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Flaute in der Beziehung: Wie die Lust auf Sex und den Partner wiederkommt

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Viele Paare empfinden Sex als nervigen Punkt auf der To-do-Liste. Dabei könnte er auch Stress abbauen. Bild: imago / Pond5 Images
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Jeden Abend Netflix statt Sex? Expertin erklärt, wie du Lustlosigkeit loswirst

08.03.2024, 15:1508.03.2024, 18:45
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Liebesbeziehungen: Am Anfang brennen noch die Laken, ein paar Jahre später läuft nur noch der Laptop vom Serien-Marathon heiß. Sexflaute. Lustlosigkeit. Das sind die häufigsten Probleme in Partnerschaften, wie Sexualtherapeutin Julia Henchen aus ihrer Praxis weiß.

Die Erfinderin der "Lustfaktor"-Methode hat dem Thema daher ein Buch ("Kopf aus, Lust an", mvg Verlag) gewidmet, das ohne Wischi-Waschi auskommt und praxisnahe Tipps für Menschen enthält, die sich ein erfüllteres Sexleben wünschen.

Watson sprach mit ihr über Menschen, die keine Lust mehr haben und warum es cool wäre, wenn wir uns auf Sex so freuen würden, wie auf eine leckere Pizza.

JULIA HENCHEN 05.07.2023
©Annika Fußwinkel
Therapeutin Julia HenchenBild: privat / Annika Fußwinkel
"Sex wird als anstrengend empfunden. Etwas, was man hin und wieder machen muss, weil sonst 'in der Beziehung etwas nicht stimmt'."

Watson: "Ich habe keine Lust mehr auf Sex" – wie viele deiner Klient:innen kommen damit in deine Praxis?

Julia Henchen: In gut 90 Prozent aller Anfragen an mich geht es um sexuelle Lustlosigkeit. Das liegt natürlich auch daran, wie ich mich positioniert habe. Lust ist bei mir im Fokus. Aber wenn ich mit Kolleg:innen spreche, geht es in den meisten Fällen auch um dieses Thema.

Wenn die Lust vergeht, sind beide Parteien beteiligt, erklärst du. Was kann denn jemand dafür, der jederzeit Sex wollte?

Wenn Sex länger ausbleibt, entwickelt sich oft eine Dynamik, in der eine Person ständig abgewiesen wird und die andere sich permanent unter Druck fühlt, mitzumachen. Tatsächlich wird das Problem dann oft ausschließlich bei der Person gesucht, die "verweigert". Aber die Frage ist doch: Warum ist die Lust weg? Man muss sich die Beziehungsdynamik anschauen. Sexuelle Lust schwindet auch, wenn sich eine Person unsicher oder nicht wertgeschätzt fühlt. Dafür sind beide verantwortlich.

Sind die lustlosen Menschen in deiner Praxis in einer Beziehung?

Mit großer Mehrheit. Man könnte sogar scherzhaft sagen: Die größte Ursache für Lustlosigkeit ist die Langzeitbeziehung. Bei manchen startet die Flaute nach einem Jahr, im Schnitt aber nach 18 Monaten. Dann geht die erste Verliebtheitsphase vorbei. Singles kommen auch ab und an, aber da liegen die Gründe für Lustlosigkeit meist in einer sexuellen Funktionsstörung. Lustlose Menschen in Partnerschaften treibt etwas anderes um.

"Viele, die in meiner Praxis sitzen, sagen: 'Ich habe keine Lust auf meinen Partner, aber mit mir selber komme ich nach zwei Minuten.'"

Was denn?

Sie haben zwar oft noch Solosex, aber in der Partnerschaft fehlt die Lust völlig. Sex wird als anstrengend empfunden. Etwas, was man hin und wieder machen muss, weil sonst "in der Beziehung etwas nicht stimmt". Aber eigentlich würde man lieber die neue Staffel der Lieblingsserie streamen.

Was ist am Sex so anstrengend?

Wenn ich danach frage, höre ich: "Das dauert so lange, dabei will ich noch was erledigen", "Mir wird so kalt, wenn ich mich ausziehe" und so weiter. Der Gedanke an Sex löst primär Stress aus. Es lohnt sich zu überlegen, wie man diese Stressfaktoren minimiert und einen sexuellen Raum schaffen kann, der Spaß macht.

Kopf aus Lust an, Julia Henchen
Bild: mvg Verlag

In deinem Buch hast du dafür ein Bild: Pizza am Abend. Wir stellen uns den Geschmack schon beim Bestellen vor und warten ungeduldig, dass der Lieferdienst klingelt.

Wäre doch toll, wenn sich Paare wieder mit demselben Frohlocken auf Sex nach Feierabend freuen könnten wie auf Pizza, oder? Man könnte Sex ja auch zu etwas gestalten, das den Stress des Tages abbaut.

"Die Gesellschaft neigt dazu, Sex mit Penetration gleichzusetzen. Viele Frauen mögen aber gar nicht gerne penetriert werden."

Wie das geht, sagt der Titel: "Kopf aus, Lust an". Den Kopf ausschalten – das ist leicht gesagt.

