Die seit Monaten anhaltende Streikwelle macht auch vor dem Einzelhandel nicht halt. Oder anders ausgedrückt: Auch Mitarbeitende in Märkten bestehen gegenüber ihren Arbeitgebern derzeit auf eine höhere Entlohnung und werden dabei durch Gewerkschaft Verdi unterstützt. Je nach Bundesland kommen weitere Forderungen hinzu.
Die Arbeitgeber reagieren zuletzt zahlreich auf die seit Monaten stockenden Verhandlungen, indem sie von sich aus Lohnerhöhungen beschließen. Interessanterweise machen dies auch Märkte, dessen Mitarbeitende gar nicht in der Gewerkschaft und somit auch an keinen Tarifvertrag gebunden sind. Das betrifft unter anderem die Drogeriekette dm, die nun eine solche Erhöhung beschlossen hat. Konkurrent Rossmann zieht gleich mit.
In der vergangenen Woche empfahl der Arbeitgeberverband HDE (Handelsverband Deutschland), dass seine Mitgliedsunternehmen die Löhne für die Angestellten erneut freiwillig anheben sollen. Diese Erhöhungen seien "auf einen späteren Tarifabschluss anrechenbar". Bereits im Herbst hatte der Branchenverband um eine solche Erhöhung gebeten.
Dieser Aufforderung folgten auch dieses Mal mehrere Supermarkt- und Discounterketten: Die Schwarz-Gruppe, zu welcher Lidl und Kaufland gehören, Rewe und Aldi Nord zogen die Löhne so an, dass zusammen mit der Herbstzulage eine Erhöhung von insgesamt zehn Prozent entsteht. Auch Edeka und Aldi Süd geben ihren Angestellten nach der HDE-Aufforderung mehr Geld.
Wie die "Lebensmittelzeitung" (LZ) nun berichtet, hat daraufhin auch dm eine weitere Lohnerhöhung für seine Mitarbeitenden beschlossen – und das, obwohl die Drogeriekette gar kein Mitglied im HDE ist und ihre Angestellten keinen Tarifvertrag besitzen. Um 4,5 Prozent soll der Lohn steigen, zusammen mit der Herbsterhöhung macht das ebenfalls 10,5 Prozent.
Ähnliches gilt für Konkurrent Rossmann: Zusammen mit der Erhöhung aus dem Oktober zahlt der Drogeriemarkt seinen Angestellten nun zehn Prozent mehr Gehalt. Obendrauf kommt laut LZ eine Sonderzahlung von 250 Euro netto.
Doch warum beteiligen sich Unternehmen, die nicht an Tarife gebunden sind, an solchen Lohnerhöhungen? Christian Harms, Personalvorstand von dm, erklärte der LZ: "Der gemeinsame Blick nach vorne täte dem Land gut." Er sehe den festgefahrenen Tarif- beziehungsweise Gehaltsstreit kritisch.
Überraschende Kritik an den freiwilligen Lohnerhöhungen des Einzelhandels kommt derweil von Verdi. Die Gewerkschaft vermutet, dass die Unternehmen den Arbeitnehmervertretungen durch die Erhöhungen den Wind aus den Segeln nehmen wollen.
Verdi-Bundesvorstandsmitglied Silke Zimmer unterstellte dem HDE die Absicht, "durch Ankündigungen freiwilliger Lohnanhebungen den Streikwillen" brechen zu wollen. Die Gewerkschaft verlangt für Angestellte im Einzelhandel mindestens 2,50 Euro mehr pro Stunde und eine Laufzeit des nächsten Tarifvertrags von einem Jahr. Zudem sollten die Arbeiter mindestens 13,50 Euro pro Stunde bekommen.
Laut HDE entspräche eine solche Anpassung einer Erhöhung von 15 Prozent. Der Verband bietet derzeit eine Steigerung von zehn Prozent über einen Zeitraum von zwei Jahren an, was wiederum laut Verdi lediglich eine Erhöhung von knapp einem Euro im ersten Jahr wäre.