Es gibt wohl kaum ein Gemüse, dass das deutsche Herz höher schlagen lässt als die Kartoffel. Mittlerweile haben wir uns sogar selbst mit einem Augenzwinkern nach ihr benannt: deutsche Kartoffeln halt. So manche:r kann die Knolle auch tatsächlich zu jeder Tages- und Nachtzeit verdrücken – genügend Zubereitungsformen gibt es ja.
Was darf also bei den meisten Wocheneinkäufen auf keinen Fall fehlen? Das obligatorische Kartoffelnetz. Doch ausgerechnet die könnten in diesem Jahr knapp werden.
In den vergangenen Jahren wurden Landwirt:innen in Deutschland immer häufiger mit Wetterextremen konfrontiert – von langanhaltender Trockenheit über sintflutartige Regenfälle bis hin zu plötzlichen Kälteeinbrüchen. Diese Bedingungen machen den Anbau immer unsicherer in der Planung und ließen selbst robuste Sorten an ihre Grenzen stoßen.
Aktuell ist es aber ein Insekt, dass die Ernteprognosen beeinflusst. Das Landwirtschaftsministerium von Baden-Württemberg warnt, dass die Verbreitung der Schilf-Glasflügelzikade in Süddeutschland eine "ernste Bedrohung" für die Versorgung mit Kartoffeln, Gemüse und Zucker darstellt.
Die Zikade überträgt durch Stiche die Pflanzenkrankheit Stolbur. Diese sorgt dafür, dass die Pflanzen früh welken und die Knollen eine gummiartige Konsistenz annehmen. Das hat auch Auswirkungen auf den Geschmack. Ein Teil der Erträge wird damit komplett unbrauchbar.
"In einigen Betrieben steht der Fortbestand des Anbaus infrage", sagt eine Sprecherin des baden-württembergischen Landesbauernverbandes dem "Spiegel". Schon im vergangenen Jahr seien die Erträge im Kartoffelanbau um etwa 70 Prozent zurückgegangen.
Laut der Union der Deutschen Kartoffelwirtschaft (UNIKA) gelten aktuell etwa 65.000 Hektar als durch Zikaden gefährdete Anbauflächen. Das entspricht etwa einem Viertel der gesamten Kartoffelanbaufläche in Deutschland.
Das Problem ist aber, dass es keinen wirksamen Schutz gegen die Insekten gibt. Hinzu kommt, dass höhere Temperaturen die Vermehrung der Tiere begünstigt – sodass die Klimakrise die Lage nochmals verschärft. Über den Sommer könnten außerdem noch weitere Pflanzen infiziert werden.
Für Verbraucher:innen bedeutet die Ausbreitung der Glasflügelzikade zunächst vor allem eins: weniger Kartoffeln. Knollen mit Fäulnis kommen erst gar nicht in den Handel, die sinkenden Erträge könnten damit ab diesem Herbst direkt spürbar werden.
Viele Landwirt:innen stehen unterdessen vor einer echten Bedrohung. "Es ist zwingend notwendig, dass effektive Mittel zur Bekämpfung der Zikaden eingesetzt werden dürfen", sagt deshalb der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied. Über eine Notfallzulassung könnten spezielle Pflanzenschutzmittel zugänglich gemacht werden.
Laut Rukwied habe man in der Politik "offensichtlich den Ernst der Lage nicht erkannt". Er fordert eine schnelle Lösung, um die Kartoffel und die Landwirt:innen in Deutschland zu retten.