Ein Pärchenkuss im Profil, ein Video vom Candlelight-Dinner dort, ein Valentinstagsgeschenk, das im Livestream überreicht wird – wenn es darum geht, ihre Liebe öffentlich zu inszenieren, sind Paare zuweilen schamlos.
Peinlich, finden einige. Couplegoals, wieder andere. Aber was sagen Pärchenposts überhaupt über die Qualität einer Liebesbeziehung aus? Heißt das, es läuft tatsächlich richtig gut? Oder will man damit nur etwas beweisen?
Christian Hemschemeier ist Psychologe und Paartherapeut, coacht auch in Online-Kursen und sagt: "Pärchen-Posts sind ein Phänomen, das ich nicht so prickelnd finde, weil da leider viel geschönt wird."
Man müsse zur Bewertung allerdings erst einmal unterscheiden, von welcher Art Pärchen-Content die Rede sei. "Einige Menschen bilden ihr Leben sehr authentisch ab, inklusive ihrer Liebesbeziehungen", gibt der Therapeut zu Bedenken. "Diese Personen gehen dabei auch richtig in die Tiefe und sprechen in ihrem Content ganz offen über gute und miese Phasen ihrer Beziehung – typisch zum Beispiel für Podcasts."
Diese Authentizität und Reflexion kann gut sein, findet Hemschemeier, heilsam sogar. Sowohl für den Menschen, der es postet, als auch für die Menschen, die zuhören oder zuschauen, "denn das zeigt ihnen: In anderen Partnerschaften gibt es eben auch mal Sexflauten, Langeweile oder Streit."
"Problematisch ist die Kategorie Pärchen, die mit ihren Bildern und Videos sagt: 'Guckt mal alle, wie toll wird sind! Wir lieben uns noch wie am ersten Tag und alles läuft super!' Hashtag couplegoals eben", berichtet der Psychologe.
Eine Beziehung, die immer gut läuft, gibt es nicht. Solcher Content ist also eine offensichtliche Lüge. Dennoch hinterlässt sie bei Anderen oft wider besseres Wissen einen schalen Nachgeschmack und die heimliche Frage: Warum knistert es bei uns nicht so romantisch? Stimmt etwas mit meiner Beziehung nicht?
"Das ist im Prinzip wie mit Beautycontent auch", erklärt der Paartherapeut. "Zu vermitteln, dass die geschönte, optimierte Version ganz normal sei, setzt alle unter Druck, die dem Ideal nicht entsprechen." Der Unterschied ist nur: Bei Beauty-Content geht es darum, Produkte zu verkaufen. Bei Pärchen-Content "verkauft" man die eigene Liebesbeziehung.
Hemschemeier führt aus:
Und während Followerzahlen in die Höhe schnellen, fehle hinter den Kulissen oft der ehrliche Austausch untereinander. "Ich weiß nicht, ob das Abbilden der Liebe für die Liebe so zielführend ist", sagt der Therapeut nüchtern.
Abgesehen von Influencer:innen gibt es aber auch ganz normale Pärchen, denen das Darstellen ihrer Beziehung wichtig zu sein scheint. Typisches Beispiel: Das eigene Profilbild wird auf den sozialen Netzwerken durch ein Pärchenbild ersetzt. Soll das etwa heißen: "Mich gibt es ab sofort nur noch zu zweit"?
"Unbewusst schon", sagt Hemschemeier dazu. "Zumindest signalisiert man anderen damit, dass es einem unheimlich wichtig ist, als vergebene Person wahrgenommen zu werden. Und als jemand, der geliebt wird." Problematisch sei das aber nicht per se.
Gerade in der Frisch-Verliebten-Phase zu Beginn einer Beziehung bilden die verknallten Fotos oft schlichtweg das wahre Innenleben ab. Man ist eben überglücklich, verblendet, begeistert, lächerlich romantisch. Und dieses Glück will man allen zeigen! "Völlig normal", so das Fazit des Psychiaters.
Das kann für die Zuschauer:innen nerven, sei Lovebirds aber gegönnt. Denn ganz ehrlich? "Das extreme Gegenteil ist auch nicht schön", gibt Hemschemeier zu Bedenken. Was er damit meint?
Langfristig sei also seiner Meinung nach "ein Mittelweg" am besten. Es ergibt keinen Sinn zu faken, wie toll es läuft, obwohl man sich den ganzen Tag im Rom-Urlaub nur angeschwiegen hat. Aber wenn ein echter Moment des Glücks festgehalten wurde, warum dann nicht posten? Schließlich hat die Liebe alle Likes der Welt verdient.