Verliebt, verlobt, zerstritten: Bei manchen Paaren hängt die dicke Luft schon so lange über den Köpfen, dass sich Außenstehende kaum mehr daran erinnern, wann die beiden einst glücklich waren. Ob ein Seitensprung, fehlender Sex oder permanente Streitereien – die Gründe für eine ausgewachsene Beziehungskrise sind zahlreich und leider nicht mehr immer von den Beteiligten selbst zu entwirren.
Wenn stets die gleichen Vorwürfe fallen, dieselben Argumente zum zehnten Mal hervorgeholt werden, befinden sich Paare oft in einer Sackgasse und wissen nicht weiter. Wer das einfach nicht mehr aushält, sich aber dennoch nicht trennen will, für den oder die stellt sich spätestens dann die Frage: Würde eine Paartherapie uns als Paar noch retten? Wäre das übertrieben? Oder vielleicht zu spät?
Ulrike Scheuermann ist Diplom-Psychologin, Emotionscoach und Buchautorin. In ihrer esencia Akademie bietet sie psychologische Seminare und Ausbildungen an. Für watson fragten wir sie, wann der Zeitpunkt für eine Paartherapie gekommen ist.
"So früh wie möglich", sagt die Expertin. "Aber erfahrungsgemäß melden sich die meisten Paare erst im Notfall, wenn die Positionen bereits verhärtet sind." Das erschwert die Arbeit ungemein, der Weg zur Versöhnung wird nach lang andauernden Konflikten immer schwerer. "Dennoch: besser spät als gar nicht", sagt Scheuermann. Hoffnung gibt es immer.
Denn auch wenn eine Situation schon sehr verfahren aussieht, kann ein Paar wieder zusammen finden, wenn beide es ganz ehrlich wollen, tröstet die Therapeutin:
Viele Paare scheuen den Gang in die Praxis aber nicht nur aus Angst vor Schuldzuweisungen oder harschen Wahrheiten, sondern auch, weil es als Zeichen der Schwäche empfunden wird. Dass man professionelle Hilfe in der Liebesbeziehung benötigt, klingt leider immer noch für viele unromantisch, peinlich oder unfreiwillig komisch.
Interessanterweise besteht eine Paartherapie aber gar nicht nur aus der Arbeit mit einem Paar, sondern befasst sich oft auch mit der Geschichte des Einzelnen. Ulrike Scheuermann sagt dazu, es gehe "nicht nur darum, im gemeinsamen Gespräch zum Beispiel eine bessere Kommunikation zu lernen, sondern es kann auch wichtig sein, getrennt den eigenen Problemen, die man in die Paarbeziehung einbringt, auf den Grund zu gehen und hier destruktive Muster zu lösen."
Durch die Arbeit an sich selbst könne man häufig "ganz anders – entspannter, freier, mit mehr Empathie statt Vorwurf – auf den anderen zugehen." Eine Fähigkeit, die nicht nur in der Liebe von Nutzen sein kann.
Allerdings passieren solche grundsätzlichen Veränderungen nicht über Nacht. Wer meint, ein tiefergehendes Problem mit einem einzigen Termin aus der Welt schaffen zu können, macht es sich zu leicht. Schnelle Ergebnisse sind in Sachen Liebe nicht erzwingbar.
Außer in zugespitzten Fällen, beispielsweise mit psychischer oder körperlicher Partnerschaftsgewalt, sei es sinnvoll, sich Zeit zu geben, sagt die Psychologin daher.
Der lange Atem ist manchmal nötig, um Probleme von Grund auf zu verstehen und auch – darum geht es ja – für die Zukunft zu zweit zu lösen. "Ungeduld ist der moderne Feind vieler Problemlösungen, nicht nur bei Paar-Krisen, sondern auch zum Beispiel bei Konflikten am Arbeitsplatz, mit der Familie oder mit den Nachbarn", sagt Scheuermann.
Wer liebt, braucht eben Geduld. Und Verletzungen zu überwinden, benötigt Zeit. Die Expertin: "Paartherapie ist ein Prozess." Ein Grund mehr, um rechtzeitig damit anzufangen.