In manchen Momenten fragt man sich im Dating-Prozess, ob man die Zeichen der Zeit verpasst hat und der letzte Dinosaurier auf Erden ist. Zum Beispiel, wenn man nach einer monogamen Beziehung sucht.
Da erklärt einem der Schwarm, er hätte zwar eine Freundin, aber sie lebten polyamor, er würde daher "gerne noch auf einen Absacker mit hochkommen". Oder dein:e Partner:in spricht plötzlich von einer Öffnung der Beziehung, weil euer Sexleben öde geworden ist. Ist Monogamie einfach überholt?
Wir sprachen darüber mit Mignon Kowollik. Sie arbeitet als Sexual-Coach für Paare und Singles in Hamburg und ist Beraterin beim Portal "Ashley Madison".
Kowollik versteht die Frage, ob Monogamie out ist, gut. "In einer Zeit, in der sexuelle Freiheiten und die Vielfalt individueller Beziehungsmodelle zunehmend an Bedeutung gewinnen, könnte der erste Eindruck entstehen, dass Monogamie aus der Mode gekommen ist", sagt sie.
Dieser Eindruck würde aber täuschen. Denn die Mehrheit der Paare, auch der jungen Paare, versprechen einander weiterhin Exklusivität. Oder wie die Expertin es sagt: "Monogamie ist zeitlos und keineswegs veraltet."
Allerdings gibt es durchaus einen Trend zu mehr Offenheit. Das zeigt unter anderem eine aktuelle YouGov-Befragung unter 17.000 Personen im Alter von 18 bis 29 Jahren, die im Auftrag des Ashley-Madison-Portals durchgeführt wurde. Kowollik erklärt:
Im Detail heißt das: "Zwei von fünf deutschen Personen aus der Gen Z gaben zum Beispiel an, dass sie bereit wären, eine nicht-monogame Beziehung in Erwägung zu ziehen", sagt die Expertin. Das sind 40 Prozent der Befragten. Noch nicht die Mehrheit, aber dennoch eine ganze Menge.
Von wegen gierig, wankelmütig oder unzuverlässig – heutzutage verbindet die Gen Z eher positive Assoziationen mit Polyamorie und den Menschen, die sie leben, glaubt Kowollik. Junge Liebende sähen in offenen Modellen eher "viele Vorteile, einschließlich eines erfüllten Sexlebens sowie mehr Offenheit gegenüber verschiedenen Formen von Liebe", erläutert sie. Damit bestünde auch "weniger Druck auf eine Person, alle Bedürfnisse des Partners zu erfüllen".
Dennoch: Monogamie ist weiterhin die Norm. Egal, in welcher Alterssparte. Das Bedürfnis nach Treue ist nicht verschwunden. Doch es ist üblicher geworden, die alten Beziehungsmodelle infrage zu stellen und vor allem unvoreingenommener über nicht-monogame Liebe zu sprechen, als das früher noch der Fall war.
"Die Akzeptanz alternativer Beziehungsmodelle ist in der Generation Z deutlich sichtbarer und offener als bei den vorherigen Generationen", bestätigt auch Mignon Kowollik. Zwar gab es auch vor zwanzig, dreißig Jahren schon das Bedürfnis nach Sex außerhalb der Beziehung, damals hätten Menschen "solche Modelle aber eher verborgen gehalten oder als unkonventionell betrachtetet".
Es ist also nicht so, dass die Gen Z Polyamorie erfunden hat, doch sie spricht mehr darüber, glaubt die Expertin. Es sei auch deutlich zu sehen, "dass verschiedene Beziehungsformen nun verstärkt und vor allem offener praktiziert werden als in den vergangenen Jahren".
Oder anders gesagt: Monogamie ist noch lange nicht out. Heimlichtuerei aber schon.