Paar, dass sich im Herbst 2023 vollständig von seinem Kinderwunsch verabschieden muss, weil es – mit Ende 40 – zu alt ist für weitere Versuche. Maria und Christiane müssen ein Familienleben loslassen, das sie niemals hatten.
Auf Post-it's formulieren die beiden ihre geplatzten Träume: "Ich werde nie unser Kind ins Bett bringen", "Ich werde nie mit unserem Kind über Handys an unserem Tisch diskutieren", "Ich werde nie dem Kind beim Anziehen helfen".
Es erfordert Mut, sich so zu zeigen. Und es fordert Mut, so genau hinzuschauen. Die Geschichte trifft mitten ins Herz.
Das ist erstaunlich. Denn im Grunde bedient die Geschichte eine Nische. Es geht um eine Liebe zwischen zwei Frauen, deren biologische Uhr tickt und von der eine im Rollstuhl sitzt. Sie haben damit sowohl rechtlich als auch medizinisch also ganz eigene Hürden auf dem Weg zum Nachwuchs.
Doch was sie erleben, ist zutiefst nachvollziehbar. Schon bald lacht man mit Maria über ihre trockenen Witze, man weint mit Christiane und entwickelt zeitgleich den ungestümen Wunsch, dass es für die beiden doch bitte endlich klappt.
Was können wir ertragen, um unserem Kinderwunsch näherzukommen? Wann zerreißt es uns? Und was, wenn es trotzdem nicht klappt? Darüber haben wir mit Maria und Christiane gesprochen.
watson: Wie fühlt es sich an, die eigene Geschichte auf der Leinwand zu sehen?
Maria: Zu Beginn war es befremdlich. Jetzt, über das erste eitle Unbehagen hinweg, kann ich mich mehr auf den Inhalt konzentrieren, den Film als Ganzes sehen und als ein Geschenk, ein Zeitdokument der letzten zehn Jahre.
Christiane: Für mich ist es schwierig. Es gibt einige Szenen, wo ich im Kino nicht hinschaue, weil ich es nicht aushalten kann. Ich sehe, dass ich älter geworden bin und dass die Zeit sehr schnell vergangen ist. Auch ich sehe den Film mittlerweile als Geschenk. Viele Paare gehen diesen Weg, haben nicht den gewünschten Erfolg und können nicht wie wir auf die Erinnerung in Bildern zurückgreifen.
Der Film geht selbst Unbeteiligten nahe. Welche Szenen waren für euch schwierig von außen zu sehen?
Christiane: Die Lagerfeuerszene und der letzte Anruf vom Kinderwunschzentrum sind für mich schwer zu sehen, da ich die Szenen dann immer wieder noch einmal durchlebe. Und alle Szenen, in denen ich weine.
Was hätte euch in dieser schwierigen Zeit geholfen?
Maria: Ich hätte mir eine detailliertere Aufklärung über Endometriose und deren Auswirkungen auf den Kinderwunsch gewünscht. Das war damals noch weniger präsent. Und ich würde mir wünschen, dass Gesetzte differenzierter werden. Wenn sich zwei Menschen entscheiden, ein Kind ins Leben begleiten zu wollen, sollte das eine persönliche Entscheidung sein. Die Eizellspende hat in Deutschland und vielen europäischen Ländern, in denen eine Eizellspende unter Partnerinnen erlaubt ist, eine Altersbegrenzung. Das sollte in die Verantwortung der Paare gelegt und nicht vom Gesetzgeber vorgegeben werden.
Christiane: Es wäre sehr viel einfacher gewesen, wenn die Kinderwunschbehandlungen in Deutschland beziehungsweise in unserer Stadt möglich gewesen wären und nicht der hohe Aufwand der Reisen dazugekommen wäre.
Wo müsste konkret nachjustiert werden?
Maria: Schön und wichtig wäre, bei Geburt eines gemeinsamen Kindes als Partnerin automatisch in die Geburtsurkunde eingetragen zu werden. Aktuell muss die Co-Mutter noch ein kompliziertes und langwieriges Stiefkind-Adoptionsverfahren durchlaufen, um als Mutter anerkannt zu werden. Soweit ich weiß, ist eine Gesetzesänderung in Planung und ich hoffe, dass sie dann demnächst auch umgesetzt wird.
Christiane: Es wäre schön, wenn Paare, die einen Kinderwunsch haben, gleich behandelt werden, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung. Ich denke da an die Übernahme der Kosten bei einer Kinderwunschbehandlung durch die Krankenkassen.
Ihr musstet euren Wunsch loslassen. Geht das überhaupt?
Maria und Christiane: Das Gefühl der Trauer, dass dieser Teil des Lebens, also ein Kind ins Leben zu begleiten, nicht vorkommen wird, wird uns bis an unserer Lebensende begleiten und immer wieder mal spürbar sein.
Möchtet ihr noch etwas loswerden an die Menschen, die zuschauen?
Maria: Meine Erfahrung nach den ersten Kontakten mit Menschen, die den Film gesehen haben, ist, dass viele das Thema umtreibt und dass ein unerfüllter Kinderwunsch viel häufiger vorkommt, als man glaubt. Es ist wichtig, dass eben auch diese Geschichten, die nicht wie gewünscht ausgehen, erzählt werden.
Christiane: Wenn ihr euch ein Kind wünscht, fangt früh genug an, weil man die biologische Uhr nicht zurückdrehen kann.