Anfang des Jahres machte der Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) einen Vorstoß zu einem Thema, das gleichgeschlechtlichen Ehepaaren mit leiblichen Kindern in Deutschland schon lange unter den Nägeln brennt: das Abstammungsrecht.
Das Vorhaben steht mit folgendem Wortlaut im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien: "Wenn ein Kind in die Ehe zweier Frauen geboren wird, sind automatisch beide rechtliche Mütter des Kindes, sofern nichts anderes vereinbart ist." Buschmann möchte die Co-Mutterschaft einführen, bei der ein Kind nicht erst von der Partnerin der leiblichen Mutter adoptiert werden muss, um auch rechtlich die Elternschaft zu besiegeln.
In einer heterosexuellen Ehe reicht es, wenn der Ehemann das Kind seiner Partnerin schlicht vor dem Standesbeamten als seines anerkennt, um auch rechtlich der Vater zu sein. Unabhängig davon, ob er der biologische Vater des Kindes ist oder nicht.
Auch für Simone Albrecht (Name v.d. Redaktion geändert) und ihre Frau ist das veraltete deutsche Abstammungsrecht eine der größten Hürden bei der Familiengründung gewesen. Denn für die 40-Jährige ist die rechtliche Situation der einzige Punkt, in dem sie sich als gleichgeschlechtliche Eltern immer noch diskriminiert fühlen.
Simone lebt mit ihrer Familie in einem Dorf in Bayern. Ihre Kinder haben sie mithilfe einer Samenspende und einer künstlichen Befruchtung bekommen. Mit watson hat Simone über die Hürden, die sie und ihre Frau auf dem Weg in eine Mama-Mama-Kind(er)-Familie meistern mussten, gesprochen.
watson: Wie war eure Erfahrung als lesbisches Elternpaar mit der rechtlichen Lage in Deutschland, als ihr eure Kinder bekommen habt?
Simone Albrecht: Inzwischen sind wir verheiratet. Zwar gibt es die Ehe für alle, aber im Abstammungsrecht hat sich noch nichts geändert. Das heißt, in unserem Fall stand in der Geburtsurkunde unter Vater erst mal 'unbekannt'. Und meine Frau musste das Kind adoptieren.
Wie lief das ab?
Das heißt, gleich nach der Geburt stellt man den Antrag beim Jugendamt und dann dauert es leider sehr, sehr lange. In unserem Fall ging die Adoption sogar innerhalb von einem Dreivierteljahr durch. Aber es kann sich auch, je nach Jugendamt, länger als ein Jahr hinziehen.
Welche rechtlichen Konsequenzen hat es, wenn man nicht Elternteil des eigenen Kindes ist?
Das sind manchmal sehr belastende, lange Zeiten, wenn die Partnerin nicht der zweite Elternteil ist – und rein rechtlich, nur aufgrund der eingetragenen Partnerschaft, das sogenannte kleine Sorgerecht hat. Das normale Sorgerecht bekommt man erst durch die abgeschlossene Adoption. Es macht auch keinen Unterschied, ob ich als gleichgeschlechtliches Paar verpartnert oder verheiratet bin, weil das mit dem Abstammungsrecht zu tun hat.
Weil es biologisch nicht möglich ist, dass ein Kind zwei Mütter hat?
Das ist eine sehr schwierige Diskussion. Es wird gefordert, dass auch eine verheiratete zweite Mutter genauso behandelt wird, wie ein Vater. Ich habe immer auch das Gefühl, wenn es um Kinder und Abstammung geht und um Biologie, dann ist es eine viel diskutierte Frage. Obwohl eine Reihe von Studien beweist, dass es Kindern in Regenbogenfamilien gut geht.
Was wäre gewesen, wenn Dir als leiblicher Mutter vor der Adoption etwas passiert wäre – wer hätte dann das Sorgerecht für Deinen Sohn gehabt?
Dazu habe ich noch vor der Geburt etwas schriftlich aufgesetzt, wer dann in meinen Augen geeignet wäre, das Sorgerecht zu übernehmen. Natürlich meine Frau. Es ist aber in der Tat so, dass das Jugendamt das letzte Wort hat. Es wäre nicht automatisch meine Frau gewesen, die das Sorgerecht kriegt.
Fühlt man sich benachteiligt gegenüber heterosexuellen Paaren?
Definitiv. Für meine Frau war das erste Jahr wirklich belastend. Nicht nur dieser ganze Prozess der Adoption. Man muss ja sämtliche Unterlagen stellen, die man als Adoptiveltern einreichen muss: Finanzen offenlegen, ein Motivationsschreiben verfassen, warum man dieses Kind adoptieren möchte, das muss man alles durchlaufen.
Das ist die eine Seite: Dass man Dinge tun muss, die eigentlich nicht auf diese Art von Adoption passen sondern auf eine Adoption für ein fremdes Kind. Die zweite ist, dass man monatelang immer im Hinterkopf hat 'Was ist jetzt, wenn irgendwas passiert? Nehmen sie mir dann dieses Kind weg?'. Das ist der einzige Punkt, über den ich definitiv sagen kann, da fühle ich mich in der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft benachteiligt.
Was würde helfen?
Ich bin der Meinung, dass es unsere Gesellschaft sehr viel besser machen würden, wenn wir einfach aufhören könnten in den Kategorien "männlich" und "weiblich" zu denken. Das würde so viele Probleme lösen, die durch ebendiese Einteilung in Geschlechter entstehen: Von Frauenquoten über Diskriminierung von LGBTQ+-Menschen bis hin zu Transphobie.
Ihr lebt auf dem Dorf, man vermutet da auch eine eher konservative Einstellung. Wie nehmt ihr das als Regenbogenfamilie wahr?
Die Frage kriege ich sehr oft gestellt, ob es denn hier nicht mehr Vorurteile oder Menschen gibt, die damit nicht umgehen können. Aber ich muss sagen, das ist ein völlig falscher Eindruck. Die Menschen hier sind offen und tolerant und es gab nie irgendwelche Anfeindungen. Jeder, der uns kennt, kann ganz normal mit uns umgehen. Hier lebt man eher nach dem Motto "Leben und Leben lassen". Man mischt sich nicht großartig ein, wie man sein Leben gestaltet oder in welcher Familienkonstellation man zusammenlebt.
Es gibt hier zum Beispiel eine Familie mit zwei Papas, die haben ein Kind adoptiert. Die haben das auch von Anfang an offen kommuniziert. Auch die haben alle Sympathien für sich. Ich glaube, es ist hier vor allem die Art und Weise, wie man lebt: ob man ein Paradiesvogel ist, der heraussticht oder ob man ganz normal seinen Alltag verbringt.
Spielt es Deiner Meinung nach also eine Rolle, wie selbstverständlich man das Familienmodell lebt?
Oft spielt es eine Rolle, wie ich selber damit umgehe und wie selbstbewusst ich dazu stehe. Es ist für mich ganz selbstverständlich, ich bin so, wie ich bin und mir macht es auch nicht nichts aus, wenn irgendjemand mal offen was dagegen hat – weil ich mich wohlfühle. Dann glaube ich, vertrete ich das anders und fühle ich mich auch nicht so oft angegriffen oder ausgegrenzt. Außer in der Geschichte mit der Adoption, da definitiv.