Der Januar ist die Zeit der schon tausendmal gehörten und doch stets wiederholten guten Vorsätze. "Dieses Jahr mache ich mehr Sport", "Dieses Jahr esse ich weniger Fleisch" oder "Dieses Jahr trinke ich weniger Alkohol" stehen dabei besonders hoch im Kurs.
In den vergangenen Jahren haben sich dadurch Trends entwickelt, die diese Vorsätze zunächst auf den ersten Monat des Jahres beziehen. Der "Dry January" lässt die gesunde Lebensweise dabei genau wie der "Veganuary" erstmal auf Probezeit laufen und bietet Unternehmen obendrein einen optimalen Marketing-Coup. Eine bekannte deutsche Brauerei geht dabei in diesem Jahr aber offenbar ein Stück zu weit.
"Getestet von Müttern. Gebraut für euch alle", so lautet der Titel der aktuellen Werbekampagne der Bitburger Brauerei. Dazu veröffentlicht das Unternehmen auf Social Media und auf seiner Website künstlerisch inszenierte Bilder von jungen Frauen, die genussvoll Bierflaschen trinken. Eine von ihnen ist hochschwanger.
Ziel der Kampagne ist das sogenannte "Bitburger 0,0 %", ein alkoholfreies Bier für eine "gemeinsame gute Zeit". Schließlich würden "die, die mit am härtesten schuften" gar keinen Alkohol trinken, heißt es in der Werbung. Auf diese Menschen wolle man im Zuge des "Dry January" sein Glas erheben.
Expert:innen kritisieren jedoch, dass die Werbung trotz des Fokus auf alkoholfreie Getränke ein falsches Zeichen setze. "Diese Kampagne sorgt doch eher dafür, dass der Genuss von Bier verharmlost wird", erklärt Tobias Wolff vom FASD Fachzentrum Hamburg e.V. gegenüber dem "Hamburger Abendblatt".
Das Zentrum kümmert sich um Kinder mit sogenannten Fetalen Alkoholspektrum-Störungen. In Folge von Alkoholkonsum der Mutter in der Schwangerschaft werden bei Betroffenen verschiedenste kognitive Auffälligkeiten, Wachstumsstörungen oder auch körperliche Erkrankungen festgestellt.
Die Bitburger-Brauerei geht bereits in ihrer ursprünglichen Kampagne darauf ein, dass ihr Getränk keinerlei schädliche Wirkung mit sich bringe. "Bei unserem alkoholfreien Bier ist ein so geringer Restalkohol enthalten, dass die Berechnung mathematisch gesehen stets 0,0 % ergibt", erklärt das Unternehmen.
Der Alkoholgehalt beim "Bitburger 0,0 %" sei demnach "geringer als zum Beispiel bei Apfelsaft". Gegenüber dem "Hamburger Abendblatt" bezeichnete die Brauerei das Getränk als "während der Schwangerschaft und Stillzeit absolut unbedenklich".
Doch auch in den Kommentaren auf Social Media zeigen sich viele Verbraucher:innen schockiert von der Kampagne. Mehrere melden sich auch als Betroffene, die Kinder mit FASD betreuen.
"Der Grundgedanke, dass sich eine schwangere Frau ein 0,0% gönnen darf, völlig okay. Allerdings finde ich das 'Rüberbringen' der Message irgendwie völlig geschmack- und pietätslos", schreibt etwa eine Nutzerin auf Facebook. Eine andere nennt die Darstellung ein "absolutes No-Go".
Einige junge Mütter loben die Werbung hingegen und weisen darauf hin, dass sie in der eigenen Schwangerschaft den Konsum von alkoholfreiem Bier sehr genossen haben. Auch Bitburger weist in den Antworten auf bestimmte Facebook-Kommentare darauf hin, dass man sich der Verantwortung als Unternehmen bewusst sei.
"Die Wirkmacht von Bildern hat einen klaren Vorteil gegenüber Worten. Sie wirken direkter auf unser Bewusstsein" warnt hingegen Tobias Wolff vom FASD-Fachzentrum. Er habe entsprechend Beschwerde beim Deutschen Werberat eingereicht.
Eins dürfte die Bitburger-Brauerei mit der Kampagne ohnehin schon geschafft haben: für Aufmerksamkeit sorgen. "Man kann den Dry January auch anders promoten", merkt ein Nutzer auf Instagram hierzu an. Bestenfalls sorgt die Werbung einmal mehr für die Infragestellung des heiligen Bierkonsums in Deutschland und das vielleicht auch über den ersten Monat des Jahres hinaus – ein gewagter Vorsatz für 2024.