Tiktok: Gen-Z-Creator bewertet Gehverhalten und stellt Passanten für "Verstöße" bloß
Es ist ein grauer Morgen in Soho, London. Eine Frau telefoniert lautstark vor einem Café – und merkt nicht, dass ein Typ hinter ihr steht und sie filmt. Ihr "Vergehen": stehen bleiben, mitten auf dem Gehweg, Handy am Ohr. Ergebnis laut Cameron Roh: zwei von zehn Punkten.
Der 21-jährige Amerikaner ist so etwas wie ein selbst ernannter Sheriff der Bürgersteige. Auf Tiktok bewertet er, wie sich Menschen im öffentlichen Raum bewegen – und Millionen feiern ihn dafür.
Sein Ziel ist es, "dass Leute lernen, besser zu gehen." Rohs Videos sind simpel, aber genial: Er folgt Passant:innen ein paar Sekunden lang, kommentiert leise ihre "Technik" und vergibt Punkte für Tempo, Richtung, Fußarbeit und – ganz wichtig – Handynutzung. Wer zu langsam ist oder mit Koffer durch die Gegend eiert, landet gnadenlos im Mittelfeld.
Tiktok-Bewertung: Wer auf dem Gehweg Null Punkte kassiert
"Ich nenne diese Leute Nackenbrecher", sagt Roh über all jene, die nur aufs Display starren. "Menschen, die in einem 45-Grad-Winkel auf ihre Handys schauen und nicht in der Realität sind, sondern irgendwo anders," erklärt er einer Reporterin des "Guardian", die ihn auf seiner Gehweg-Mission begleitet.
Seine schlimmsten Feinde sind "Double Wides" – also Paare, die nebeneinander schlendern und den Weg blockieren. Noch schlimmer sind nur "Linked Double Wides" – Pärchen, die Händchen halten und gemeinsam die Straße versperren.
Trotz seines Erfolgs bleibt Roh fair. Kinder, Ältere oder Menschen mit Einschränkungen sind für ihn tabu. "Ich bewerte nur Leute, die sich aktiv rücksichtslos verhalten", erklärt er. "Sie sind nicht nur nervig für andere, sondern auch ein Sicherheitsrisiko."
Cameron Roh will Tiktok-Ruhm mit moralischer Mission
Unter seinen Videos erfährt der 21-Jährige viel Zuspruch. Eine Person kommentierte: "Mir hat letztens ein Tourist fast das Auge ausgepiekst. Er ist vor mir plötzlich stehen geblieben, hat sich umgedreht und auf etwas gezeigt. Es ist nichts Schlimmes passiert, aber sowas nervt."
Roh sagt, er wolle eigentlich niemanden bloßstellen. Ihm gehe es um Aufmerksamkeit für Rücksicht im Alltag. "Die Welt ist so entfremdet", sagt er. "Wir sind völlig von unseren Handys und AirPods vereinnahmt."
Seine Clips sind für Roh eine kleine Gegenbewegung – eine Mischung aus Humor, Stadtbeobachtung und Zivilcourage. "Die Reaktion, die ich bekomme, ist meistens: Danke. Die Leute glauben, ich räume in der Stadt auf." Klingt fast wie ein Superheld – nur ohne Cape, dafür mit Smartphone.
