Kaum klettern die Temperaturen in die oberen Bereiche des Thermometers und die Kleidung wird luftiger, kommen bei Verliebten mitunter unanständige Ideen auf, à la: "Wäre es nicht toll, hier mitten auf der Waldlichtung einen oralen Boxenstopp mit Aussicht einzulegen?!"
Wenn die Antwort darauf aber nicht: "Au ja!", lautet, sondern eher: "Sag mal, bist du doof?!" – dann steckt man schon mittendrin im Dilemma. Denn Sex im Freien ist für manche das Nonplusultra, für andere nur unvorstellbar unangenehm. Was jetzt?
Lea Holzfurtner ist klinische Sexologin und Autorin des Ratgebers "Dein Orgasmus". Sie coacht Menschen in ihrer Praxis in Berlin und im Podcast "Berlin Intim".
Zuerst einmal sagt sie, dass die Fantasie vom Sex im Freien "gar nicht so ungewöhnlich" sei. Knapp zwei Drittel der Menschen teilen sie laut einer Studie von Joyal, Cossette und Lapierre aus dem Jahr 2015.
Der Stimulus dahinter sei eben, dass es verboten ist, im Freien zu verkehren. "Illegal und daher tabu", wie Holzfurtner sagt. "Die Idee eines Tabus reizt viele von uns. Neues steigert aber auch unser sexuelles Verlangen."
Es gäbe noch weitere Faktoren, die den Freikörper-Teamsport außerhalb geschlossener Räume zum Aphrodisiakum für manche Menschen machen. Holzfurtner führt ein paar Gründe aus:
Wenn der Wunsch aufkommt und man dem selbst so gar nicht freudig entgegenfiebert, sondern eher in Schockstarre und Horror-Szenarien versinkt, kann es schon helfen, das Motiv hinter der Sex-Fantasie zu verstehen.
"Besprecht, was euch an der Fantasie genau anturnt, und warum ihr vielleicht Bedenken habt, sie umzusetzen", rät die Expertin.
Wenn klar ist, worum es eigentlich geht – Tabubruch, beobachtet werden – und was die Ängste sind – peinliche Momente, Knast – könne man gemeinsam Kompromisse finden, ist die Sexologin überzeugt.
"Was ich beim Thema 'nicht zusammenpassende Fantasien' Paaren in meiner Praxis immer vorschlage, sind zum einen 'Baby Steps' und zum anderen 'Verhandeln'", erklärt sie. Baby Steps? Wie ist das gemeint?
Es gäbe immer zwei Arten von Fantasien, schildert Holzfurtner weiter. Die, die wir gerne ausleben wollen und die, die wir (nur) im Kopfkino genießen. Darauf aufbauend könne man die umstrittene Fantasie "auf viele Arten ausleben". Die Expertin: "Ihr könnt euch gemeinsam erregen, indem ihr euch Geschichten dazu erzählt oder Pornos anseht, die das Thema featuren."
Erst dann gehe es in die "Verhandlung": Soll es dabei bleiben, dass die Idee von Sex im Freien in Gesprächen und Bildern anturnt oder soll der Wunsch ausprobiert werden – und wenn ja, in welchem Umfang?
"Eine neue Fantasie muss nicht immer in ihrem vollen Umfang ausgelebt werden, um den erotischen Effekt zu bekommen", gibt die Sexualberaterin zu Bedenken.
Es könne zum Beispiel "schon unglaublich spannend sein, unter dem Tisch im Restaurant deine Hand einfach über der Kleidung des Partners über seinen Penis gleiten zu lassen, während du deine Bestellung mit dem Kellner besprichst." Weitere Vorschläge der Podcasterin:
Es gibt zahlreiche Nuancen zwischen Missionarsstellung im heimischen Bett und Orgie im Stadtpark. "Verhandelt, hört euch zu und findet Win-Win Kompromisse, die sich für alle richtig gut anfühlen", rät Holzfurtner daher abschließend. Damit es für alle Beteiligten ein heißer Sommer werden kann.