Die USA haben eine ganz eigene Trinkgeldkultur. Ein bestimmter Betrag ist, anders als in Deutschland, in vielen Bereichen verpflichtend. Nicht gesetzlich, eher moralisch. Servicekräfte sind wegen ihres viel zu geringen Einkommens auf den kleinen Obolus angewiesen. Diesen auszuzahlen, gilt ergo für viele Besucher:innen als ungeschriebenes Gesetz.
Sie können nach einem Essen selbst entscheiden, was sie zahlen möchten, doch auch da gibt es, je nach Region, einen Rahmen des guten Tons. In New York sind es zum Beispiel um die 20 Prozent. Doch manchen ist nicht klar, was sie zahlen müssen, andere fühlen sich zum Beispiel durch Trinkgeld-Zahlungsaufforderungen auf der Rechnung unter Druck gesetzt. Mehrere New Yorker Cafés wollen dagegen ansteuern.
In Brooklyn verzichten nun einige Cafés auf direkte Trinkgeldanfragen, sprich: keine Dosen an der Theke, keine Aufforderungen via iPad, keine Rechnungen, auf denen Kund:innen anhand eines selbstgewählten Prozentsatzes ausrechnen, was sie denn draufzahlen wollen. Verknotete Hirne sind da meist die Folge, vor allem, wenn der Dreisatz nicht sitzt.
Stattdessen gibt es zum Beispiel auf der Rechnung des Three Legged Cat, ein Café in East Williamsburg, einen kleinen Hinweis, dass Steuern und Trinkgeld im Preis inbegriffen sind. Zudem steht da, dass das Café stolz darauf sei, seinen Mitarbeiter:innen einen existenzsichernden Lohn zu zahlen.
"Ich muss nicht mehr entscheiden, wie viel Trinkgeld ich gebe, ich muss nicht mehr rechnen", sagt eine Kundin zur "New York Post". Dafür koste der Kaffee im Three Leg Cat aber auch mit 4,50 US-Dollar rund einen Dollar mehr als in anderen Cafés in der Umgebung.
Und das, obwohl andere benachbarte Cafés ebenfalls auf Trinkgeldforderungen verzichten. Katie Bishop, die Inhaberin des GI Coffee Shop, hat diese zum Beispiel ebenfalls gestrichen. Sie betont gegenüber der "New York Post", dass viele Kund:innen das Modell erfrischend fänden. Jedoch musste auch sie die Preise anheben. Für einen Filterkaffee nimmt sie vier US-Dollar.
Manche Kund:innen würden sich über die Preise beschweren, sie fühlen sich laut Bishop berechtigt, ein Getränk zum halben Preis zu bekommen. Die Café-Betreiberin antwortet darauf stets: "Möchten Sie wissen, warum meine Preise so sind, wie sie sind?"
Die Gastronom:innen müssen eigenen Angaben zufolge das Trinkgeld auf die Preise aufschlagen, um den Mindestlohn zahlen zu können. Der beträgt in New York 16 US-Dollar die Stunde. Normalerweise fällt die Bezahlung geringer aus, wird aber mittels Trinkgeldzuschlag aufgestockt. Nur wird dieser entsprechend direkt eingefordert.
Es sei jedoch dahingestellt, wie gut es sich auch mit 16 US-Dollar die Stunde in New York leben lässt. In Brooklyn kostet eine "einigermaßen günstige" Einzimmerwohnung im Schnitt 2500 US-Dollar Miete, schreibt "newyorkcity.de". In einem Mindestlohnjob lässt sich das kaum mit einer 40-Stunden-Woche stemmen.