Wer vergangene Woche für einen Ausflug am verlängerten Wochenende Bargeld am Bankautomaten abheben wollte, stand oftmals mit leeren Händen da – und das nicht etwa wegen eines überzogenen Kontos.
Die Ursache dafür, dass die Maschinen kein Geld ausspuckten, waren Warnstreiks der Beschäftigten im Geld- und Werttransport. Die Gewerkschaft Verdi hatte Anfang Oktober zur Arbeitsniederlegung aufgerufen.
Zunächst soll es keine weiteren Streiks geben. Die Gewerkschaft und die Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste (BDGW) kommen am 17. und 18. Oktober zur nächsten Verhandlungsrunde zusammen. Verdi fordert für die rund 10.000 Beschäftigten neben höheren Löhnen einen Überstundenzuschlag und ein bundeseinheitliches Urlaubs- und Weihnachtsgeld.
Die Streiks sind also erstmal beigelegt, doch die Bargeldversorgung ist vielerorts immer noch nicht wieder normalisiert. Nun äußert sich ein Bargeldexperte zur aktuellen Situation und zur Zukunft der Geldscheine und Münzen.
Wolfram Seidemann, Geschäftsführer der "Giesecke+Devrient Currency Technology", glaubt nicht an eine flächendeckende Unterversorgung beim Bargeld. Diese Beobachtung halte er eher für "anekdotisch als systemisch", sagt er gegenüber dem "Focus".
"Die Beteiligten im Bargeldkreislauf werden Vorsorge getroffen haben. Wenn ich weiß, dass ein Streik droht, dann rufe ich bei der Zentralbank etwas mehr Bargeld ab", glaubt Seidemann. Seine Firma ist für die Herstellung von Euro-Banknoten verantwortlich.
Da die Werttransportunternehmen ähnlich der deutschen Bankenlandschaft mittelständisch und heterogen geprägt seien, griffen "Ausgleichsmechanismen", sollte eines der 50 Unternehmen ausfallen. "Aus meiner Sicht ist die Bargeldversorgung der Bevölkerung gesichert und das ist wichtig", hält der Geldexperte fest.
"Das Vertrauen in eine Währung ist enorm wichtig. Und dazu gehört auch, die entsprechende Nachfrage nach Bargeld bedienen zu können", betont Seidemann.
Der Unternehmer erklärt, warum die Bargeldmenge zuletzt deutlich gestiegen ist, obwohl gleichzeitig Zahlungen mit Karte und Smartphone zunehmen: "In der Pandemie hatte jeder Bundesbürger im Schnitt 100 Euro im Portemonnaie, gleichzeitig hat sich die Menge an Bargeld im Umlauf um zehn Prozent erhöht."
"Der Risikopuffer unter der Matratze ist deutlich gestiegen. Ich nenne das 'Cash Paradox' – der Bargeldumlauf nimmt zu, aber es wird weniger mit Bargeld bezahlt", sagt Seidemann.
Der Geldexperte glaubt, dass Bargeld eine Zukunft hat. "Es wird wichtig bleiben. Bargeld ist eine Fallback-Lösung und das einzige Zahlungsmittel, das anbieterunabhängig ist und stets funktioniert. Es ist standardisiert und jeder kann es nutzen", sagt Seidemann.
Außerdem betont er die Kostenfreiheit beim Bezahlen mit Banknoten und Geldmünzen: "Bargeld ist ein öffentliches Gut. Die Geschäftsmodelle privater Anbieter wie Paypal, Visa etc. funktionieren über Gebühren oder die Nutzung der Kundendaten."