Allerdings. Aus der Praxis weiß ich, dass es vor allem Frauen schwerfällt, die Kontrolle abzugeben. Sie lernen von klein auf, dass sie dafür verantwortlich sind, dass zu Hause alles läuft. Dass es den Kindern gut geht und der Mann zufrieden ist, dass Harmonie herrscht. Meine Klient:innen müssen erst einmal dahinterkommen, was ihr Kopf treibt, während sie sich fallen lassen wollen.

Klingt nach Mental Load. Was bremst noch?

Die Gesellschaft neigt dazu, Sex mit Penetration gleichzusetzen. Viele Frauen mögen aber gar nicht gerne penetriert werden, nur ein Bruchteil erlebt dabei einen Orgasmus und einige fühlen sich eher ausgeliefert dabei, meinen aber, das muss so. Dabei gibt es tausend lustvolle Spielarten ohne Penetration. Unser größtes Sexualorgan ist sowieso das Hirn.

Beginnt Lust also im Kopf?

Es ist eine Reise vom Kopf über den Körper. Entscheidend ist: Was bremst deine Lust und was fördert sie? Lustvolles muss gar nicht mit dem Partner zu tun haben, nicht mal mit Sex. Für manche ist es Tanzen, Sand an den Füßen, ein warmes Bad. Was macht dir beim Sex Lust, ist eine Frage, die viele Menschen oft gar nicht ad hoc beantworten könnten.

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Warum wissen viele Menschen nicht, was sie geil macht?

Weil sie bislang vor allem gemacht haben, was dem Partner gefällt – oder vermeintlich gefällt. Die eigenen Lustauslöser kann man aber finden. Unsere Sinne sind dabei wichtig, Berührung, Atmung und Geruch.

Kann Solosex dabei helfen?

Das kommt darauf an, wozu man den Solosex nutzt. Viele, die in meiner Praxis sitzen, sagen: "Ich habe keine Lust auf meinen Partner, aber mit mir selber komme ich nach zwei Minuten." Ein Quickie ist total in Ordnung, aber das dient eher dem Stressabbau. Um zurück in die Lust zu kommen, kann es helfen auch den Solosex zu erweitern und auszuprobieren, was einen erregt.

Du rätst zum Beispiel, dass man jeden Tag eine Weile die Vagina berührt. Einfach so.

Ich erlebe in Coachings, dass diese Aktivierung der Vagina schon dazu führt, dass Frauen anfangen, Hemmungen gegenüber ihrem Genital abzulegen. Es ist total schön zu sehen, wie Frauen ihre Körper entdecken.

Eigentlich seltsam, dass Menschen jahrelang Dinge beim Sex tun, nur weil sie meinen, das müsse so.

Vielen ist eben gar nicht bewusst, wie viele Glaubenssätze sie mit sich herumschleppen, die ihre Lust bremsen: "Eine Frau sollte bloß keine Schlampe sein." "Sie sollte Blow Jobs lieben, aber nicht erwarten, dass er sie leckt, denn Frauen stinken nach Fisch." Das sind Irrglauben, die auch gestandenen Frauen unbewusst im Kopf herumschwirren und die jeden Spaß am Sex rauben. Die müssen aufgebrochen werden.

Dann kommt der Aha-Moment?

Es ist ein absoluter Game-Changer für viele Frauen, wenn sie sich ihrer uralten Glaubenssätze bewusstwerden und sie loslassen! Sie merken: Wenn ich eine Grenze setze, ist das nicht prüde, sondern selbstbewusst. Sexualentwicklung ist auch Persönlichkeitsentwicklung, geradezu feministisch.

"Plötzlich werden die Männer gefordert. Das ist ein spannender Prozess."

Schlackern dem Partner nicht die Ohren, wenn eine so "sexuell erweckte" Frau plötzlich alles anders haben will?

Auf jeden Fall. (lacht) Ich beobachte in der Praxis oft, dass die Frauen allein kommen. Ihre Männer sind froh, weil sie denken: Die macht jetzt Therapie und dann hat sie wieder Lust auf Sex. Wenn die Frau auf diese Reise zu sich selbst geht, revolutioniert sich aber oft ihre ganze Haltung. Dann merkt der Partner: "Oh Shit, jetzt muss ich nachziehen. Jetzt reicht es nicht mehr, dass ich ihr im Vorbeigehen auf den Po haue und sage: 'Na?!'"

Was funktioniert denn besser?

Ich spreche hier von den heterosexuellen Beziehungen, die den Großteil meiner Klient:innen ausmachen. Da stellen viele Männer fest: Ich muss mehr Haushalt machen und Arbeit mit den Kindern abnehmen, damit Raum für Lust ist. Ich muss ihr zeigen, dass ich sie begehre und wie kommt sie überhaupt zum Orgasmus? Plötzlich werden die Männer gefordert. Das ist ein spannender Prozess.

Heißt das: Egal, wie tot die Lust wirkt, es gibt Hoffnung?

Na klar. Ich sage immer: Sex ist lernbar. Wir haben jederzeit die Chance, Sex und Lust für uns zu entdecken und alte Muster abzuschütteln. Der Weg dahin kann dauern – aber er lohnt sich.

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